Meldungen aus Nicaragua vom 12.01.2004

  1. Aleman-Anhänger beherrschen wieder die Parlamentsführung
  2. FSLN-Abgeordnete verlassen vor den Wahlen den Raum
  3. US-Botschaft leugnet unberechtigten Einfluss auf Wahl
  4. Unions Fear Clean Sweep under New Leadership
  5. IMF and World Bank Recommend Nicaragua for HIPC; Teachers to Get Raise
  6. Aleman Judgement Upheld
  7. Crime Against Children Doubles
  8. Second National Midwives' Forum

Aleman-Anhänger beherrschen wieder die Parlamentsführung

    Trotz aller Vorwahl-Spekulationen im Hinblick auf die Möglichkeit oder gar Wahrscheinlichkeit, das Direktorat der Nationalversammlung vom Vorjahr wieder zu wählen und damit die Liberal-Konstitutionalistische Partei (PLC) auszuschließen - als es ernst wurde, kam die Aleman-Partei wieder an die Macht und verwies die FSLN ganz offensichtlich an den Rand. Statt sich am Ausgang der Wahlen zu beteiligen und die zwei Mitglieder aufzustellen, die ihnen, wenn man strikt nach dem Proporz geht, zustehen, ist die gesamte sandinistische Fraktion vor dem letzten Wahlgang aus dem Parlamentsraum ausgezogen. Die Folge ist, dass sich das siebenköpfige Direktorat nun aus drei Mitgliedern der PLC, einschließlich Carlos Noguera als Präsident, einem Mitglied der Partei des Christlichen Weges, nämlich Delia Arellano, der einzigen Frau (sie ist für ihre Aleman-Sympathien bekannt), zwei Mitgliedern des Bolanos-Flügels der Liberalen und einem Mitglied der Conservativen zusammensetzt. Mit ihrer Weigerung, an der Wahl teilzunehmen, kritisierte die FSLN den unangemessenen Einfluss der US-Botschafterin und beschuldigt das neue Gremium, es werde sofort die Haftentlassung Arnoldo Alemans betreiben.

    Die Presse weist in ihren Schlagzeilen auf die "Rückkehr des Kalten Krieges" hin und berichtet, der kranke Ex-Präsident der Nationalversammlung, der unabhängige Liberale Jaime Cuadra, der in der vergangenen Woche eine besorgniserregende Gehirnblutung erlitt, aber trotz seines gebrechlichen Gesundheitszustandes zur Wiederwahl vorgeschlagen worden war, sei ins Abseits gedrängt worden, ebenso wie - so nimmt man an - die Übereinkunft zwischen seinen "Blau-Weißen" Liberalen und den Sandinisten, das letztjährige Direktorat wieder zu wählen. Und obwohl das von dem neu gewählten Präsidenten Noguera gleich zu Beginn bestritten wurde, erklärten viele Beobachter, sie erwarteten, dass bereits innerhalb der nächsten Tage über die Haftentlassung Arnoldo Alemans diskutiert wird. Orlando Tardencilla, seit kurzem Mitglied der Unabhängigen und der einzige, der gegen das neue Direktorat gestimmt hat, nahm eindeutig Stellung. Er stellte fest: "Eine Amnestie für Aleman ist möglicherweise nur ein Frage von Tagen. Dieses neue Direktorat hat drei radikale Anhänger Alemans, und Delia Arellano, obwohl offiziell Mitglied der Partei des Chistlichen Weges, ist ihre nahe Verbündete. Um eine solche Amnestie zu beschließen, ist nur die einfache Mehrheit der Anwesenden nötig."

    Aber sowohl Präsident Bolanos als auch Noguera betonten, eine Begnadigung des Ex-Präsidenten komme nicht in Frage. Noguera beschuldigte die FSLN, sie versuche, die nicaraguanische Bevölkerung durch falsche Gerüchte zu verwirren. "Dr. Aleman ist sich über das Verfahren, das er einschlagen will, völlig im Klaren," fuhr er fort. "Hinsichtlich des Fortgangs seines Prozesses hat er seine eigene Strategie. Sie bezieht sich ausschließlich auf die Justiz, einen unabhängigen staatlichen Bereich, der nichts mit der derzeitigen Wahl zu tun hat. (El Nuevo Diario, La Prensa, Channel 2, 4, 12 TV, 10. Januar)

FSLN-Abgeordnete verlassen vor den Wahlen den Raum

    Der sandinistische Fraktionsführer Edwin Castro rief in der Nationalversammlung vor den Wahlen große Empörung hervor, als er mehrmals englisch ausrief: "Thank you, Mr. President." Damit redete er den Präsidenten der Kommission an, die eingesetzt worden war, um die Wahlen vorzubereiten und durchzuführen. Als er dafür gerügt wurde, antwortete er: "Schändlicherweise fühle ich mich verpflichtet, Sie in der offiziellen Sprache, wie sie derzeit in den Verhandlungen in dieser Nationalversammlung gebräuchlich ist, anzureden. Ich tue das nicht gern. Ich bin in León geboren, wo wir ein gutes, echtes Spanisch sprechen. Die heutigen Wahlen finden jedoch als Ergebnis beschämender Verhandlungen und Interventionen seitens der USA statt." Er spielte damit auf die Tatsache an, dass die US-Botschafterin Barbara Moore sich in ihrem Haus und in einem Hotel in Managua zu Vorwahl-Meetings mit Leuten, die sie als "Kräfte der Demokratie" bezeichnete, getroffen hatte. Edwin Castro fuhr fort: "Das Schlimmste daran ist, Herr Präsident, dass all das mit dem Einverständnis des Chefs der Exekutive der Nation geschehen ist. Unser Verhalten als unabhängige Nation ist dadurch hier in diesem Parlament ernsthaft kompromittiert; diese Wahl macht alles zunichte, was getan worden ist, um den Kampf gegen die Korruption voranzubringen."

    Ein anderer älterer Sandinist, Bayardo Arce, erkannte seinerseits an, dass "Noguera selbst jemand ist, mit dem man diskutieren kann. Aber wenn er kandidiert hat und für den Posten des Vorsitzenden nominiert wurde als Ergebnis einer antidemokratischen Absprache, die von der US-Regierung gefördert, unterstützt und erzwungen wurde, dann habe ich Zweifel, ob er die ideale Persönlichkeit ist, die bewirken kann, dass dieses Parlament zur Regierbarkeit des Landes beiträgt." Während der FSLN-Abgeordnete Generalsekretär Tomas Borge winzige US-Flaggen austeilte mit der Einladung an das neue Direktorat, sie statt der nicaraguanischen Fahne zu benutzen, verließ die gesamte sandinistische Abordnung, 38 wahlberechtigte Mitglieder, den Raum. In späteren Erklärungen äußerte Alejandro Martinez Cuenca, Spitzenkandidat der FSLN bei den letzten Wahlen (2001): "Nicaraguas Regierbarkeit war schon vor dieser Wahl brüchig; das kann nur zu weiteren Brüchigkeit beitragen."

    FSLN-Generalsekretär Daniel Ortega verglich die diesmal getroffenen Vereinbarungen mit dem beschämenden Espino-Negro-Vertrag vom Mai 1927: Damals schlossen liberale und konservative Kräfte in Nicaragua einen Pakt mit den USA, einen Pakt, der Augusto C. Sandino veranlasste, den Guerilla-Kampf gegen die US-Intervention fortzusetzen. Ortega bezeichnete die neue Führung als "eingesetzt im Zusammenhang mit einer Vereinbarung, durch die die Korruption gefördert und das nicaraguanische Volk der Lächerlichkeit preisgegeben wird." "Aus diesem Grund," schloss er, "nimmt die FSLN im Direktorat keinerlei Posten an, auch keine, die uns aus Gründen des Proporzes zustehen. Stattdessen halten wir fest an einer Position, die mit den ethischen und politischen Grundsätzen, mit denen wir den Kampf gegen die Korruption führen, übereinstimmt." (El Nuevo Diario, La Prensa, Radio Ya, Radio La Primerísima, Channel 2, 4, 8, 12, 23 TV, 9.-11. Januar)

US-Botschaft leugnet unberechtigten Einfluss auf Wahl

    US-Botschafterin Barbara Moore leugnete, dass ihre Botschaft eine unangemessene Rolle während der Wahl zum Direktorat gespielt habe. "Sie übertreiben die Rolle, die wir gespielt haben," sagte sie zu Reportern. "In ihrer Darstellung haben wir uns für ein bestimmtes Ergebnis dieser Wahlen eingesetzt. Das stimmt ganz und gar nicht. Unsere Rolle war vielmehr die eines Helfers , eines Moderators, und unsere Beteiligung entsprang nicht unseren eigenen Wünschen, sondern wir wurden von der Regierung und von verschiedenen Parteien darum gebeten. Meine eigene Rolle war, ehrlich gesagt, die einer Zeugin oder einer Moderatorin, nichts anderes."

    Sie leugnete, dass ihre Botschaft sich direkt in Nicaraguas Politik hatte einmischen wollen. "Wir hatten nicht vor, uns direkt einzumischen. Sicher, die verschiedenen Gruppierungen trafen sich in meinem Haus, wo ich mich dann als Moderatorin und Helferin betätigte. Ich habe weder an der Wahl noch direkt an den Diskussionen teilgenommen. Als Moderatorin ohne Stimme und Wahlrecht war es meine Aufgabe, ihnen die Entscheidung zu erleichtern, den verschiedenen Parteien das Wort zu erteilen und ihnen dadurch zu helfen, vor Freitag morgen, dem Beginn der Wahlsitzung, zu einer Übereinkunft über die Zusammensetzung des neuen Direktorats zu kommen." Moore bezeichnete das neue Gremium als "ausgewogen", besetzt mit Leuten, die ihrer Meinung nach zutiefst daran interessiert sind, die Arbeit der Nationalversammlung voranzubringen. Sie erklärte, dass bei dem Treffen, bei dem der Wahlvorschlag ausgearbeitet wurde, ein Platz für die Sandinistische Front vorgesehen worden war. "Ich halte das neue Direktorat für ausgewogen. Auf dem ursprünglichen Vorschlag waren zwei Plätze für die FSLN vorgesehen. Dadurch wäre das Ergebnis recht anders ausgefallen. Es ist ein Jammer, dass sie beschlossen haben, an all dem nicht teilzunehmen und die Wahlen zu boykottieren."

    Moore brachte außerdem zum Ausdruck, dass es nicht stimme, dass sie dafür garantieren könne, dass die PLC tatsächlich das Wohl der Nation vor die eigenen, begrenzten Parteiinteressen stellen würde. "Diese Behauptung ist genauso überzogen wie die Idee der ‚Intervention'," antwortete sie. "Was wir angeboten haben, ist Unterstützung oder sogar weniger als das, nicht Intervention. Wir sind bereit, die gesamte Arbeit der Nationalversammlung zu unterstützen, auf sämtlichen Gebieten, und ihren Mitgliedern in diesem Jahr zu helfen, Gesetzesanträge zum Wohle aller einzubringen. ‚Hilfe' ist immer noch ein zu großes Wort. Was wir getan haben, war, einen Ort anzubieten, an dem jeder das Wort ergreifen kann. Meiner Meinung nach ist das noch weniger als ‚Hilfe'.

    Die Treffen in Moores Haus begannen jedoch am Dienstag abend, drei Tage vor der entscheidenden Abstimmung. Das erste Treffen dauerte bis Mitternacht; und während sie zunächst als "informelle Treffen zwischen Liberalen Politikern und Botschaftsangehörigen" bezeichnet wurden, sahen viele Beobachter in ihnen eine offene Einmischung in die nicaraguanische Politik, die so weit ging, dass Präsident Bolanos selbst gedrängt wurde, den ausgewiesenen Alemanisten Carlos Noguera als Kandidaten für das höchste Amt der Nationalversammlung zu akzeptieren. Laut Maria Eugenia Sequeira von der Liberal-Konstitutionalistischen Partei (PLC) übte Botschafterin Moore starken Druck auf sie aus, um sicher zu gehen, dass die "demokratischen Kräfte die Kontrolle über die Legislative erhalten." (El Nuevo Diario, 8. Januar, La Prensa, 10. Januar)

Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Paul Baker Hernandez.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Agnes Bennhold, Rudi Kurz. Zur Finanzierung dieses Informationsdienstes überweisen regelmäßige Leser bitte jährlich 45 Euro (Komitees 60 Euro) an das Nicaragua-Forum. Rechnung auf Anfrage möglich.

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