Meldungen aus Nicaragua vom 21.06.2004
- Bischöfe beschuldigen Regierung, "die Bevölkerung zu versklaven"
- Kardinal empört über Besuchsverweigerung bei Aleman
- Umweltgruppen gegen Öl-Konzessionen
- Government Drags Feet over Appointment of Human Rights Ombudsman
- Nicaragua "Finally Internet Independent"
- Private Pharmacies Resist Generic Drug Distribution
- Alemán to Have Surgeryj
Bischöfe beschuldigen Regierung, "die Bevölkerung zu versklaven"
Unerwartet deutlich beschuldigten die römisch-katholischen Bischöfe Nicaraguas in einer öffentlichen Stellungnahme die Regierung, ihre Bevölkerung "praktisch zu versklaven". Der Text beginnt folgendermaßen: "Die Botschaft unseres Herrn Jesus Christus verpflichtet uns, die Stimme der Stimmlosen zu sein, die Gewalt und Rücksichtslosigkeit derjenigen öffentlich zu machen und zu verurteilen, die aufgrund von Versprechungen, die sie den verschiedenen sozialen Gruppen im Laufe von Wahlkämpfen gemacht haben, beachtliche Posten errungen haben, die aber, sobald sie an der Macht sind, von den Menschen nichts mehr wissen wollen, sie unterdrücken und sie zu Unterentwicklung, Arbeitslosigkeit, Hunger, Elend und der Sklaverei, der sie seitens der multinationalen Konzerne ausgesetzt sind, verurteilen."
Daraufhin folgte ein Abschnitt, der von manchen Beobachtern als "fast ein Aufruf zum Krieg" bezeichnet wird: "Sie führen unsere ländlichen Gemeinden und den Großteil der Bevölkerung, der in den Elendsregionen erbärmlichen Lebensumständen ausgeliefert ist, auf den Weg kultureller Rückständigkeit und Unterentwicklung. Das darf die Kirche auf keinen Fall zulassen, denn wenn sie das täte, würde sie ein System gutheißen, das zwar strukturell eine Demokratie ist (denn die haben wir), aber eine Demokratie, die von Unausgereiftheit und falschen Versprechungen durchzogen ist. Aufgrund dieser Lebensumstände, die der Bevölkerung von unserer Regierung auferlegt worden sind, ist Nicaragua heute eines der ärmsten Länder des Südens. Wir sind das ärmste Volk Zentral- und Lateinamerikas mit einem Pro-Kopf-Einkommen, vergleichbar dem in einigen der ärmsten Länder Afrikas, zum Beispiel Nigeria und Somalia."
Der Brief, der von Bischof Mata, Bischof von Estelí, in seiner Funktion als Sekretär der Nationalen Bischofskonferenz veröffentlicht wurde, nannte das üble Verhalten der Regierung gegenüber den heimatlos gewordenen Kaffee-Arbeitern und gegenüber den Studenten der Universitäten als Beispiel für den, wie es darin heißt, "Mangel an menschlichem Mitgefühl" seitens der Bolanos-Regierung. Im Hinblick auf die Arbeiter heißt es in dem Brief: " Mehrere Monate lang waren sie - entlang der Panamericana - ihrem Schicksal - dem Hunger, unhygienischen Bedingungen, Krankheiten und ständigen Gefahren - ausgeliefert." Im Hinblick auf die Universitäten wird betont: "Die Auseinandersetzungen mit den akademischen Einrichtungen hat die Regierung herzlich wenig ernst genommen; erst als es zu Gewalt-Aktionen kam, einschließlich Verlust von Menschenleben, sah sich die Regierung bemüßigt zu handeln."
In der von den Bischöfen herausgegebenen "Botschaft an die Nation" heißt es weiter: "In den Krankenhäusern fehlt es an Medikamenten, der Zugang zu Bildung wird zunehmend schwieriger, die Lebenshaltungskosten sind erschreckend hoch, diejenigen, die das Privileg bezahlter Arbeit genießen, erhalten miserable Löhne, Kleinbauern und Geschäftsleute erhalten keinen Kredit, man könnte die Aufzählung verzweiflungsvoller Lebensumstände endlos fortführen." Und als direkte Kritik an Präsident Bolanos selbst wird folgende Feststellung verstanden: "Während LehrerInnen, TransportarbeiterInnen, Mitglieder des Verbraucher-Netzwerks und andere Gruppen Protest- und Streikaktionen durchführen, lässt der, der die gesamte Regierungsverantwortung trägt, sein Land im Stich und gibt die kärglichen Ressourcen, die der Bevölkerung zur Verfügung stehen sollten, für Reisen aus, die nichts zur wirtschaftlichen Gesundung der Menschen beitragen. Zusammengefasst: Wir sehen hohe Arbeitslosigkeit und Mangel an Grundnahrungsmitteln in den Häusern der Armen; dem stehen Luxus, Eitelkeit, maßloser Stolz, rücksichtsloses Geldausgeben und das völlige Fehlen eines sozialen Gewissens gegenüber."
Der Brief hatte einen vieldeutigen Schluss, in dem Bischof Mata darauf hinwies, dass die Bischöfe und Priester keine Angst vor möglichen Vergeltungsmaßnahmen hätten, die von Seiten eines politischen Systems, das "so egozentrisch und gefühllos" ist, auf eine solche Botschaft folgen könnten. "Der Bischof, der Priester, die engagierte Gemeinde fürchten weder Gefängnis, noch Diffamierung, noch üble Nachrede, nicht einmal den Tod, wenn sie sich für das Wohl der Allgemeinheit einsetzen," sagte er. "Die Geschichte ist voller Beispiele, wie gläubige Menschen verschwinden, getötet werden oder Folterungen, Diffamierungen, Erpressungen sowie allen möglichen anderen schlimmen Erfahrungen ausgesetzt sind." (El Nuevo Diario, Radio La Primerísima, Radio Sandino, 17.-18. Juni)
Kardinal empört über Besuchsverweigerung bei Aleman
Die bischöfliche "Botschaft an die Nation" hatte ein spannendes Gegenstück. Ihre Veröffentlichung geschah genau eine Woche, nachdem dem Haupt der katholischen Kirche in Nicaragua und kirchlichen Oberhaupt in Zentralamerika, Kardinal Obando y Bravo, der Besuch bei Arnoldo Aleman im Gefängnis von Tipitapa verweigert worden war. In einer Weise, die Beobachter als "wütend" und "empört" bezeichneten, reagierte der Kardinal, als er am Tor der Haftanstalt aufgehalten wurde, weil auf der Besuchserlaubnis, die er bei sich hatte, der Name eines Begleiters, der ebenfalls Zugang zum Ex-Präsidenten haben wollte, nicht vermerkt war. Obwohl der Name des Kardinals aufgeführt war und er selbst hätte eintreten können, zog er es vor umzukehren, nachdem er vergeblich versucht hatte, die Gültigkeit der Besuchserlaubnis für alle zu erzwingen.
Später schickte er eine formelle Beschwerde an das Staatsministerium. Diese Beschwerde löste eine - man kann wirklich sagen - Lawine unterwürfiger Entschuldigungen seitens der Regierung aus; ihren Höhepunkt erreichte sie im Besuch des Staatsministers Julio Vega und des Präsidentschaftssekretärs und -sprechers Eduardo Montenegro, zwei der höchsten Beamten der Bolanos-Regierung, in der Residenz des Kardinals. Sie beehrten den Kardinal nicht nur mit ihrer eigenen unterwürfigen Gegenwart, sondern überbrachten ihm auch den "besonderen Kummer" des Präsidenten über den Vorfall; aber Seine Eminenz der Kardinal ließ sich nicht so leicht besänftigen. "Die Beamten am Tor sagten mir, sie handelten nach den Befehlen ‚ihrer Vorgesetzten'. Das macht alles nur noch schlimmer; wer sind ihre Vorgesetzten, wenn nicht der Staatsminister und seine Leute?"
Obwohl der Kardinal schließlich bereit war zu akzeptieren, dass möglicherweise ein Fehler gemacht worden war, weigerte er sich, seine zuvor gemachte Behauptung zurückzunehmen, dass seine "Demütigung" Teil einer breiter angelegten Regierungsstrategie sei, in der letztendlich ein versteckter Krieg gegen seine Kirche zu sehen sei. "Man hindert mich und andere Priester daran, unsere christliche Pflicht zu erfüllen und die Gefangenen zu besuchen," beschwerte er sich. "Christus selbst lehrt uns, dass das eines der Hauptwerke der Barmherzigkeit ist."
Mag es sich beim Zugang zu Häftlingen, die wegen geringerer Straftaten einsitzen, auch ganz anders verhalten, die Empörung des Kardinals schien im Hinblick auf Aleman die gewünschten Folgen zu haben. Journalisten, die das Krankenhaus belagern, wo er sich derzeit einer leichten Operation unterzieht, sagten, an dem Ort gehe es wie an einer Busstation zu, so viele Menschen kommen und gehen. Das war so sehr der Fall, dass andere, die ihre Familienangehörigen besuchen wollten, dazu nur noch eingeschränkt in der Lage waren, damit Mitglieder der Liberal-Konstitutionalistischen Partei es leichter hätten, mit ihrem angegriffenen Chef zu sprechen. (El Nuevo Diario, La Prensa, Radio La Primerísima, Radio Ya, Channel 2, 4, 8, 12 TV, 17.-19. Juni)
Umweltgruppen gegen Öl-Konzessionen
Brenda Rocha, offizielle Sprecherin des Humboldt-Zentrums, Nicaraguas führender Umwelt-Kontroll-Organisation, schalt die Regierung, weil sie einer US-Gesellschaft die Konzession für Öl-Probebohrungen erteilt hatte, ohne die örtlichen Bürgermeister und Gemeinderäte zu informieren, wie es zumindest die Höflichkeit geboten hätte. Abgesehen von dem schlechten Stil, der darin deutlich wird, sollte die Tatsache, dass die örtlichen Repräsentanten bei den Verhandlungen nicht einbezogen worden sind, im Grunde bedeuten, dass die Konzessionen null und nichtig sind. Ein örtliches Bürgermeisteramt hat das Recht, bei allen derartigen Entscheidungen konsultiert zu werden." Im Namen ihrer Organisation wies Rocha auf die schädlichen Folgen für die Umwelt hin, die jegliche Probebohrung haben wird. "Solche Verfahren schaden dem gesamten Ökosystem und wirken sich auf die jeweiligen Gemeinden sehr negativ aus," erklärte sie. Die Gesellschaft, um die es sich handelt, heißt Oklanicsa und hat die Genehmigung erhalten, während eines Zeitraums von 25 Jahren Probebohrungen in den Küstengebieten von Tola und San Juan del Sur vorzunehmen.
Rocha wies auf Bürgerbewegungen in Costa Rica und Panamá hin, denen es gelungen war, in ihrem jeweiligen Land ein Moratorium für derartige Aktivitäten zu erreichen. Auch Elias Sanchez schlug im Namen des Mesoamerikanischen Netzwerks Alarm und forderte die Nicaraguaner auf, die negativen Erfahrungen, die sein eigenes Land, Mexiko, aufgrund des Vorgehens der Ölgesellschaften gemacht hat, sorgfältig zur Kenntnis zu nehmen. "Ihr müsst vor allem wissen," ermahnte er sie, "dass diese Gesellschaften riesige Gebiete aufkaufen und die Leute von ihrem Grund und Boden in die Städte vertreiben. Dort werden sie zur leichten Beute transnationaler Konzerne und werden abhängig von der Art Arbeit, die ihnen diese anbieten. Der gesamte Prozess führt zu einer vollständigen Veränderung ihrer traditionellen Lebensweise." Er wies auch nachdrücklich auf die direkten Umweltfolgen hin, die solche Probebohrungen und Öl-Fördermaßnahmen haben, und führte beispielsweise aus, dass, aufgrund des hohen Gehalts an Blei und Kohlenwasserstoffen bei den Fischen in den Fanggebieten, viele mexikanische Fischer gezwungen waren, ihre traditionellen Fischgründe aufzugeben.
Auch alle VertreterInnen aus Honduras, El Salvador, Belize, Panamá und Costa Rica bestätigten die Erfahrungen, die Mexiko gemacht hatte, und betonten, dass in ihrem oder seinem Land Ölbohrungen ähnlich schädliche Folgen hatten. Rocha beklagte den jüngst erfolgten und derzeitigen Zustand der Öl-Aktivitäten in Nicaragua, betonte aber gleichzeitig, dass in allen betroffenen Ländern die Zeit gekommen sei, aus den Erfahrungen Costa Ricas und Panamás zu lernen in der Hoffnung, dass sie den dortigen Erfolg wiederholen und erreichen, dass die Konzessionen zurückgenommen werden. (El Nuevo Diario, 20. Juni)
Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Paul Baker Hernandez.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Agnes Bennhold, Rudi Kurz.
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