Meldungen aus Nicaragua vom 27.06.2006

  1. Datum der nächsten Parlamentswahlen unsicher
  2. Insulza: Situation in Nicaragua ist "gefährlich"
  3. Nicaragua versäumt es, Erklärung gegen Wasserprivatisierung zu unterschreiben
  4. DR-CAFTA sent to US Congress
  5. Can Debt Relief and Aid Solve Nicaragua's Problems?
  6. Aleman and Jerez Accused by Panamanian Court
  7. Government No Closer to Resolving Energy Crisis

Datum der nächsten Parlamentswahlen unsicher

Wie es in der nicaraguanischen Politik so oft der Fall ist, gab es in dieser Woche viele kühne Vorschläge aller wichtiger Akteure, aber keine Maßnahmen wurden ergriffenen und man konnte sich auf nichts einigen. Am 18. Juni forderte Daniel Ortega, der Führer der Sandinistischen Front für die nationale Befreiung (FSLN), Präsidenten Enrique Bolaños auf, das Datum der gegenwärtig für November 2006 geplanten Parlamentswahlen vorzuverlegen. Er forderte dass auch ein Volksentscheid abgehalten werden soll, so dass die nicaraguanische Bevölkerung entscheiden könne, ob das Freihandelsabkommen mit Zentralamerika und der Dominikanischen Republik (DR-CAFTA) verwirklicht werden soll.

Am 20. Juni akzeptierte Präsident Bolaños die Forderung, früher Parlamentswahlen abzuhalten, aber zu seinen Bedingungen. Er will die Verabschiedung eines Gesetzes, das innerparteiliche Vorwahlen für die Bestimmung der Präsidentenkandidaten zu einer gesetzlichen Verpflichtung für alle politischen Parteien macht. Beide großen Parteien, die FSLN und die liberal-konstitutionalistische Partei PLC haben sich geweigert, innerparteiliche Vorwahlen trotz oder auch wegen der Tatsache abzuhalten, dass ihre Parteiführer Ortega und Arnoldo Aleman Gegenkandidaten haben würden, die unter der nicaraguanischen Bevölkerung beliebter sind. Als Krönung dieses Gesetzesvorschlags machte Bolaños die Idee publik, dass all jene öffentlichen Funktionäre, die bei den letzten Wahlen von 2001 (d.h. alle Parteiführer und Abgeordneten) auf ihre Pfosten verzichten müssten. Bolaños will auch einen Volksentscheid abhaltenden, bei dem die NicaraguanerInnen entscheiden können, ob die letzten Verfassungsänderungen erhalten oder abgelehnt werden sollen (die Änderungen, die von FSLN und PLC beschlossen wurden und die die Macht der Regierung drastisch verringert haben). Zum Schluss schlug das der Präsident noch vor, dass die neu gewählte Nationalversammlung dann "die politische Verfassung der Republik völlig neu schreiben soll".

Edwin Castro, Koordinator der Sandinistischen Fraktion in der Nationalversammlung, vertrat die Ansicht, dass wenn Bolaños Vorschlag verwirklicht werden würde, wäre dies ein schlecht verkleideter Staatsstreich. "Bolaños sagt ' ich gehe, aber Sie alle gehen mit mir'. Diese Idee würde das Gleichgewicht zwischen den Staatskräften völlig destabilisieren. Es wäre ein Staatsstreich."

Am 23. Juni sagte Ortega der Presse, dass er in der Nationalversammlung am 1. Juli einen offiziellen Vorschlag machen werde, nach dem die Parlamentswahlen auf den 5. November dieses Jahres vorverlegt werden sollen. Er akzeptierte Bolaños Vorschlag, dass die frisch gewählte Nationalversammlung die nicaraguanische Verfassung neu schreiben solle. "Wir brauchen ein neues System, das wirklich demokratisch ist, ein System, das den Leuten mehr Macht gibt." Ortega glaubt, dass ein entscheidendes Element in der neuen Verfassung ein demokratischeres System für die Kontrolle der nationalen Polizei und der nicaraguanischen Armee wäre. "Die Streitkräfte dürfen nicht unter dem Befehl der Regierung stehen, aber sie müssen kontrolliert werden von Gesetzen, so dass sie nicht gegen die Leute eingesetzt werden können", und fügte hinzu, dass die gegenwärtige Kontrolle über die Polizei und die Armee durch Präsident Bolaños "besonders gefährlich ist".

Am 25. Juni, nachdem einzelne politische Analytiker und andere einflussreiche und vom Staat unabhängige Stimmen die Rechtmäßigkeit eines neuen Wahltermins bezweifelt hatten, veröffentlichte Ortega den Vorschlag, dass Präsident Bolaños und sein Stellvertreter Jose Rizo von ihren Posten zurücktreten sollten, so dass ein kompliziertes Verfahren der Legislativ mit dem Ziel, einen früheren Wahltermin zu ermöglichen, vermieden werden könne. Wenn dies geschehen würde, würde der Präsident der Nationalversammlung (der Sandinist Rene Nuñez) automatisch für bis zu 72 Stunden die Präsidentschaft der Republik übernehmen, bis die Nationalversammlung einen neuen Präsidenten und Stellvertreter gewählt habe.

Ortegas neuer Vorschlag markierte das Ende einer kurzen Periode der Übereinstimmung über diese Angelegenheit zwischen Bolaños und dem Führer der Sandinisten. Am 26. Juni sagte der Präsident "Gott helfen uns, sollte die Präsidentschaft der Republik in die Hände vom Rene Nuñez fallen." Sowohl Bolaños als auch Rizo erklärten, dass sie ganz bestimmt nicht zurücktreten würden. Bolaños schien dann von seinem Vorschlag abzukommen, die Parlamentswahlen insgesamt vorzuverlegen. "Wir sollten bis zum November 2006 darauf warten, den neuen nicaraguanischen Präsidenten zu wählen", sagte er. (La Prensa, 21. - 28.06, El Nuevo Diario, 23., 24., 27.06, Radio Ya!, 24., 27.06.)

Insulza: Situation in Nicaragua ist "gefährlich"

Jose Miguel Insulza, Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), beschrieb in einem Bericht, den er dem ständigen Rat der Organisation über die OAS-Mission in der letzten Woche am 21. Juni überreichte, die gegenwärtige Situation in Nicaragua als "gefährlich". Der von Insulza geführte OAS Auftrag versuchte ohne Erfolg, den derzeit ausgesetzten nationalen Dialog zwischen den drei wichtigsten politischen Akteuren, der Regierung und den Mehrheitsparteien (liberal-konstitutionalistische Partei PLC und der Sandinistischen Partei FSLN), die das Parlament dominieren und sich gegen Präsident Enrique Bolaños stellen, wieder aufzunehmen.

Laut Insulza ist die gegenwärtige politische Krise nicht so ernst wie die Krisen kürzlich in den südamerikanischen Ländern Bolivien und Ecuador. Er erklärte, "wir haben noch Zeit, Nicaragua vor der aktuellen Krise zu retten" und vertrat die Meinung, dass der richtige Weg dazu ein Prozess des Dialogs sei. Er wies die Aussage zurück, dass der OAS-Auftrag gescheitert sei, worauf aus mehreren Richtungen in der nicaraguanischen Presse hingewiesen worden war, und sagte, man sei weit davon entfernt, da der Auftrag gerade erst begonnen habe.

Die Situation wird hauptsächlich durch die Tatsache "verkompliziert", dass alle anderen staatlichen Kräfte und Institutionen (außer der Legislative und der Executive) nicht neutral sind. Insulza sagte, dass die Mehrheitsparteien in all den anderen staatlichen Organisationen und in den Gerichten "Verbündete" in einflussreichen Positionen hätten, wodurch die politische Krise weiter bestehe. "Das Volk [von Nicaragua] will, dass die politischen Akteure zu einem Konsens kommen, und sie fürchten sich vor diesem geschlossenen Pakt der Parteiführer, die nicht immer auf dem Wohl des Landes gründen." (La Prensa, 22.06., El Nuevo Diario, 23.06.)

Nicaragua versäumt es, Erklärung gegen Wasserprivatisierung zu unterschreiben

Das zentralamerikanische Wassertribunal traf sich letzte Woche in Managua, um die wachsende Tendenz innerhalb des Isthmus zu diskutieren, Wasser als Ware statt als grundlegendes Menschenrecht zu betrachten. Dieses Treffen war in Erwartung des Weltwasserforums organisiert worden, das im März nächstes Jahr in Mexiko stattfinden soll. Entsprechend den Daten des Tribunals haben 35% aller Zentralamerikaner (15 Millionen Menschen) keinen zuverlässigen Zugang zu sauberem Wasser und 70% des verfügbaren Wassers in der Region wird für die Landwirtschaft verwendet.

Das Wassertribunal brachte Mitglieder von Legislative, Regierungsbeamte und Spezialisten für die Verteilung von Bodenschätzen aus ganz Mittelamerika zu der dreitägigen Konferenz zusammen, die den Titel "das Menschenrecht auf Wasser auf der politischen Tagesordnung Zentralamerikas" trug und das Ziel hatte, den Zugang zu Wasser als ein allgemeines Grundrecht einzuführen.

Javier Bogantes, Direktor des zentralamerikanischen Wassertribunals, erklärte, dass er besorgt sei über die gegenwärtigen Bestrebungen innerhalb mehrerer Länder in der Region in Richtung Wasserprivatisierung. "Es ist wichtig, dass wir verstehen, dass die Firmen (die das Recht auf Wassernutzung schließlich erwerben) konkurrieren müssen, weil das die Logik des Markts ist. Und die Werte (des Markts) sind nicht humanistisch; alles dient dazu, damit einen Gewinn zu erzielen, deshalb: Nach einem Prozess der Privatisierung an den privaten Sektor kommt es zwangsläufig dazu, einen Gewinn durch die Verwendung des Wassers zu machen, bevor die Bevölkerung ein Recht auf den Zugang zu sauberem Wasser erreichen kann. "Vertreter des zentralamerikanischen Wassertribunals warnten während der Konferenz davor, dass Multinationale Kapitalgesellschaften gegenwärtig neue legale Strategien zur Durchsetzung des "Eigentums an Bodenschätzen" suchten.

Das Ende der dreitägigen Konferenz wurde durch das Unterzeichnen eines Dokuments markiert, das "Erklärung von Managua" genannt wurde. Die Mitglieder der Legislative und andere Regierungsbeamte, die die Erklärung unterschrieben, verpflichteten sich, den sicheren Zugang zu Wasser als ein grundlegendes Menschenrecht zu fördern und den Zugang zu der Ressource innerhalb ihrer eigenen Länder zu schützen und zu erleichtern. Tatsächlich wurde das Dokument durch alle anwesenden Staatsmänner unterschrieben, außer jenen aus Nicaragua, da diese nicht lange genug anwesend blieben, um bei der Verlesung der Erklärung zuzuhören.

Als Bogantes sagte, er glaube, dass die nicaraguanischen Vertreter in Folge ihrer "ungewöhnlich vollen Terminpläne" während dieser Zeit der politischen Krise hätten gehen müssen, äußerten sich die anwesenden nicaraguanische Journalisten über diesen Kommentar skeptisch.

Das von Vertretern aller anderen zentralamerikanischen Länder unterschriebene Dokument erklärt "während DR-CAFTA zum Ziel hat, die Privatisierung von allen öffentlichen Diensten zu fördern, soll Wasser keine kommerzielle Ware werden." (La Prensa, El Nuevo Diario, 22.06., 24.06.)

Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Hannah Given-Wilson.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
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