Meldungen aus Nicaragua vom 18.04.2004

  1. Energiesystem "an Rande des Zusammenbruchs"
  2. Nicaraguans "Impoverished Sitting on Buried Treasure"
  3. Cardinal: "A Crucified People"
  4. Schulkinder klagen während der Weltbildungswoche Politiker an
  5. Ortega and Bolaños Make Peace
  6. 600 Cattle Dead through Disease
  7. Transnationale Konzerne " haben keine Stelle mehr, um sich zu verstecken" - Nemagon Fall vor US-Gericht
  8. Ballenger Back in Nicaragua

Energiesystem "an Rande des Zusammenbruchs"

Die spanische Firma Union Fenosa, die vor mehreren Jahren das profitable Leitungsnetz für elektrische Energie im Rahmen des vom internationalen Währungsfonds verordneten Privatisierungsprozesses übernommen hat, hat inzwischen Schulden von etwas über 14,5 Millionen US-$ angehäuft. Das Ergebnis sei, so behaupten viele Experten, dass das ganze Energiesystem des Landes kurz vor dem Zusammenbruch stehe. "Für offene Rechnungen wird normalerweise eine 60 Tage andauernde Gnadenfrist vor der Einfordern der Zahlung gewährt", sagte Otto Escorcia, der für die Gesellschaften sprach, die die Energieerzeugung kontrollieren. "Im Fall der Union Fenosa haben wir nun schon 160 Tage erlaubt. Jetzt sind wir alle mit unseren eigenen Reserven am Ende. Als Folge sehen wir uns außerstande, die routinemäßigen Instandhaltungsarbeit auszuführen, die für den fortwährenden Betreib unserer Generatoren notwendig ist. Nur wenn Fenosa zahlt, werden wir wiederum dazu in der Lage sein, bei den Ölgesellschaften unsere Treibstoffe zu bezahlen, oder wir müssen unsere Anlagen schließen. Dies würde für Jeden im Land Rationierungen bedeutet."

Agustin Jarquin Anaya, Mitglied der Nationalversammlung, schloss sich der Kritik von Escorcia an der Union Fenosa an, aber er richtete seine schwerwiegendste Klage gegen die Regierung und "die reichen Leute, die Elektrizität regelmäßig stehlen". "Die Union Fenosa hat gesagt, dass sie durch illegale Abzapfungen vom Netz etwa 30% der eingespeisten Energie jedes Jahr verliert, seit sie die Energieverteilung des Landes übernahm. Das bedeutet einen Schaden von etwa 41 Millionen US-$. Ich rede nicht viel über die verarmten Menschen in den Barackensiedlungen, die aus Verzweiflung ihre Anschlüsse an die Leitungen klemmen; Ich beziehe mich besonders auf die tausende reichen Menschen, die in anspruchsvollen Wohngebieten leben und Überbrückungen um ihre Stromzähler installiert haben, um so die die vollen Kosten ihres Energiegebrauchs zu vermeiden. Und ich beziehe mich auf die Regierung Bolaños, die statt gehen diese Leute vor zu gehen, es vorzieht, nichts zu tun. Diese Situation muss sofort beendet werden. Wenn nicht, kann das ganze System schnell zusammenbrechen und für eine zerbrechliche Wirtschaft wie unsere wäre dies völlig katastrophal."

Der Präsident der nationalen Energiekommission, Raul Solorzano, tat diese Warnungen jedoch als "Bangemachen" ab. "Solche Dinge geschehen nicht einfach über Nacht", behauptete er. "Das System wird nicht zusammenbrechen. Fenosa hat Probleme, zweifellos", fuhr er fort. "Neben der Frage des Energiediebstahls ist es die Ölpreiserhöhungen, gegen die wir ankämpfen müssen. Die Gesellschaft sollte jedoch das bezahlen, was sie den Energieerzeugern schuldet; wenn es einen Zusammenbruch geben gibt, wird es nicht morgen sein."

Die Sprecherin der Union Fenosa, Ericka Ramirez, erkannte die ernsten Auswirkungen der Preiserhöhungen an und unterstützte die von Jarquin vorgebrachte Anklage gegen die Reichen, in besonderem Maß zur Krise beizutragen. "Wir waren die Ersten, die die Leute auf die kommende Katastrophe aufmerksam gemacht haben", hob sie hervor. "Wenn diese Situation sich in der nächsten Zeit nicht ändert, wird die ganze Sache vor unseren Gesichtern explodieren. Und während Preiserhöhungen sicher besonders ernste Auswirkungen haben, sind es die Verluste aufgrund der illegalen Aktivitäten von reichen Menschen und privaten Geschäften (und in viel geringerem Maß die Bewohner der Elendssiedlungen), welche uns am Ende lähmen." (La Prensa, 16. April)

Schulkinder klagen während der Weltbildungswoche Politiker an

Nicaraguas Bildungswoche begann am 19. April. Zum ersten Mal, seit es dieses Bildungsprogramm gibt, versuchen die betroffenen Schulkinder selbst, Einfluss auf Mitglieder der Nationalversammlung, auf das Erziehungsministerium und auf anderem staatliche Institutionen zu gewinnen. Die Kinder fordern ihr verfassungsmäßiges Recht auf eine kostenlose Bildung bis zur Oberstufen ein. Über Jahrzehnte hatten bedeutende Bildungsexperten ihre Stimmen erhoben, um das universelle Recht auf Bildung zu verkünden. Internationale Konferenzen und nationales Forum wiederholten immer wieder, dass Bildung der Eckstein von jeder wahren Entwicklung innerhalb der menschlichen Gesellschaft sei. Dies ist jedoch bis heute nur als ein Diskurs innerhalb geschlossener politischer Kreise geführt worden, der in der wirklichen Welt der verarmten Mehrheit keine Früchte getragen hat. Dass Schulkinder nun ihre Stimme erheben, hat eine andere Qualität, die hoffentlich den Druck auf die Politiker steigern kann, um das Recht auf universelle Bildung ernst zu nehmen. Für die allermeisten Politiker bedeutet er nur einen weiteren Faktor innerhalb des Staatshaushalts. Bei diesem Anlass fordern nun jedoch viele tausend Kinder von den Gesetzgebern, ihre Rolle ernst zu nehmen und für eine Bildungs- und Wirtschaftspolitik zu stimmen, die garantiert, dass es für jedes nicaraguanische Kind während der gesamten Schulzeit einen freien Zugang zur Bildung gibt.

Am 20. April sollen die Hallen der Nationalversammlung von der schrillen Stimme der Wahrheit statt von der müden Aufgeblasenheit des standardpolitischen Diskurses widerhallen. Die Kinder fordern von den Gesetzgebern, Regierungsbeamten und Geschäftsleuten gleichermaßen, für die mehr als 800.000 schulpflichtigen Kinder (von insgesamt etwa 2,5 Millionen) etwas zu tun, die gegenwärtig nicht in der Lage sind, die Schule zu besuchen, da ihre Eltern sich die "freiwillige Hilfe" nicht leisten können, die erforderlich sei, um den erbärmlichen Lohn der Lehrer zu erhöhen oder Schulzeugnisformulare zu kaufen oder die Schultoiletten zu reinigen. Sie beabsichtigen auch, dieselben Leute dazu aufzufordern, zuerst eine Schule zu besuchen und zu "adoptieren", und sie wollen sie daran erinnern, welche Bedeutung die Bildung für ihre eigene Entwicklung zu bekannten Personen gespielte hat. Als Höhepunkt von all diesen Aktivitäten wollen die Kinder Hunderte von Briefen an Präsidenten Bolaños schreiben, um ihn an sein Motto "Regieren bedeutet Erziehen" und an die Erfüllung seines Auftrags zu erinnern. (El Nuevo Diario, 17. April)

Transnationale Konzerne " haben keine Stelle mehr, um sich zu verstecken" - Nemagon Fall vor US-Gericht

Anwalt Juan José Domínguez strengte vor dem Obersten Gericht von Los Angeles einen Prozess gegen die Dole Food Company, die Dow Chemical Company und die Avmac Chemical Corporation im Namen der vom tödlichen Pestizid Nemagon betroffenen nicaraguanischen Bananenarbeiter an. Die Klage beschuldigt diese Gesellschaften und Andere, die hochtoxische Substanz hergestellt, verkauft und/oder verwendet zu haben, (chemischer Namen dibromochloropropane [DBCP]), obwohl sie vollständig darüber unterrichtet waren, dass das Mittel Krebs, Sterilität, Kopfschmerzen und andere tödliche und nicht-tödliche Auswirkungen auf jene hat, die es einsetzen. Dies haben sie trotz der Tatsache getan, dass die Verwendung von DBCP in den USA seit mehr als 20 Jahren den benannten Gesellschaften verboten war, haben sie es weiterhin hergestellt, verkauft und verwendet. Sie haben das Mittel in beträchtlichen Mengen in Ländern wie Nicaragua exportiert, wo es häufig in den Bananenplantagen von Chinandega und León angewandt wurde. Dominguez klagte die benannten transnationalen Konzerne weiter an, absichtlich Information über die Toxizität des Produkts vor ihren Arbeitern zurückgehalten und die für die Arbeit damit geeignete Schutzkleidung nicht geliefert zu haben.

Die Klage hat in der Zeit wachsender transnationaler Globalisierung eine besondere Bedeutung, wenn es dabei erfolgreich gelingt, diese Gesellschaften dazu zu zwingen, ihre Verantwortung für die Folgen ihrer Taten zu übernehmen. Damit soll den Gesellschaften mit den rechtlichen Mitteln entgegen getreten werden, die sie bisher selbst erfolgreich eingesetzt haben, um die gerechte Entschädigung ihren Opfer zu vermeiden. In einem Gespräch mit der Presse sagte Dominguez, dass durch diese Klage vor Gericht die von Nemagon betroffenen Arbeiter endlich den Zugang zu mehr Gerechtigkeit erhalten würden und dass den Transnationalen Konzernen, die sich immer hinter rechtlichen Schritten verbergen würden, kein Raum mehr überlassen werde, an dem sie sich verstecken könnten. (El Nuevo Diario, 14. April)

Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Paul Baker Hernandez.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Agnes Bennhold, Rudi Kurz. Zur Finanzierung dieses Informationsdienstes überweisen regelmäßige Leser bitte jährlich 45 Euro (Komitees 60 Euro) an das Nicaragua-Forum. Rechnung auf Anfrage möglich.

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