Meldungen aus Nicaragua vom 24.05.2004
Zahlreiche Personen verletzt, ein Polizist tot bei Protestaktionen der Studenten zur Durchsetzung der 6% des nationalen Haushalts für die Universitäten
Nach einer Woche tödlich ausgetragener Studentenproteste nähern sich Regierung und der Nationale Rat der Universitäten angeblich einer Vereinbarung im Hinblick auf die Forderung, dass 6% des nicaraguanischen Haushalts dem nationalen System der Hochschulen zugute kommt, wie es in der Verfassung vorgesehen ist. La Prensa berichtete, dass die Universitäten aufgrund des jüngsten Urteils des Obersten Gerichts des Landes eingewilligt haben, 5,3 Millionen US-Dollar weniger als die von ihnen errechneten 62,7 Millionen US-Dollar als 6% des nationalen Budgets zu akzeptieren. Unterdessen wurde allerdings auch berichtet, dass Jasser Martinez, der Vorsitzende der Studentenbewegung, verkündet hat, dass die Studenten in dieser Woche ihr gewaltsames Vorgehen intensivieren würden, bis die Regierung den Universitäten die 6% zuteilt. Studenten betonen, dass das neo-liberale Wirtschaftsmodell, nach dem arme Länder wie Nicaragua den größten Teil ihres Bildungs-Budgets für die Primarschulbildung ausgeben sollen, während die Hochschulen zu zweitrangigen Einrichtungen werden, dazu führt, dass die Möglichkeiten für junge Menschen aus minderbemittelten Familien, eine Universität zu besuchen, eingeschränkt werden und diese Länder dadurch unterentwickelt bleiben.
Finanzminister Eduardo Montiel sagte, dass am Montag, 24. Mai, die Gespräche zwischen der Regierung und dem Nationalen Rat der Universitäten wieder aufgenommen werden. Offensichtlich soll die Vereinbarung dadurch zustande kommen, dass aufgrund der Bestimmungen, die für den Schuldenerlass der Hochverschuldeten Armen Länder (HIPC) festgelegt worden sind, Nicaragua das Geld, das durch die jüngst vorgenommene Schuldenstreichung gespart wird, gesondert aufführen muss und nicht dem allgemeinen Haushalt zuführen darf. Weitere Gelder sollen durch den Einzug bisher noch nicht gezahlter fälliger Steuern frei werden sowie durch Kosten-Einsparungen bei Elektrizität, Wasser, Telefon u.s.w. in staatlichen Büros. Montiel sagte, die Regierung verlange, dass die Universitäten modernisiert werden … und dass sie die Buchführung über die Gelder, die sie aus dem nationalen Haushalt erhalten, verbessern.
Zahlreiche verletzte Studenten und Polizisten und ein toter Polizei-Offizier, das war das Ergebnis einer Woche voller Unruhen in Managua, León, Jinotepe und Chontales. Die Studenten benutzten selbst gebastelte "Mörser", die sie mit selbst gebastelten Raketenwerfern in die Luft schossen. In Jinotepe hat eine dieser Waffen den Polizei-Offizier Roger Rodriguez in den Oberschenkel getroffen und dabei eine Hauptschlagader verletzt. Es kam zum Herzstillstand, und er starb im Krankenhaus in Jinotepe. Horacio Rocha, Chef der Polizei von Managua, sagte, sein Ziel sei es, Konfrontationen soweit irgend möglich zu vermeiden; er habe deshalb den Verkehr an der Zentralamerikanischen Universität (UCA) vorbei umgeleitet. Viele Studenten wurden von der Polizei festgenommen. Vilma Nunez, Leiterin des Nicaraguanischen Menschenrechtszentrums, sagte, der Präsident sei derjenige, der am Tod des Polizisten schuld sei; während die Krise ihren Höhepunkt erreichte, sei er in der Ferne und gebe öffentliches Geld in Madrid bei der Hochzeit des spanischen Thronfolgers aus. Nunez betonte: "In Zukunft darf das nicht mehr passieren."
Telemaco Talavera, Dekan der Landwirtschafts-Universität und Präsident des Nationalen Rats der Universitäten, sagte: "Polizei und Studenten sollten sich nicht als Feinde bekämpfen; sie sind nicht die Ziele der Proteste. Unser Ziel ist, dafür zu sorgen, dass die Verfassung ihre Gültigkeit behält und dass die Bildung über genügend Mittel verfügt." Er fuhr fort: "Viele Polizei-Offiziere haben die Universitäten durchlaufen, und für ihre Kinder gilt das Gleiche. Wir wollen hier keine verletzten Polizei-Offiziere. Das nützt den Protesten in keiner Weise, sie sollten friedlich sein." (La Prensa, 21., 24. Mai; El Nuevo Diario, 18., 19., 20., 21., 24. Mai)
CAFTA soll am 28. Mai unterzeichnet und bei der OAS hinterlegt werden
Die Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS) wird der Hinterlegungs-Ort sein für die Originaltexte der Zentralamerikanischen Freihandels-Vereinbarung zwischen fünf Ländern Zentralamerikas und den USA, die diese Woche in Washington, DC, unterzeichnet werden.
Am 28. Mai werden sich die Handelsminister von Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras und Nicaragua mit Robert Zoellick, dem für Handel zuständigen Vertreter der USA, treffen, um die Vereinbarung zu unterzeichnen. Das Original-Dokument wird bei der OAS verwahrt, die mit der Versendung der zertifizierten Kopien an die Unterzeichner-Staaten betraut ist. Anschließend werden die Länder das Dokument ihren jeweiligen Parlamenten zuleiten, damit dort die Gesetze, die zur Erfüllung der Vereinbarung nötig sind, beschlossen werden. Nicaraguas Handelsminister Mario Arana sagte, sobald das Parlament eines Landes der Vereinbarung zugestimmt habe, werde der Vorsitzende das der OAS melden, damit OAS-Beamte die anderen Unterzeichner-Staaten darüber informieren können. (El Nuevo Diario, 24. Mai)
"Recht gutes Jahr" für nicaraguanische Kaffee-Bauern
Für die nicaraguanischen Kaffee-Bauern sieht die Zukunft in diesem Jahr rosiger aus, da die Ernte 2003-2004 ca.1,8 Zentner beträgt, rund 200 000 Zentner mehr als offiziell vorhergesagt. Dank "einer ausgezeichneten Regenzeit" ist die diesjährige Ernte die zweitbeste der vergangenen fünf Jahre, nur übertroffen von der Ernte 1999-2000; damals wurden zwei Millionen Zentner erzielt. Etwa 1,6 Millionen Zentner wurden in die USA, nach Europa und in andere Länder einschließlich Marokko, Vietnam und Rumänien exportiert; das zeigt, dass die Beliebtheit nicaraguanischen Kaffees überall auf der Welt zunimmt. Noch erfreulicher für die Bauern ist, dass der Preis pro Zentner auf 73 US-Dollar angestiegen ist. (Die Produktionskosten betragen etwa 72 US-Dollar, das heißt, zum ersten Mal seit mehreren Jahren liegt der Kaffee-Preis höher als die Produktionskosten.) Es ist zu hoffen, dass dieser Anstieg den Bauern dazu verhilft, das nächste Jahr einigermaßen gut zu überstehen; denn da erfahrungsgemäß auf Jahre hoher Produktion solche mit niedrigerer Produktion folgen, ist es gut möglich, dass die Ernte im kommenden Jahr nicht so günstig ausfällt.
Die Nicaraguaner hoffen, dass sie mehr Kaffee einer besseren Qualität produzieren werden und dadurch höhere Preise auf dem Markt erhalten. Aus mehreren Gründen ist das Land nicht in der Lage, auf höchstem Niveau zu produzieren: Es fehlt an grundlegender staatlicher Infrastruktur, zum Beispiel guten Straßen, wodurch der Kaffee manchmal nicht den Markt erreichen kann; es fehlt auch an Kaffee-Pflückern sowie ausreichendem Zugang zu Finanzmitteln. Allein in diesem Jahr gingen 80 000 Zentner aus den genannten Gründen verloren.
Unterdessen berichteten Kaffee-Pflanzer, dass bis zu 5% ihrer Ernte durch Insekten verloren gingen; bisher hat man dagegen bloß Endosulfan verwendet, ein chemisches Produkt, das umweltschädlich ist. Michel Delabarre, ein französischer Entomologe, berichtete auf einer Konferenz in Nueva Segovia, dass Forscher seit 15 Jahren nach einer sichereren Alternative suchen.
Wissenschaftler haben ein nicht-chemisches Verfahren entdeckt; es besteht aus einer einfachen Falle, einer Flasche, die Alkohol ausdünstet, wodurch die Insekten angezogen werden. Es ist viel billiger, als die Felder mit Pestiziden zu besprühen, und kann ziemlich lange Zeit benutzt werden. Außerdem wird dadurch ein besserer Kaffee erzeugt, da die Pflanzen chemie-frei gehalten werden. In mehreren zentralamerikanischen Ländern gibt es schon ermutigende Resultate; dort konnte die Produktion bereits erhöht werden, was Analysten für ein viel versprechendes Zeichen für Nicaragua halten. (La Prensa, 21. Mai)
Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Paul Baker Hernandez.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Agnes Bennhold, Rudi Kurz.
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