Meldungen aus Nicaragua vom 20.12.2004

  1. Staatliche Stellen und Einrichtungen fühlen sich durch Bolanos-Rede "beleidigt und bedroht"
  2. Bolaños Reacts to Declaration by Calling for Immediate Dialogue
  3. Proposed Water Law Criticized by Civil Society Groups
  4. National Scandal as International Drug Traffickers are Pardoned by the Supreme Court
  5. Pesticide Becomes Available Again Despite Shocking Increase in Number of Deaths
  6. Discovery of Underground Cavern Causes Great Enthusiasm in Nicaragua
  7. Sonderbericht: Diskriminierung der Kinder nicaraguanischer Migrantenfamilien in Costa Rica

Staatliche Stellen und Einrichtungen fühlen sich durch Bolanos-Rede "beleidigt und bedroht"

Mitglieder der Nationalversammlung, der Rechtsprechung, des Obersten Wahlrats und von Regierungsstellen unterzeichneten eine gemeinsame Erklärung, in der sie Enrique Bolanos' Fernseh-Botschaft an die Nation, mit der er sich letzte Woche an die Öffentlichkeit wandte, zurückwiesen. Bolanos schwor, alles ihm Mögliche zu tun, um zu verhindern, dass es zu einem, wie er sagte, "Verfassungs-Staatsstreich" kommt, und er drohte, "mit welchen Mitteln auch immer" dagegen vorzugehen. Die Gegenerklärung trug die Unterschriften eines Beamten des Obersten Rechnungsprüfungs-Büros, des Vizepräsidenten José Rizo und fast aller Mitglieder der Nationalversammlung sowie vieler Beamter der wichtigsten staatlichen Einrichtungen. Mit 76 zu 3 Stimmen wurde die Erklärung in der Nationalversammlung angenommen.

In der Erklärung heißt es: "Angesichts der beunruhigenden Erklärungen, die Präsident Bolanos vor der Nation und der internationalen Gemeinschaft abgab, dass er beabsichtige, "mit welchen Mitteln auch immer alles ihm Mögliche zu tun," um die parteiischen Verfassungsreformen und die neuen Gesetze, die derzeit das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen, zu verhindern, sind wir zusammen gekommen, um zu zeigen, dass wir die unglücklichen Worte des Präsidenten gemeinsam zurückweisen, Worte, die, in Augenblicken politischer Instabilität im Land, die Nation in einen Zustand äußerster Unsicherheit stürzen und der internationalen Gemeinschaft eine falsche Botschaft übermitteln. In völlig überflüssiger Weise hat der Präsident Spannung im Land erzeugt und setzt damit die Stabilität und das Wohl des demokratischen und politischen Prozesses aufs Spiel."

Eines der drei Mitglieder der Nationalversammlung, die gegen die Erklärung stimmten, war Miguel Lopez. Er erklärte: "Nicht durch Machtdemonstrationen werden wir diese politische Krise lösen und dem nicaraguanischen Volk den Frieden erhalten, sondern durch Dialog, Bescheidenheit und Verständnis einander gegenüber." Er ist der Meinung, dass Bolanos bereits fehlende Flexibilität und Toleranz demonstriert hat und dass diejenigen, die ihm Widerstand leisten, nun mit dieser Erklärung das gleiche demonstrieren.

Guillermo Arguello Poessy, Beamter im Büro der Obersten Rechnungsprüfer, äußerte die Befürchtung, dass der Präsident angesichts der zunehmenden politischen Spannung und der ständig zunehmenden Isolation, in der er sich befindet, sich entschließen könnte, den Ausnahmezustand zu erklären. Laut Verfassung erhielte Bolanos dadurch die Macht, nach eigenem Gusto allen unliebsamen Beamten in politischen und staatlichen Einrichtungen ihre Immunität abzusprechen und sie alle vor Gericht zu stellen. Arguello sagte, er habe Informationen, dass die Präsidentenberater dem Präsidenten vorgeschlagen haben, den Ausnahmezustand zu erklären, um die Verfassungsreformen rückgängig zu machen. In diesem Fall müsste er die Gerichte auflösen und Sondergerichte einsetzen, um Verfahren gegen die Beamten einzuleiten.

Yadira Centeno, Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, erklärte, dass die Mitglieder der Jurisdiktion die Erklärung unterstützten, denn sie wollten damit zum Ausdruck bringen, dass sie die Aussagen, die der Präsident vergangene Woche in seiner Botschaft an die Nation gemacht hat, für völlig unpassend hielten. Die Erklärung ist, laut Centeno, der Ruf nach einem Dialog. Ihrer Meinung nach ist es nicht das erste Mal, dass Regierungsstellen und Einrichtungen statt der Konfrontation einen Dialog mit dem Präsidenten verlangen, aber der Präsident habe von solchen Versuchen, zu einer diplomatischen Lösung zu kommen, nie etwas wissen wollen. "Der Oberste Gerichtshof glaubt, dass Bolanos mit seinen Erklärungen die Konfrontation mit den übrigen Organen des Staates sucht… Mit dieser Erklärung wollen wir den Präsidenten nicht demütigen, und noch viel weniger wollen wir einen Staatsstreich vorbereiten… Was wir wollen, ist Dialog."

Roberto Rivas, Vorsitzender des Obersten Wahlrats, erklärte, er werde nicht hinnehmen, dass der Präsident Druck ausübt oder zu Mitteln der Erpressung greift, indem er "in verfassungswidriger Weise" unpassende Reden hält und, statt für Harmonie zwischen den vier Staatsgewalten zu sorgen, Instabilität und Spannung hervorruft. "In Artikel 129 der Verfassung heißt es, dass sich der nicaraguanische Staat aus vier Gewalten zusammensetzt, die das Ziel haben, in enger Koordination und in Harmonie zusammenzuarbeiten," zitierte Rivas und fügte hinzu: "Im Gegensatz zu der Art und Weise, wie uns der Präsident behandelt hat, fordern wir, dass die vier Staatsgewalten zusammenarbeiten, wie es in der Verfassung vorgesehen ist."

In der Zeit, in der die Erklärung in der Nationalversammlung behandelt wurde, war Bolanos zu einem Treffen der zentralamerikanischen Präsidenten in El Salvador, wo er die eindeutige Unterstützung der fünf anwesenden Präsidenten erhielt. Aber während er noch in begrenzter Weise mit internationaler Unterstützung rechnen kann (die USA und die anderen zentralamerikanischen Regierungen haben dem Präsidenten ihre Unterstützung zugesagt), zeigt die Erklärung, dass seine Isolation innerhalb der politischen Arena Nicaraguas rapide zunimmt. Hinzu kommt, dass am gleichen Nachmittag, an dem die Nationalversammlung die Erklärung verabschiedete, der Minister für Öffentliche Finanzen Eduardo Montiel seinen Rücktritt erklärte mit der Begründung, es bestehe "ein ernsthafter Mangel an Kooperation zwischen der Exekutive und der Nationalversammlung", was ihm, wie er sagt, die Ausübung seines Amtes unmöglich mache.

Als Präsident ist Bolanos der Präsident der Nationalen Polizei und der Oberbefehlshaber der Armee. Weder Edwin Cordero, der Leiter der Nationalen Polizei, noch Javier Carrión, der Kommandierende General der nicaraguanischen Armee, nahmen an der Diskussion in der Nationalversammlung teil, obwohl ihnen eine spezielle Einladung zugegangen war. Weil beide vorgehabt hatten, teilzunehmen, wird allgemein angenommen, dass Bolanos Druck auf sie ausgeübt hatte, dass sie fernblieben. Aber während Bolanos seine Macht über Armee und Polizei in übertriebener Weise hervorhebt, um seine fragwürdigen Drohungen glaubhafter zu machen, haben Sprecher und Vertreter der nationalen Polizei und der Armee es vermieden, zur politischen Krise Stellung zu nehmen; sie brachten nur ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass die Krise auf diplomatischem Weg gelöst wird. (El Nuevo Diario, La Prensa, Radio La Primerísima, Radio !Ya!, 15., 16. Dezember)

Sonderbericht: Diskriminierung der Kinder nicaraguanischer Migrantenfamilien in Costa Rica

Nach letzter Zählung leben und arbeiten 237 663 NicaraguanerInnen legal in anderen zentralamerikanischen Ländern, weitaus die meisten von ihnen (226 374) in Costa Rica. Die inoffizielle Zahl dürfte jedoch viel höher sein, da möglicherweise mehr als die Hälfte derjenigen Nicaraguaner, die die Emigration wählten oder aus wirtschaftlichen Gründen dazu gezwungen waren, nicht genügend Geld hatten, um den teuren bürokratischen Migrationsprozess zu durchlaufen, oder Angst hatten, abgewiesen zu werden. Derzeit gibt es Hundertausende Kinder (es ist unmöglich, eine exakte Zahl anzugeben), von denen viele nie in Nicaragua waren, die in einem Land aufwachsen, in dem sie sich als Ausländer fühlen; viele von ihnen sind aufgrund ihrer Herkunft auf der Straße und in der Schule täglichen Beschimpfungen und manchmal physischer Misshandlung ausgesetzt.

Der Grad der Intoleranz unter Costa-Ricanern ist unterschiedlich. In manchen Gebieten ist sie sehr gering, in anderen, vor allem in den Armenvierteln der Hauptstadt San José, ist die anti-nicaraguanische Stimmung sehr deutlich spürbar; dort kommt es auch häufig zu ethnisch bedingten Ausschreitungen. Laut Carlos Sandoval, dem stellvertretenden Direktor des Instituts für Sozialforschung an der Universität von Costa Rica, ist in einigen Stadtvierteln "das Einzige, was sie den Nicaraguanern nicht vorwerfen, der schlechte Zustand der Straßen." - Es ist natürlich, dass die Intoleranz in den armen Stadtvierteln größer ist, da die Bewohner gegen die Anwesenheit der Ausländer sind, denn sie glauben, diese würden ihnen die Arbeitsstellen wegnehmen und durch sie würden die Gehälter gesenkt. Nicaraguaner arbeiten im allgemeinen für weniger Geld. In den Wohngebieten der Armen, in denen der Bildungsgrad niedriger ist und sich die sozialen Probleme häufen, ist es laut Sandoval sehr schwierig zu verhindern, dass ethnisch bedingte Intoleranz und die Diskriminierung ethnischer Minderheiten, wie sie unter den Erwachsenen verbreitet auftreten, an die jüngere Generation weitergegeben werden.

In mancher Hinsicht ist das Leben dieser Kinder geringfügig leichter als es wäre, wenn sie in Nicaragua lebten. In Costa Rica ist die Arbeitslosigkeit niedrig, und die Löhne sind höher als im nördlichen Nachbarland (obwohl diejenigen Nicaraguaner, die illegal dort leben und arbeiten, beträchtlich weniger erhalten als ihre legalen Landsleute). Die Wahrscheinlichkeit, dass nicaraguanische Kinder in Costa Rica zur Schule gehen können und gut ernährt sind, ist größer, und die Kinder der legalen MigrantInnen haben auch Zugang zu einer besseren staatlichen Gesundheitsversorgung und zu preiswerterer medizinischer Behandlung. Die Identitätskrise, unter der diese Kinder leiden, sollte jedoch nicht unterschätzt werden; denn in dem Land, in dem sie geboren sind und die meiste Zeit ihres Lebens verbracht haben, fühlen sie sich nicht zu Hause, und das spielt in negativer Hinsicht eine Rolle für die Entwicklung und das psychische Wohlbefinden von Kindern, die das Unglück haben, in einem Gebiet zu wohnen, in dem ein beachtliches anti-nicaraguanisches Klima herrscht. (La Prensa, 12. Dezember)

Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Paul Baker Hernandez.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Agnes Bennhold, Rudi Kurz. Zur Finanzierung dieses Informationsdienstes überweisen regelmäßige Leser bitte jährlich 45 Euro (Komitees 60 Euro) an das Nicaragua-Forum. Rechnung auf Anfrage möglich.

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