Meldungen aus Nicaragua vom 09.02.2004
- Indigenas greifen zu den Waffen, um ihr Land zu verteidigen
- "Comandante Modesto" klagt Ortega an
- International "Credit-Vultures" Bleeding Nicaragua
- Nicaraguanischer Deserteur erklärt Irakkrieg für "unmoralisch" und "entsetzlich"
- US Ambassador Warns Against Releasing Aleman/SAM-7s
- US Immigration Measures Will Affect Remittances
- Russian Investors Research Canal
- Parmalat-Nicaragua Embargoed
Indigenas greifen zu den Waffen, um ihr Land zu verteidigen
Einwohner des Miskitu-Dorfes Layasiksa, die empört waren über die Tatsache, dass ständig Unbekannte in das Land ihrer Vorfahren eindrangen, und keine Lust mehr hatten, noch länger auf eine Antwort der Behörden auf ihre Beschwerden zu warten, griffen zu den Waffen, um "Eindringlinge" aus ihrem Gemeindeland hinauszuwerfen. Layasiksa liegt etwa 25 Meilen südöstlich von Siuna, dem südlichsten Punkt des Minen-Dreiecks von Bonanza, Rosita und Siuna in der Autonomen Nordatlantikregion (RAAN). Über hundert Männer, mit Jagdgewehren und anderen Waffen ausgerüstet, brannten acht Hütten nieder und verletzten sieben Menschen. Die Siedler waren mehrheitlich Mitglieder des aufgelösten Nicaraguanischen Widerstands, die bei der Landnahme von der Liberal-Konstitutionalistischen Partei (PLC) und anderen Mitgliedern der kommunalen Verwaltung unterstützt wurden. Miskitu-Führer gaben an, die Eindringlinge seien heimlich in das Gebiet gekommen und hätten wertvolles Hartholz, wie zum Beispiel Mahagony-Bäume und Königszedern, gefällt und niedergebrannt. Insgesamt hatten dort vierzig Familien gesiedelt. Die Miskitu betonten, sie hätten seit über zwei Jahren gegen die Landnahme protestiert und dabei an alle möglichen Leute, von der Polizei bis zu den Gerichten, appelliert, etwas dagegen zu unternehmen; schließlich aber, da überhaupt keine Reaktion erfolgt sei, hätten sie beschlossen, die Angelegenheit in die eigenen Hände zu nehmen.
Ein Team von La Prensa war - nach einer zweitägigen Fahrt durch die Wildnis - bei der Aktion anwesend. Sie beschrieben die Vorgänge folgendermaßen: "Annähernd hundert Männer, mit Gewehren und Macheten bewaffnet, versammelten sich am Ufer des Uniwas-Flusses; dort teilten sie sich in drei Gruppen auf, um in das Gebiet zu gehen, wo sich, wie sie wussten, Leute illegal angesiedelt hatten. Ursprünglich hatten sie geplant, die Leute zu zwingen, das Land sofort zu verlassen. Aber nachdem sie an Ort und Stelle angekommen waren, beschlossen die Gemeindeführer, zunächst einen Versuch zu machen, die Leute durch Überredung dazu zu bringen, das Land friedlich und freiwillig zu verlassen. Das heißt: Gerardo Conrado, Sprecher der Miskitu, kündigte einen siebentägigen Waffenstillstand an, um den Behörden eine letzte Chance zu geben, die Angelegenheit zu regeln. "Wir möchten nicht, dass die Menschen uns Indigenas für Gewalttäter halten," sagte er. "Denn das sind wir nicht. Es geht uns hier einzig und allein darum, das Land, das uns laut unserer Tradition gehört, das Land, das von unseren Vorfahren auf uns gekommen ist, zurückzuerhalten. Wir wollen, dass sie aufhören, unsere Wälder zu zerstören."
Rufino Johnson, ein anderer hoher Führer der Gemeinde, stimmte ihm zu. Johnson berichtete, wie das Problem der Landnahme im Dezember 2002 brisant wurde, als Dorfbewohner zum ersten Mal der Anwesenheit von nicht-indigenen Eindringlingen auf die Spur kamen: Sie fanden mitten auf ihrem Gebiet ein Lager mit 15 Familien. Sie schickten sofort Anzeigen an die Gerichte in Siuna und Rosita sowie an die Mitglieder der RAAN-Regionalregierung und an die Polizei. Mit dem Schreiben an Letztere verbanden sie die Hoffnung, Gewalt vermeiden zu können. Zwar haben die Polizei und Gemeindemitglieder im März vergangenen Jahres tatsächlich einige Siedlerfamilien ausgewiesen; aber nach wenigen Monaten kamen die gleichen Leute zurück, und die Gemeinde musste sich von neuem an die Gerichte wenden.
"Wir hoffen, dass die Regierung und die anderen Behörden unsere Rechte hier in diesen Wäldern verteidigen," schloss er. "Unsere Vorfahren lebten hier auf diesem Land, dies ist das Land, das uns seit jeher ernährt hat; deshalb werden wir es verteidigen, komme, was da wolle. Wir werden nicht zulassen, dass sie hierher kommen und uns alles wegnehmen und zerstören. Wir werden alles Notwendige unternehmen, mit den Behörden oder ohne sie." (La Prensa, 8. Februar)
"Comandante Modesto" klagt Ortega an
Henry Ruiz, der legendäre Comandante Modesto, der vor dem Triumph der Revolution im Jahr 1979 in den Bergen die sandinistische Guerilla anführte und unter der sandinistischen Regierung Planungsminister war, erhob Anklage gegen den FSLN-Generalsekretär Daniel Ortega, indem er ihn beschuldigte, "sich vor Phantomen zu fürchten". Vor einem Jahr wurde Ruiz Mitglied des Aufsichtsrats der Augusto-Cesar-Sandino-Stiftung (auf Spanisch FACS), die in Nicaragua die größte sandinistisch ausgerichtete Nicht-Regierungsorganisation für Entwicklungsfragen ist. Die Stiftung ist jedoch kürzlich in Verruf geraten: Der langjährige Direktor der Stiftung, Edwin Zablah, der nach allgemeiner Meinung von Ortega unterstützt wird, wird beschuldigt, rund 300 000 US-Dollar unterschlagen zu haben.
In der vergangenen Woche wurde Ruiz zu einem Jahr Gefängnis wegen Fälschung verurteilt; damit wurde ein früheres Gerichtsurteil, das ihn freigesprochen hatte, revidiert. Alia Ampíe, Richterin im Strafgerichtshof des Ersten Distrikts von Managua, sprach Ruiz der Fälschung eines Dokuments schuldig, durch das die Entlassung Zablahs erreicht werden sollte. Die Gerichtsentscheidung verkehrte das vorangegangene Urteil der Richterin Juana Méndez in sein Gegenteil. Das neue Urteil, durch das das Mendez-Urteil hinfällig wurde, "hat uns alle überrascht," sagte José Angel Buitrago, der derzeit amtierende Leiter der NGO. "Wir machen uns gerade an die Arbeit, um zu erreichen, dass das Ampíe-Urteil endgültig und für immer annulliert wird," fuhr er fort. "Wir wenden uns an den Obersten Gerichtshof selbst."
"Alles deutet darauf hin, dass dahinter die klare Absicht steht, unsere Verurteilung zu erreichen," stellte Modesto fest. "Während sich die Richterin Mendez strikt an das Gesetz hielt und im Prozess gegen uns verschiedene Unregelmäßigkeiten fand und den Schneid und Mut hatte, das ungerechte Urteil niederzuschlagen, ist dieses neue Urteil das Werk des Himmlischen Gerichts, dem Daniel Ortega selbst und der einstige nationale Geheimdienst-Chef Lenin Cerna vorstehen. Hinter der Verurteilung steht die Absicht, unsere persönlichen und politischen Freiheiten einzuschränken." Ruiz beschuldigte Ortega, "dass er Geister mit sich herumtrage, Geister, von denen er glaubt, sie könnten ihm die Führung der FSLN rauben. Wo immer so ein Phantom auftaucht, greift er es an." Um diesen Punkt zu unterstreichen, stellte der frühere Guerilla-Kommandant die Frage: "Wo ist Monica Baltodano heute? Wo Victor Hugo Tinoco? Sogar Alejandro Martinez Cuenca (der im Jahr 2000 als FSLN-Präsidentschaftskandidat gegen Ortega antrat) musste einen sehr vorsichtigen Wahlkampf führen, um nicht ernsthaft Anstoß zu erregen."
"Aber für mich selbst," fuhr er fort, "habe ich keine Ambitionen; ich möchte nichts weiter als in die politische Arena zurückkehren, um mich für Recht und Gesetz im Land einzusetzen." Auf die Frage, welcher Partei er beitreten würde, um im derzeitigen Vorwahl-Klima sein Gewicht in die Waagschale werfen zu können, sagte er: "Ich werde nicht in die Sandinistische Front zurückkehren, noch viel weniger werde ich mich den Constitutionalistischen Liberalen anschließen. Ich befinde mich nicht in direkter Opposition zu jemand Bestimmtem, sondern einzig und allein zu korrupten Menschen. Und genau auf dieser Liste steht Daniel Ortega." (El Nuevo Diario, La Prensa, TV-Kanal 2, 8, am 6 und 7. Februar)
Nicaraguanischer Deserteur erklärt Irakkrieg für "unmoralisch" und "entsetzlich"
In der gleichen Zeit, in der offiziell erklärt wurde, dass auf die Entsendung eines zweiten nicaraguanischen Truppenkontingents in den Irak endgültig verzichtet wird, bezeichnete "Carlos", ein 28jähriger Nicaraguaner, der aus der US-Armee desertiert ist und sich deshalb derzeit in den Vereinigten Staaten versteckt hält, den Irak-Krieg als "kriminell". Er beschrieb Ereignisse, bei denen er erschossene Frauen und Kinder zusammen mit erschossenen Männern gesehen hatte, und erklärte, er sei in die US-Armee eingetreten, teils um dank des Gehalts, das er erhielt, weiterstudieren zu können, teils um schneller die US-Bürgerschaft zu erhalten (innerhalb von drei Jahren statt fünfen, die es normalerweise braucht. Zur Zeit sind etwa 40 000 solcher Rekruten in der US-Armee). Aber bei der Invasion in den Irak sahen er und seine unter Waffen stehenden Kameraden sich in die Frontlinie eingereiht. "Wir waren Kanonenfutter," sagte er, immer in der Frontlinie, "immer zu den gefährlichsten Einsätzen ausgeschickt. Aber da ich nun einmal dort war und obwohl ich von Anfang an gegen den Krieg gewesen war, bemühte ich mich, meine Gegnerschaft nicht zu zeigen, obwohl die meisten US-Soldaten wussten, dass die angegebenen Kriegsgründe nicht bewiesen werden konnten. Überall konnte man Fragen hören wie: ‚Wozu sind wir hier? Warum handeln wir so? Warum töten wir so viele Menschen? Warum schießen die Iraker auf uns, ihre ‚Befreier?'"
"In der ganzen Zeit, die ich dort war," fuhr er fort, "sah ich nie einen toten US-Soldaten. Aber ich sah viele tote Menschen. Iraker. Ich weiß, dass wir bei den Kämpfen Kinder töteten. Ich hoffe, ich habe keines getötet. Die US-Soldaten benutzen bei ihren Angriffen Streubomben, bei denen ein Geschoss viele enthält. Dabei weiß man nie, ob man nicht selbst jemanden getötet hat." Er beschrieb seine Kampf-Erfahrungen als "entsetzlich" und "traumatisierend". "In solchen Augenblicken hört man auf zu denken," fuhr er fort. "Man hat nur Angst, schreckliche Angst, ist frustriert. Das Training, das wir auf den Militärstützpunkten als Vorbereitung auf den Krieg erhalten, hat nichts mit der Realität zu tun, die man später im Feld erlebt. Man lernt nicht, mit seinen Emotionen fertig zu werden, man lernt nur, Befehle, die von oben kommen, auszuführen. Viele Soldaten werden verrückt. Andere, die von militärischen Einsätzen zurückkamen, waren tagelang nicht in der Lage zu sprechen. Sie sitzen da und starren die Wand an. All das wird von der obersten Heeresleitung mit einem Schleier des Schweigens bedeckt, vor allem die vielen Fälle von Selbstmordversuchen."
"Carlos" hatte zwei Wochen Urlaub genommen, um in den USA seine Green Card zu erneuern; dort beschloss er, nicht in den Irak zurückzukehren, sondern zu desertieren. Jetzt droht ihm ein Gerichtsverfahren als Deserteur. (El Nuevo Diario, 7. Februar)
Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Paul Baker Hernandez.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Agnes Bennhold, Rudi Kurz.
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