Meldungen aus Nicaragua vom 10.05.2004
"Unannehmbare Änderungen" am CAFTA-Text durch USA
Alvaro Porta, Generaldirektor für Auslandshandel, sagte, das Verhandlungs-Team der USA wolle an dem Text der Zentralamerikanischen Freihandelsvereinbarung, die im Dezember 2003 von Präsident Bolanos und den anderen Regierungschefs der Region unterzeichnet worden ist, "unannehmbare Änderungen" vornehmen. Porta, der ein führendes Mitglied des nicaraguanischen Teams, das den, wie damals angenommen wurde, endgültigen Vertrag ausgehandelt hat, erklärte, mit mehreren Dingen könne er sich nicht anfreunden. Außer der erneuten Überarbeitung durch die USA nannte er vor allem den nachträglichen Beitritt der Dominikanischen Republik in das Verfahren, durch den die Diskussion über Punkte, die längst gründlich durchgesprochen und über die angeblich verbindliche Ergebnisse erreicht worden waren, neu eröffnet wurde.
"Was jetzt geschieht, entspricht ganz und gar nicht dem Geist der CAFTA-Verträge," betonte er und hob hervor, dass für die Vereinbarung über 600 Textseiten produziert worden sind, die nun alle von den USA überarbeitet werden. "Es ist schlimm," fuhr er fort. "Tatsache ist, dass wir mit den Dominikanern einen neuen Vertrag aushandeln müssen; ihre Einbeziehung bedeutet, dass unter anderem Fragen des Marktzugangs, Fragen der Produkte, die bei den Verhandlungen berücksichtigt werden sollen, sowie Produktionsnormen ein besonderes Gewicht erhalten.
"Wir Nicaraguaner finden die ganze Angelegenheit wirklich ungehörig. Wir sind ein Volk, das zu seinem Wort steht. Wir haben ehrlich und klar verhandelt. Für uns ist es unannehmbar, dass ein Land seinen eigenen Verpflichtungen nicht nachkommt. Das wirklich Schlimme daran ist, dass die USA wieder Punkte zur Diskussion stellen, die unserer Meinung nach gültig unterzeichnet und endgültig zu Ende verhandelt worden waren."
Porta schloss seine Ausführungen mit der Hoffnung, dass "jeder, der mit unserem Land einen Freihandelsvertrag schließen will, sich so verhält wie wir, das heißt, das Dokument, das wir alle im Dezember letzten Jahres unterzeichnet haben, für gültig ansieht. Was aber derzeit geschieht, ist, dass die USA uns neue Versionen vorlegen mit der Behauptung, sie seien klarer und besser abgefasst als das Originaldokument. Das ist keineswegs so; was sie in Wirklichkeit tun, ist, den Geist der ursprünglichen Vereinbarungen ändern." (El Nuevo Diario, 7. Mai)
Ölpreis-Erhöhungen steigern Produktionskosten um 10%
Zu dem Zeitpunkt, als Präsident Bolanos in der nördlichen Stadt Matagalpa das Landwirtschaftsjahr 2004-2005 feierlich eröffnete, wurde bekannt, dass die jüngsten Öl- und Benzinpreissteigerungen seiner Regierung empfindlich zusetzen würden, da eine Steigerung der Produktionskosten um 10% angenommen wurde.
Da die Rohöl-Preise auf dem internationalen Markt auf 40 US-Dollar pro Fass anstiegen und eine Steigerung auf 43 US-Dollar vorausgesagt wurde, betonte Alejandro Mansell, Präsident der Vereinigung der Produzenten und Exporteure nicht-traditioneller Agrargüter, dass Öl und die vom Öl abhängige Elektroenergie 25% von Nicaraguas derzeitigen Produktionskosten ausmachten und dass die ständige Versorgung mit beidem für Farmer unabdingbar sei. Landwirtschaftsminister José Augusto Navarro sagte, seine Regierung könne leider nichts zur Unterstützung der Farmer tun. " Auf diesem Gebiet hängen wir vollständig von Importen ab," betonte er. "Den Farmern bleibt nichts anderes übrig als aus der Situation das Beste zu machen." Deshalb empfahl er, dass sie "ihre Landwirtschaft auf möglichst sparsame Weise betreiben."
Weiter sagte er, für einige landwirtschaftliche Bereiche, vor allem Zucker, bedeuteten die neuen Preise "einen existenzbedrohenden Schlag". "Aber," fuhr er fort, "die Kleinstbauern, die gewöhnlich auf traditionelle Weise arbeiten und sehr darauf achten, dass sie mit dem, was ihnen zur Verfügung steht, sparsam umgehen, dürften nicht allzu sehr betroffen sein.." Mansell, der auch zum Vorstand der Höheren Handelskammer gehört, sagte, wegen der erdrückenden Preiserhöhungen hätten sich die Produzenten mit einer Petition an die Regierung gewandt, ihnen die hohen Steuern auf Öl und Benzin vorübergehend zu erlassen, bis die Rohöl-Preise wieder sinken. Aber Navarro sagte: "Leider ist das unmöglich. Jede Abteilung will mehr Geld. Die Regierung braucht jeden Penny, den sie kriegen kann, um ihren politischen Verpflichtungen einigermaßen nachzukommen." Regierungsstatistiken zeigen, dass der Staat im Jahr 2003 aufgrund der Ölsteuer 100 Millionen US-Dollar eingenommen hat. (El Nuevo Diario, 7. Mai)
Visa-Kündigungen durch die USA
Während Organisationen der nicaraguanischen und der US-Zivilgesellschaft die Bush-Administration kritisierten, weil Alejandro Bendana, dem international anerkannten Direktor des Zentrums für Internationale Studien (CEI), das US-Visum entzogen worden ist, gaben zwei prominente Richter bekannt, dass auch sie dieser demütigenden und scheinbar willkürlichen Maßnahme ausgesetzt worden seien. Bendana, der seit Jahren ein US-Visum besitzt, ohne dass er sich in der strikten Befolgung der Vorschriften etwas hat zu Schulden kommen lassen, aber dessen CEI an vorderster Front derer steht, die CAFTA ablehnen, wollte auf seiner Rückreise von Kanada nach Nicaragua nur einen Transitaufenthalt in den Staaten einlegen, als ihm mitgeteilt wurde, dass ihm sein Visum fristlos entzogen worden sei; deshalb blieb ihm von jetzt auf nachher nichts anderes übrig, als auf irgend einem anderen Weg nach Nicaragua zurückzugelangen, mit beträchtlichen Extra-Ausgaben.
Die Richterin Ileana Pérez, bekannt für ihre Sympathien für die Sandinisten und maßgeblich aktiv bei den Ermittlungen gegen Byron Jerez, Alemans Finanzminister, der zusammen mit dem früheren Präsidenten das nicaraguanische Volk um große Summen Geldes und andere Besitztümer gebracht hat, bezeichnete den Entzug ihres Visums als "Einmischung". Sie gab bekannt, sie sei, als sie die Mitteilung erhielt, so wütend geworden, dass sie sich sofort auf die Suche nach den Pässen und US-Visa ihrer beiden Töchter gemacht und diese "in Stücke zerrissen" habe.
Rafael Solis, Richter am Obersten Gerichtshof, der ebenfalls die Nachricht erhielt, dass ihm sein Visum entzogen worden sei, warf der US-Regierung vor, sie übe an ihm Vergeltung dafür aus, "dass das Gericht gegenüber allen möglichen Maßnahmen, mit denen wirtschaftlich und politisch Druck ausgeübt wurde, seinen unabhängigen Charakter bewahrt hat." Er fügte hinzu, es würde ihn nicht wundern, wenn noch mehr Leuten das Visum entzogen werden würde.
"Der Entzug des Visums als solcher setzt mir nicht zu," sagte er. "Die USA sind ein souveräner Staat und haben das Recht, jemandem die Einreise zu verweigern. Was mir jedoch zusetzt, sind die Gründe, die sie dafür angeben: Ich hätte als Inhaber eines öffentlichen Amtes von der Korruption profitiert; Tatsache ist vielmehr, dass ich Bestechungsgelder ablehnte, die mir Bankbeamte angeboten haben." Er erklärte außerdem, er habe, um der Beschuldigung zu begegnen, dem Büro des Obersten Rechnungsprüfers jegliche Vollmacht erteilt, seine gesamten persönlichen Geldgeschäfte zu durchleuchten. "Sobald dieser Prozess abgeschlossen ist und der Nachweis erbracht ist - denn so wird es kommen -, dass ich mich nie in irgend einen Vorgang von Korruption eingelassen habe, werde ich mich darum kümmern, welche rechtlichen Maßnahmen ich im Hinblick auf die Visa-Angelegenheit ergreifen kann."
Alle entsprechenden staatlichen Stellen versicherten umgehend, dass nie irgendwelche Zweifel oder gar gerichtlicher Klärungsbedarf im Hinblick auf die berufliche Rechtschaffenheit des Richters Solis bestanden. Aber mehrere seiner Kollegen im Obersten Gericht, vor allem diejenigen, die sehr häufig in die USA fahren, verließen ihre Büros vorzeitig, um nicht verpflichtet zu sein, einen Brief an den US-Botschafter zu unterzeichnen und darin ihre Unterstützung für Solis' Position zu erklären.
"Ich bin sicher, all das hat mit dem BANCENTRO-Fall zu tun," schloss Solis. Der ehemalige Direktor Roberto Zamora will dem derzeitigen Vorstand von BANCENTRO, das eine von Nicaraguas sichersten Finanzeinrichtungen ist, schaden. "Herr Zamora ist ein persönlicher Freund von Präsident Bushs Bruder Jeb, dem Gouverneur von Florida. Für mich ist es ganz offensichtlich, dass die Bolanos-Regierung in dieser Angelegenheit gegenüber der US-Regierung klein beigeben möchte. Sollen sie doch ihre Beweise bringen. Wir werden dann weiter sehen."
Nach seinen Erklärungen und als offensichtliche Bestätigung seiner Vorhersagen hielten sich hartnäckig Gerüchte, die US-Botschaft wolle mindestens zwei weitere Visa von Mitgliedern des Obersten Gerichts einziehen. (El Nuevo Diario, 7. Mai)
Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Paul Baker Hernandez.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Agnes Bennhold, Rudi Kurz.
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