Der Wald stirbt nicht nur in Bosawas

Liebe Freunde,

Wir fahren über die staubigen Pisten und Berge von Wiwili am rio coco zurück nach Somoto. Der rio coco führt kaum noch Wasser und kann mit dem Fahrzeug passiert werden, die Busfahrer spülen verbotenerweise die Staubschicht mit dem Flusswasser ab. In der Staubwolke, die jedes Fahrzeug hinter sich herzieht verschwinden die Hügel und die ausgetrocknete Landschaft. In einem Monat schon soll die neue Regenzeit beginnen. Doch die Wetter- und Klimaregeln sind schon länger nicht mehr gültig.

Zusammen mit Nóe, dem Geschäftsführer und einem Techniker von La providencia hatten wir gestern Kaffeeproduzenten am Kilambe bei Wiwili besucht und die neuen Auffangbecken für die Kaffeepulpa besichtigt. Diese werden zur Produktion von organischem Dünger benötigt und sollen die Verschmutzung des Oberflächenwassers durch das sogenannte „miel de agua“ verhindern. Heute bin ich mit Emil auf eigene Faust in den höheren Lagen dieses Landschaftsschutzgebietes zu Fuß unterwegs. Unterwegs begegnen wir immer wieder Bauern zu Fuß oder auf dem Pferd, die Machete immer als Allzweckwerkzeug dabei, kommen an kleineren Fincas vorbei und suchen das „weiße Pferd“ an den Felsformationen oberhalb der comunidad von El Diamante.

Bewaldet sind nur noch die Bergkämme

Ein landschaftliches Juwel ist diese Region noch immer, der ursprüngliche Bergwald mit einer Mischung von Ceiba, Roble und anderen wertvollen Bäumen ist jedoch von seiner völligen Vernichtung bedroht. Haben sich auf den unteren Hügeln die Rinderzüchter mit ihren Weiden breit gemacht, so schlagen die Bauern hier oben die letzten „Riesen“ um ausreichend Sonnenlicht für ihre Mais- und Bohnenfelder zu bekommen. Mit Neigungen auch über 40° sind diese Pflanzungen von den Regenmassen der nächsten Regenzeit bedroht. Wenn in kürzester Zeit extreme Regenmengen fallen spülen sie das kostbare Erdreich schnell Richtung rio coco.

Immer wieder hören wir die Motorsägen und begegnen einem Arbeiter, der einen über 100 Jahre alten Baum gleich an Ort und Stelle mit seiner Stiehl zu Bauholz verarbeitet. „Alles legal, ihr könnt Ramon von Marena befragen, alles genehmigt und in Ordnung!“ Ramon der Leiter der Wasser- und Naturschutzbehörde hier in Wiwili ist für eine riesige Region zuständig und hat drei Mitarbeiter zur Verfügung. Das Fällen von Bäumen ist hier in der Region streng untersagt. Es bedarf jeweils einer speziellen Genehmigung der Behörde MAREMA. Roman muss ein gefragter Mann sein, so viele frisch gefällte Bäume , wie wir bei unserer Wanderung hier zu Gesicht bekommen.

Motorsägen waren am Werk

Als wir durch schattige Kaffeepflanzungen wieder absteigen begegnen wir Teofilo, einem der „Vorzeigebauern“ von La Providencia. Hier stehen noch die großen Bäume und zudem hat er Guavenbäume gepflanzt, damit seine Kaffeepflanzen ausreichend Schatten haben. Er zuckt resigniert mit den Schultern, als wir unsere Beobachtungen schildern. Noch vor 10-15 Jahren reichte der Wald bis auf eine Höhe von 800m, heute muss man teilweise auf über 1200m steigen um einen geschlossenen Wald zu finden!“ Die Landnahme heute erfolgt auch durch Kleinbauern, die hier roden, um bessere Bedingungen für ihre Aussaat zu schaffen. Aber auch große Landbesitzer verpachten ihr Land in kleinen Parzellen und lassen die Zerstörungsarbeit von den „Kleinen“ erle- digen. Die fälligen Strafen scheinen nicht ausreichend, um das zerstörerische Werk zu verhindern.

In den Bergen am Kilambé

In der Presse wird derzeit der Ausverkauf einer ganzen Region, dem letzten großen Regenwaldgebiet Nicaraguas „Bosawas“, mit großen Reportagen angeprangert. Den Berichten zufolge ist nicht nur die Rinderzüchtermafia beteiligt, sondern auch die staatliche Waldbehörde INAFOR, die den Holzexport „legal“ betreiben kann. Die Umweltorganisationen beklagen seit langem, ein abgekartetes Spiel zwischen Politik und Behörden.

Yoelbi, die Tochter der Kaffeebäuerin Adaleida, die ihre Finca am Kilambe inzwischen verlassen hat, weil die Fläche ihrer Finca zu klein geworden war für eine rentable Produktion, bringt es in einem ihrer Gedichte auf den Punkt: Wann endlich begreifen die Menschen, dass die Ausbeutung der Natur sie teuer zu stehen kommt. Die Zerstörung und der Verlust unserer fruchtbaren Erde machen uns noch ärmer, als wir jemals waren!

Herzliche Grüße

Heinz