Meldungen aus Nicaragua vom 01.03.2004

  1. FSLN Threatens Aleman Control of National Assembly
  2. Zivile Organisationen klagen Regierung an, Steuereinnahmen zu verstecken, um die Schulden bei Privatbanken zu bezahlen
  3. Ortega ruft zur Einheit der Bananenarbeiter auf
  4. Analphabetenrate erreicht 40 %; Basisbewegung dagegen entsteht
  5. Managua Water Supply Under Double Threat
  6. Central American Parliament May be Shut Down
  7. Indigenous Children "In Abandonment"

Zivile Organisationen klagen Regierung an, Steuereinnahmen zu verstecken, um die Schulden bei Privatbanken zu bezahlen

Die Koordination von vielen großen unabhängigen Gruppen, die im Bereich der Zivilgesellschaft aktiv und als "Coordinadora Civil" (CC) bezeichnet wird, begann eine Kampagne, um von der Regierung eine Antwort auf die Frage zu verlangen, wofür sie die 1,15 Milliarden cordobas (76 Millionen US-$) an versteckten Steuereinnahmen verwenden wolle, die innerhalb dieses Jahr anfallen werden. Das CC hat zusammen mit dem Verteidigungsnetz der Verbraucher und anderen ähnlichen Organisationen der Verbraucher zunehmend die ‚prominente' Rolle des Wachhundes über die nationale Legislative inne. Die Koordination kündigte an, dass sie damit beginnen werde, landesweit und über die nationalen Grenzen hinweg für dien notwendige Transparenz zu kämpfen, und forderte eine strenge Buchführung über das fehlende Geld einschließlich einer Untersuchung durch das Büro des Obersten Rechnungsprüfers. Vertreter der CC sagten, dass sie auch beabsichtigten, sowohl den Generalsekretär des Internationalen Währungsfonds als auch den Präsidenten der Weltbank zu informieren.

Die Wirtschaftswissenschaftler Nestor Avendaño und Adolfo Acevedo baten zusammen mit Vilma Nuñez, Direktorin des nicaraguanischen Zentrums für Menschenrechte (CENIDH) und Roberto Courtney, Direktor der Organisation ‚Ethik und Transparenz' die Regierung um Klärung der offensichtlichen Diskrepanzen, die im Staatshaushalt (verabschiedet in Übereinstimmung mit dem IWF) entdeckt worden waren.

Der Finanzminister Eduardo Montealegre beschuldigte dagegen die CC, ihre Anklage sei "völlig falsch" und behauptete, "sie versuchen einfach, die öffentliche Meinung zu manipulieren". Acevedo antwortete selbst und versuchte, die Aufmerksamkeit auf die Zahlen zu lenken. Entsprechend des von der Nationalversammlung Mitte Dezember beschlossenen Budgets für 2004 plant die Regierung ein Steuereinkommen von 10,196 Milliarden Cordobas. Jedoch wurden die erwarteten Einnahmen in einem speziellen Memorandum an den IWF-Generaldirektor Horst Köhler nur dreizehn Tage später, am 22. Dezember, sonderbarerweise mit 11,35 Milliarden Cordobas angegeben, was einem um 16,7 % höheren Bruttosozialprodukt des Landes entspricht. Für Acevedo und seine Kollegen scheint es so, als würde der Unterschied von 1,154 Milliarden Cordobas in erster Linie dazu verwendet, um die interne Verschuldung des Landes beim privaten Banksektor abzubezahlen.

"Dies ist als solches kein Problem der Korruption", sagten die CC-Vertreter, "aber es ist sicher ein Problem der Transparenz. Es scheint ein klarer Versuch zu sein, Einnahmen zu verstecken, aber nicht für verbotene Zwecke". "Wir müssen das aufgebaute Image der Transparenz, das Präsident Bolaños vor der internationalen Gemeinschaft trägt, leider zerstören", erklärte Nuñez. Violeta Delgado erklärte dazu: "wir müssen den Ritter des Antikorruptionskampfes denunziert".

Für seinen Teil fragte Montealegre, "wie können sie eine Kampagne gegen die Regierung mit der Weltbank und dem IWF anfangen? Wie, wenn dies doch die eigentlichen Organisationen waren, mit denen wir unser ökonomisches Programm ausarbeiteten? Es wird nur dazu führen, dass die Mitglieder des Coordinadora von uns verlangen, dass wir all das wieder neu aushandeln, was gerade nicht geschehen wird". (La Prensa, 27. Februar)

Ortega ruft zur Einheit der Bananenarbeiter auf

Sie sitzen bei jedem Wetter vor dem Gebäude der Nationalversammlung, Tag und Nacht, abwechselnd von der glühenden Sonne versengt oder von dem staubigen Wind in der Nacht erstickt. Und als wäre dies noch nicht genug, beginnen die hier lagernden Bananenarbeiter Zeichen von interner Uneinigkeit zu zeigen. Trotz ihres langen Marschs Anfang Februar von Chinandega, der schon 10 Tage gedauert hatte und zu mindestens drei Toten führte, folgten nun schon drei Wochen des unwirtlichen Lagers. Jetzt wurde diese große Gruppe von früheren Arbeitern auch noch von einem viel kleineren Kontingent angegriffen, das mit dem Bus ankam und auf der entgegengesetzten Seite der Nationalversammlung ein Lager aufschlug, wo sie sich zu den "wahren an den Auswirkungen von Nemagon Leidenden" erklärten. Trotz ihrer rätselhaften Herkunft und ungeklärten Fragen (warum hatten sie so lang gewartet? Was sind die Gründe für ihre Diskrepanz mit der größeren Gruppe? usw.) erklärte die zweite Gruppe, die von dem Gewerkschafter Roberto Ruiz geführt wird, dass ihre Mitglieder frisch ärztlich getestet seien, um ihre Behauptungen zu untermauern. Dies hatte der Menschenrechtsanwalt Benjamin Perez vorgeschlagen, während der Führer der ersten Gruppe und frühere Abgeordnete in der Nationalversammlung, Victorino Espinales, ein solches Verfahren rundweg ablehnte.

Bei einem Besuch von treuen Anhängern der sandinistischen Revolution wie dem Sänger Carlos Mejia Godoy, der zu der Unterstützung der früheren Arbeiter kam, erhielten die beiden Lager vom Generalsekretär der FSLN, Daniel Ortega einen Anruf zur Einheit. Anlässlich einer Ansprache zum Gedenken an den Tod der "Märtyrer von Monimbo" in Masaya, rief Ortega die Arbeiter mit der Aussage "Die Plantagenarbeiter sollten nicht nur eine einheitliche Front bilden, sondern auch jene, die in den von Pestiziden verseuchten Gemeinden leben, sollten mit ihnen bei dieser gerechten Sache zusammenarbeiten. Es sind nicht nur die Arbeiter direkt betroffen; das gesamte Wasser wurde kontaminiert. Ihre Gegner haben sich zusammengeschlossen. Jene, die das Verbrechen begingen, sowohl viele tausend Menschen als auch die Umwelt zu verseuchen, zogen jetzt zusammen vor ein US-Gericht, um uns Nicaraguaner zu beschuldigen, die medizinischen Berichte über die Auswirkungen von Nemagon zu verfälschen. Von Monimbo aus bitten wir euch alle nach eurem heldenhaften Marsch von Chinandega nach Managua und nachdem ihr vor der Nationalversammlung dem Wetter getrotzt habt, vereinigen euch mit einander." Ortega benützte die Gelegenheit, um die Regierung von Enrique Bolaños mit den Worten zu kritisieren, "die Wahrheit ist, dass eine Forderung wie diese von der Regierung aufgenommen werden sollte; jedoch scheint es so, als ob die Bananenarbeiter in diesem Augenblick keine Regierung haben - sie müssen anscheinend darauf warten, dass die FSLN wieder an die Macht zurückkehrt. Die Arbeiter sollen wissen, dass sie immer auf die Unterstützung der FSLN zählen können". (El Nuevo Diario, La Prensa, TV-Kanal 2 + 8, 26.-29. Februar)

Analphabetenrate erreicht 40 %; Basisbewegung dagegen entsteht

Während der im Jahr 2000 zum zwanzigsten Jahrestag der Alphabetisierungskampagne abgehaltenen Feiern hatten Mitglieder des sich organisierenden Komitees für Volksbildung ihre Ängste ausgedrückt, dass die Regierung von Arnoldo Aleman, der damals noch an der Macht war, das Bildungssystem des Landes weiter dezimieren werde. Der Kreuzzug der Alphabetisierung war eine der ersten und dramatischsten Aktionen der neuen Regierung nach dem Triumph der sandinistischen Revolution 1979 gewesen und hatte als wichtigstes Ergebnisse die Analphabetenrate von etwa 50 % auf 12 % gesenkt. Das Komitee drückte damals auch die Furcht aus, dass Aleman Nicaragua nicht nur zu einen moralischen Bankrott, sondern auch "zu einem Bankrott des Bildungs- und Erziehungssystems führen werde".

Die Vorahnungen des Komitees bewahrheiteten sich nun laut den verfügbaren Statistiken. Entsprechend den letzten offiziellen Regierungszahlen gibt es eine Analphabetenrate von 24,3 %. Organisationen der Basis wie das Carlos Fonseca Institute für Volks-Bildung nennen die viel höhere Zahl von fast 40%. Orlando Pineda, der Koordinator des Verbands, sagte dies anlässlich des vierzehnten Jahrestags seiner Gründung in Palacaguina nahe der honduranischen Grenze. Weiter erklärte er: "wir hoffen, in dieser Gemeinde den Erfolg wiederholen zu können, den wir in San Francisco Libre (an der nördlichen Küste des Lago Xolotlan = Managua-See) erreichen konnten, wo die Analphabetenrate von 44,19 % auf 3,84 % gesenkt werden konnte".

Als das Carlos Fonseca-Institut gegründet wurde, fuhr er fort, "wussten unsere Mitglieder sehr gut, was sie erwarten wird: mehr als eine Million Menschen, die außerstande sind, Schulen zu besuchen, Tausende Hochschulabsolventen, die außerstande sind, auf die Universität zu gehen". Mit der Demontage des Systems der Volksbildung, so erklärte er, geriet das Museum der Alphabetisierungskampagnen in Vergessenheit und Bildung wurde wieder zu einer Sache für die Eliten. "Es gibt heute eine Milliarde Analphabeten in der Welt", fuhr er fort. "Wer in Nicaragua von Analphabetentum redet, scheint vor Gräbern zu reden".

Pineda sagte, er schämte sich, wenn er salvadoranischen Kollegen sagen müsse, wie viel ein Lehrer in Nicaragua verdiene. "Mein Salvadoranischer Berufskollege verdient 300 US-$ pro Monat; hier erhalten wir kaum 60 US-$. Er beschuldigte die Regierung, die Lehrer einfach nicht ernst zu nehmen, "Präsident Bolaños selbst empfahl am Ende eines Treffens, dass die Lehrer nebenher noch 'kleine Geschäfte machen' sollen. Das ist gleichbedeutend mit der Aufforderung zur Korruption". Pineda ging jedoch auch hart mit dem privaten Sektor, den Richterstand und den Mitgliedern der Nationalversammlung ins Gericht, als er ihnen vorwarf: "Wie viel verdienen sie im Monat? Wenn jeder von ihnen nur ein bisschen etwas für die Lehrer tun würde, könnte sich diese ganze traurige Realität ändern".

Das Antworten auf die Kritik von jenen, die behaupteten, dass bei der Alphabetisierungskampagne den Kindern beigebracht worden sei, mit Hilfe von Bomben und Patronen zu zählen, erklärte er: "wenn das so gewesen wäre, hätte uns die UNICEF ihre höchste Ehre zuerkannt"? Pineda schloss mit der Aussage: "der wahre Revolutionär ist ein Revolutionär, der jeden Tag arbeitet und sich weigert, nur in der Vergangenheit zu Leben. Die Gemeinde San Francisco Libre war 1994 als 'analphabetenfrei' erklärt worden. Dies war wirklich schön. Es bedeutet zum Beispiel, dass es seitdem nicht einen einzelnen Fall der Cholera, nicht einen Fall von Dengue-Fieber gegeben hat. Warum? Weil die Fähigkeit zu lesen und zu schreiben mit dem Gesundheit-Schutz kombiniert wurde". (El Nuevo Diario, 25. Februar)

Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Paul Baker Hernandez.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Agnes Bennhold, Rudi Kurz. Zur Finanzierung dieses Informationsdienstes überweisen regelmäßige Leser bitte jährlich 45 Euro (Komitees 60 Euro) an das Nicaragua-Forum. Rechnung auf Anfrage möglich.

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