Frauenorganisation AMNLAE unter Druck

(aus Nicaragua Aktuell Dezember 2008)

Die Widersprüche innerhalb des nicaraguanischen Sandinismus treffen auch die Frauenverbände und deren mitgliederstärkste Organisation, die 31 Jahre alte sandinistische Frauenbewegung AMNLAE. Deren Vorsitzende, Dora Zeledón, trat Ende Oktober zurück, nachdem Anhängerinnen der Präsidentengattin Rosario Murillo zwei Frauenzentren in Managua besetzt hatten.

Zeledón beklagte eine öffentliche Desinformationskampagne, durch die die Arbeit von AMNLAE diskreditiert werde. Durch ihren Rücktritt wolle sie verhindern, dass weitere AMNLAE-Häuser von anderen Organisationen übernommen würden, und gleichzeitig dazu beitragen, den Frieden innerhalb der Organisation wieder herzustellen.

Vorausgegangen waren Vorwürfe von Rosario Murillo, die eine mangelnde Unterstützung der Regierungspolitik seitens AMNLAE kritisierte. Doch anders als die „Bewegung Autonomer Frauen“ und anderer Gruppen, die die Kritik an der Abschaffung der medizinischen Indikation beim Schwangerschaftsabbruch mit einer grundsätzlichen Ablehnung der FSLN-Regierung verbanden, versuchte AMNLAE - trotz Kritik an besagtem Gesetz - in Zusammenarbeit mit der Regierung viele ihrer Ziele umzusetzen. In ihrer Rücktrittsrede erinnerte Dora Zeledón an zahlreiche Erfolge dieser Zusammenarbeit.

AMNLAE ist landesweit in 90 Gemeinden vertreten, unterhält 60 Frauenzentren, dazu zahlreiche Rechtshilfebüros und Gesundheitszentren, und verfügt über ein dichtes Netz an ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen, die bei der Durchführung der verschiedenen Programme und Kampagnen aktiv sind.

„Wir haben es erreicht, Instrumente zu schaffen, durch die Frauen in Stadt und Land ihre Rechte kennenlernen und einfordern“, so Zeledón. In der „Nationale Frauenagenda“ und der „Frauenagenda zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt“ wurden frauenspezifische Probleme und Forderungen artikuliert und konkrete Schritte vereinbart. Mit einer Gesetzesinitiative, die eine Frauenquote von 50% bei allen Kandidatenlisten vorschreibt, wurde der Forderung nach mehr Frauen in Leitungsfunktionen Nachdruck verliehen. Dieser Anspruch wurde innerhalb der FSLN auch umgesetzt.

Frauenzentrum in El Viejo

Das Frauenzentrum in El Viejo ist von den Auseinandersetzungen bislang verschont geblieben und führt seine Arbeit weiter wie bisher. Zumindest bis zu den AMNLAE-internen Wahlen, die jetzt für Juni 2009 festgelegt wurden, ist damit die unmittelbare Zukunft gesichert.

Im September besuchten die Lateinamerikanistik-Studentinnen Inga Söllner und Ramona Geschwind im Rahmen einer Mittelamerikareise das Frauenzentrum in El Viejo, um einen Einblick in dessen Arbeit zu gewinnen. Sie hatten Gelegenheit, Interviews mit den Mitarbeiterinnen und den Besucherinnen des Frauenzentrums sowie mit Müttern der in der Vorschule betreuten Kinder zu führen.

„Die meisten Familien, die ihre Kinder in diese Vorschule schicken, gehören zur ärmeren Bevölkerungsschicht. Viele Mütter leisten in Textilfabriken Schichtarbeit, andere bleiben zu Hause, um sich um die Kinder zu kümmern. Oft haben die Väter keinen gesicherten Arbeitsplatz und können ihre Arbeit von einem Tag auf den anderen verlieren, so dass die Familie dann nichts zu essen hat. Da die Vorschulgruppe im Frauenzentrum mit etwa 20 Kindern vergleichsweise klein ist - in öffentlichen Vorschulen sind es bis zu 50 Kinder - erhalten die Kinder mehr Aufmerksamkeit, und es können auch verhaltensauffällige und schwierige Kinder integriert werden und lernen, mit anderen Kindern umzugehen.“

Ein wichtiger Arbeitsbereich des Frauenzentrums sind öffentliche Veranstaltungen und Kurse zu gesundheitspolitischen und frauenpolitischen Themen. Die gesellschaftlich noch immer tolerierte und weit verbreitete (sexualisierte) Gewalt ist eines der zentralen Probleme. Neben Kampagnen und öffentlichkeitswirksamen Aktionen zur Aufklärung darüber finden Kurse statt, in denen Frauen für ihre Rechte sensibilisiert und in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt werden sollen, auch um sich und ihre Kinder vor Gewalt schützen zu können.

Kinder aus der Vorschule

Inga: „Wir konnten einen Kurs mit dem Thema: „nutrición afectiva“ (richtige Ernährung) auf dem Land in Monte Rosa besuchen, an dem 20 Frauen zwischen 17 und 40 Jahren teilnehmen. Der Kurs dauert insgesamt 6 Monate und findet alle 14 Tage statt. Das Frauenzentrum gibt Geld, damit an diesem Tag jemand kochen kann und alle während des Kurses etwas zu essen und zu trinken bekommen. Die meisten Frauen nehmen ihr Essen jedoch mit nach Hause, um es mit ihrer Familie zu teilen. Die Mehrzahl der Teilnehmerinnen ist arm. Viele leben mit der ganzen Familie (9 bis 10 Familienmitglieder) in einem Zimmer. Einige Frauen haben ihr Haus durch Schenkung von der Regierung Ortega erhalten.

Bei den Kursen lesen und besprechen die Frauen gemeinsam Texte, thematisieren Probleme und Ängste und versuchen Lösungsansätze und -möglichkeiten für ihre Sorgen zu finden. Sie nehmen an den Kursen teil, um ihre Rolle und Rechte als Frau kennen zu lernen und zu stärken, weil sie ihrer Meinung nach diesbezüglich manchmal „blind“ sind.

Die Frauen arbeiten meist auf dem Feld, bei der harten Arbeit wird keine Rücksicht auf die Frauen genommen. Sie wünschen sich, dass eine Gynäkologin zu ihnen auf das Land kommt, um sie zu untersuchen, da sie sich keinen Arztbesuch leisten können. Oftmals kennen die Frauen noch nicht einmal im Erwachsenenalter ihren Körper. Bei vielen Familien stellt auch der Alkohol ein großes Problem dar, da dieser oft billiger als Nahrung für die ganze Familie ist.“

Rechtsberatung im Frauenzentrum

In ihrer kostenlosen Sprechstunde bietet die Rechtsanwältin juristische Beratung und, falls erforderlich, auch anwaltliche Vertretung vor Gericht an. Wie in den letzten Jahren, kommt ein großer Teil der Frauen, zwischen 20 und 30 im Monat, wegen innerfamiliärer Gewalt zur Beratung. Dazu kommen Unterhaltsstreitigkeiten, Vaterschaftsanerkennungen und Ähnliches. Doch auch bei der Ausstellung von Landtiteln ist die Rechtsanwältin bei Bedarf behilflich. Die Vergabe dieser Landtitel ist eine neue Initiative der aktuellen Regierung. Es gibt ein Recht auf ein eigenes Grundstück, deswegen findet der Versuch statt, an jeden Land zu verteilen.

Psychologische Betreuung

Die ebenfalls kostenlose Sprechstunde der Psychologin wird von vielen Frauen und Mädchen in Anspruch genommen, die unter den Folgen erlebter Gewalt leiden. Doch auch Jugendliche beiderlei Geschlechts mit Alkohol- oder Drogenproblemen oder Kinder mit Schulschwierigkeiten werden von ihr betreut. Daneben besteht ein Programm zur Resozialisierung von Jugendlichen:

Inga: „Die Polizei schickt Jugendliche, die kriminell geworden sind und teilweise schon im Gefängnis waren, ins Frauenzentrum, wo sie über einen längeren Zeitraum hinweg psychologisch betreut werden. Da die Jugendlichen oft keine ausreichende Schulausbildung haben, setzt sich das Frauenzentrum dafür ein, dass sie eine weiterführende Schule besuchen können oder einen Ausbildungsplatz bekommen.“

Einen weiteren Schwerpunkt bilden Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheitssituation, beispielsweise Aufklärungskampagnen über AIDS, Schwangerschaft, Verhütung, Kurse für Schwangere und junge Mütter sowie eine Zusammenarbeit mit Schulen. Im Frauenzentrum bietet die Gynäkologin Sprechstunden für Frauen an, die sich sonst einen Arztbesuch nicht leisten könnten. Es finden Schreibmaschinen-, Näh-, Back- und Kosmetikkurse statt, die vor allem jüngeren Frauen berufliche Möglichkeiten eröffnen sollen.

Nachdem im letzten Frühjahr das Dach erneuert werden konnte, war für das kommende Jahr eine ebenfalls dringend erforderliche Reparatur der Wände geplant. Aufgrund der momentanen Unsicherheit werden wir diese Investition allerdings verschieben, um die organisationsinternen Wahlen im Juni 2009 abzuwarten.

Wie bisher werden die Arbeit der Rechtsanwältin, der Psychologin, der Leiterin, der Frauenärztin und einer der beiden Vorschullehrerinnen über das Nicaragua Forum bezahlt. (se)

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