Meldungen aus Nicaragua vom 08.03.2004
- Hinter CAFTA versteckt sich die Privatisierung des Wassers
- Massive Rise in Violence Against Women Recorded
- Start der sandinistischen "Reform-von-innen"-Bewegung
- Another Suspect Bolaños Election Account Surfaces
- PLC Hoist With Aleman Petard
- Methan-Gas-Projekt aus Müll vor der Realisierung
- US Consortium Wins Bid for East-West Fiber Optic Link
- Banana Workers Update
Hinter CAFTA versteckt sich die Privatisierung des Wassers
Carlos Pacheco, leitender Direktor des Zentrums für Internationale Studien (CEI) und Vorstandsmitglied des Nationalen Netzwerks zur Verteidigung der Konsumentenrechte, wies darauf hin, dass viele Trinkwassersysteme Nicaraguas einem Prozess "heimlicher Privatisierung" ausgeliefert sind. In einer scharfen Kritik im Hinblick auf die viel gepriesene Transparenz der Regierung betonte Pacheco, dass die Bolanos-Regierung in Wirklichkeit während der Verhandlungen über die kürzlich unterzeichnete Zentralamerikanische Freihandelsvereinbarung (CAFTA) Geheimabsprachen mit den USA getroffen hat. Diese Klauseln, die in den endgültigen CAFTA-Vertrag aufgenommen worden sind, fordern, laut Pacheco, die Verwaltungen von mehr als einem Drittel (56) der Kreisstädte auf, das Management ihrer Wasserversorgung dem Wettbewerb internationaler Gesellschaften zu öffnen. Pacheco erklärte, dass dem nicaraguanischen Volk auf diese Weise nicht nur ein lebenswichtiger Rohstoff buchstäblich unter den Füßen weg verkauft wird, in dem man ihn zu einem x-beliebigen Handelsartikel degradiert, sondern dass dadurch auch das Grundrecht jeder Gemeinde auf ihre ihr heilige Autonomie gegenüber der Zentralregierung, ihr gesetzlich festgelegtes Recht, ihre eigenen Angelegenheiten selbst zu entscheiden, verletzt wird. Die Situation ist, laut Pacheco, schon so weit fortgeschritten, dass man diese Wasserversorgungssysteme schon auf der web-page der US-Handelszentrale (http://www.ustr.gov/new/fta/Cafta/text/09-government_procurement-annex91.pdf Annex 9.1, S. 37) aufgelistet findet. Auch zahlreiche andere Dienstleistungen müssen aufgrund von CAFTA dem internationalen Wettbewerb geöffnet werden, betonte Pacheco.
Das CAFTA-Dokument, das im Dezember 2003 und im Januar dieses Jahres von den zentralamerikanischen Vertretern unterzeichnet worden ist, wird demnächst von den US- und zentralamerikanischen Präsidenten unterschrieben. Anschließend wird es den Parlamenten der sechs Länder zur Beschlussfassung vorgelegt. CEI und Verbrauchernetzwerk waren an der vordersten Front derjenigen, die verhindern wollten, dass die Handelsminister der Region die Erstunterzeichnung vornahmen, und setzen nun alles daran, die Ratifizierung zu verhindern mit der Begründung, dass die Vereinbarung auf Kosten der verarmten Mehrheit der Menschen in der Region geht.
Nicaraguas Handelsminister Mario Arana betonte, dass Nicaraguas Wasser weder jetzt noch in Zukunft privatisiert wird und dass er persönlich gegen jede derartige Privatisierung sei. Aber Pacheco betonte, dass sich CAFTA den Regeln der Welthandelsorganisation unterordnen müsse und dass die WTO-Bestimmungen Wasser ausdrücklich in die Reihe der Handelsgüter einbeziehen.
Pacheco wies darauf hin, dass einerseits jedermann Zugriff habe auf Nicaraguas Wasserressourcen aufgrund der Auflistung auf der web-page der US-Regierung, andererseits aber die betroffenen Kreisstädte auf keiner offiziellen web-page der nicaraguanischen Regierung auftauchten, nicht einmal auf der des Industrie- und Handelsministeriums. (El Nuevo Diario, 2. März)
Start der sandinistischen "Reform-von-innen"-Bewegung
1990, mitten im Wirrwarr der Wahlniederlage der Sandinistischen Front und des Siegs der von den USA unterstützten Violeta Chamorro, schwor Daniel Ortega, die FSLN werde "von unten" regieren; sicher hat eine Gruppe führender Sandinisten mit einem halben Auge auf diesen historischen Vorgang geschielt, als sie ankündigte, sie werde eine "Reform-von-innen"-Bewegung starten. Auf der Pressekonferenz, die zur Bekanntmachung der Ziele der Bewegung einberufen worden war, waren ihre Hauptsprecher Alejandro Martínez Cuenca und ihm zur Seite Ex-General Hugo Torres und Ex-Kommandant Victor Manuel Tirado López. Martínez Cuenca, ein Volkswirt, der in der sandinistischen Regierung der 80er Jahre Finanzminister war, ist in der jüngsten politischen Geschichte Nicaraguas dadurch hervorgetreten, dass er im Wahlkampf 2001 als FSLN-Präsidentschaftskandidat gegen Ortega angetreten ist. Trotz seiner langen Karriere im öffentlichen Dienst ist er, ebenso wie seine zwei Mitstreiter, ein stiller Mensch, der sich gern im Hintergrund aufhält und selten die öffentlichen Wogen hoch gehen lässt. Bei dieser Gelegenheit haben die drei allerdings keine Zeit verloren, um sich klar zu positionieren und mit Nachdruck einen ernsthaften Wechsel in der Sandinistischen Partei zu fordern, je früher, desto besser. Offen kritisierten sie die politischen Führer des Landes, vor allem die der zwei großen Parteien, der FSLN und der Liberal-Konstitutionalistischen Partei Alemáns; sie führten aus, dass beiden, im Bestreben, möglichst viele Stimmen zu gewinnen, das Wohl des Landes gleichgültig sei und dass sie sich nicht klar machten, dass sie als politische Kräfte eine wichtige Grundlage für den Bau einer institutionellen Demokratie sind. "Jeder von ihnen," betonte Martínez, "kommt zu der gleichen, gleichsam messianischen, kurzsichtigen Schlussfolgerung, dass die Interessen des Staates mit denen seiner eigenen Person fast völlig übereinstimmen."
Die drei Männer behaupten, dass Nicaragua unter einem ernsthaften Machtvakuum leidet und dass das in Angriff genommen und überwunden werden müsse, statt dass man alles weiter so treiben lässt und sich wohlgefällig dem Glauben hingibt, dass ja alles in Ordnung ist. Sie nutzten die Gelegenheit, um eine Schrift mit dem Titel "Nicaragua: Land in der Krise" herauszugeben. Darin begründen sie ihre Meinung, dass, weil das Land den Launen der Caudillos (starke Männer) der wichtigen Parteien ausgeliefert ist, der Teufelskreis der Krisen aufrecht erhalten und immer akuter wird; auf diese Weise werde die Integrität Nicaraguas als Nation unterminiert.
Matínez sagte, er und seine Kollegen wollten innerhalb des Rahmens, der in der FSLN zugelassen ist, arbeiten, da der erste Schritt ein Prozess der Reflexion und Veränderung "innerhalb unseres eigenen Hauses" sein muss. Sie betonten, dass sie einerseits speziell der politischen Führung der Sandinisten gegenüber kritisch seien; sie seien aber auch kritisch gegenüber allen politischen Tendenzen, die sich zur Zeit zeigten, und wiesen dabei auf die Art und Weise hin, wie die PLC die parlamentarische Arbeit zu einem abrupten Ende mit offenem Ausgang bringen wolle, um die Entlassung Alemáns zu erreichen, obwohl er wegen ernsthafter Verbrechen gegen den Staat angeklagt und verurteilt worden sei.
Sie verurteilten entschieden die jüngst erfolgte Ermordung des einst führenden FSLN-Mitglieds und Journalisten Carlos Guadamuz und übten harsche Kritik an der Führung, die das Verbrechen offensichtlich verteidigte. "Ebenso ist es völlig unannehmbar, dass Männer und Frauen der Presse, die zufällig anderer Meinung sind als sie selbst, bedroht werden."
Als Antwort tat der FSLN-Insider Bayardo Arce die neue Bewegung mit dem Hinweis ab: "Innerhalb der FSLN gibt es keine neuen Strömungen. Damit soll nicht bestritten werden, dass es innerhalb unserer Partei Hunderte verschiedener Denkrichtungen gibt. Wir sind stolz darauf. Es wäre schrecklich, wenn alle 400 000 aktiven Parteimitglieder genau gleich denken würden. Das würde uns zu einer Partei von Robotern machen." Dr. Gustavo Porras, Generalsekretär der Gewerkschaft der Gesundheitsarbeiter und ebenfalls Mitglied in der Nationalversammlung, erklärte Martínez Cuenca ganz einfach zum politischen Opportunisten, der die derzeitige Situation ausnutzt, um die Grundlage für seine eigene erneute Präsidentschaftskandidatur zu legen. "Dafür war schon immer Raum in der Partei," schloss er. "Aber sie haben nie davon Gebrauch gemacht." (El Nuevo Diario, La Prensa, TV-Kanal 2 + 8 , 5. März)
Methan-Gas-Projekt aus Müll vor der Realisierung
Dr. Edgardo Cuaresma, Leiter der städtischen Umweltbehörde von Managua, gab bekannt, dass das Bio-Energie-Projekt, das aus der riesigen Müllhalde, die als La Chureca bekannt ist, Methangas erzeugen und zum Einsatz bringen will, vor der Fertigstellung steht. La Chureca liegt wie eine riesige eiternde Wunde direkt am Rand des Managua-Sees; es wird geschätzt, dass die Müllhalde etwa fünf Millionen Tonnen unbehandelten Mülls enthält, der sich seit 1975 nach und nach dort angesammelt hat.
In jüngster Vergangenheit wurden eine größere Anzahl Studien über die Möglichkeit, in diesem Müllgebiet Energie zu produzieren, erstellt, die letzte stand unter der Leitung der Nationalen Universität für Ingenieurswissenschaften, die feststellte, dass La Chureca nach Inbetriebnahme einer solchen Anlage genug Energie produzieren werde, um 50 000 Haushalte mit einem durchschnittlichen Energieverbrauch (vier Birnen, ein Fernseher, ein Radio) zu versorgen.
Der Leiter des Projekts Fernandolino Narvaez erklärte, dass an der Oberfläche der Halde etwa 60 Löcher geöffnet werden; in sie werden Rohre eingeführt, durch die das Methangas an die Oberfläche steigt. Diese Gasquellen werden, genauso wie es bei normalem Kohle-Gas geschieht, miteinander verbunden, und der daraus entstehende Methan-Fluss wird in vier Generatoren geleitet, von denen jeder ein Megavolt produzieren kann.
Dr. Narvaez betonte, dass Nicaragua durch diese Leistung pro Jahr 58 000 Barrel Öl sparen wird und dadurch im gleichen Zeitraum etwa 2 Millionen US-Dollar in Erziehung, Gesundheit und andere Bereiche, die für die gesamte Bevölkerung dringend notwendig sind, investieren kann. Er wies auch drauf hin, dass das Projekt wichtige positive Auswirkungen auf die Umwelt haben wird, nicht nur für Nicaragua, sondern für den ganzen Planeten; denn die Methan-Generatoren werden die Abhängigkeit des Landes von Brennmaterialien, die auf Kohle basieren, reduzieren und dadurch einen Beitrag zur Verminderung der Luftverschmutzung leisten. Jüngste Untersuchungen des Gesundheitsministeriums zeigen eine beachtliche Zunahme der Atemwegserkrankungen, die mit dem Klimawechsel zusammenhängen sollen.
Das abschließende Glanzstück des Ganzen und gleichzeitig integraler Bestandteil des Programms ist, dass das gesamte Haldengebiet, das sich über zig, wenn nicht Hunderte von Morgen erstreckt, bewaldet wird. "La Chureca wird zu einem riesigen Arboretum werden," schloss Narvaez seinen Bericht. "Wir werden dort Beispiele all der vielen Baumarten pflanzen, die in Nicaragua wachsen und gedeihen."
Die Team-Mitglieder des Projekts hoffen, dass sie sowohl von der Zentralamerikanischen Bank für Wirtschaftliche Integration als auch von der Weltbank Unterstützung erhalten. Beide Einrichtungen haben bereits ernsthaftes Interesse gezeigt. Und sie erwarten, dass die Untersuchungen über die Umwelt-Auswirkungen Ende des Monats abgeschlossen sind. "Danach," meinte einer der Beteiligten, "brauchen wir nur noch grünes Licht seitens der Stadtverwaltung." (El Nuevo Diario, 3. März)
Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Paul Baker Hernandez.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Agnes Bennhold, Rudi Kurz.
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