Meldungen aus Nicaragua vom 26.07.2004

  1. Massiver Einsatz für 25. Jahrestag der Revolution
  2. "Sandino Shelters us All"
  3. Bananenarbeiter: "Unsere Leute sterben weg"
  4. Bolaños Presides over "Debt-for-Death" Deal
  5. Privatisierungspläne für Rentenversicherung enthüllen: Fonds diente zur Bereicherung für Alemáns Familienmitglieder
  6. Patients and Prisoners Dance, Play and Paint
  7. Pellas Group Required to Pay Back Taxes
  8. Nicaragua's New Roads "Will Fall Apart"

Massiver Einsatz für 25. Jahrestag der Revolution

Auch wenn die Menge den außergewöhnlichen Voraussagen der Regierung Bolaños zum 19. Juli wahrscheinlich nicht entsprach, füllte die Feier zum 25. Jahrestag der sandinistischen Revolution den riesigen Johannes Paul II. - Platz in Managua bis zum Bersten. Aus Gründen, die bisher nicht erkennbar wurden, hatte die Regierung angekündigt, dass die Nation zwischen 250.000 und 300.000 Menschen erwarten könne, die die Innenstadt überfluten würden. Die Zahl der tatsächlich Anwesenden lag dann aber näher bei 100.000 Menschen. Laut gut informierte Quellen hatte die Regierung die erstaunliche Zahl angegeben und darauf gehofft, dass die zum Ende der Revolution aufgebotenen 20.000 im Jahr 1990 noch unterboten würden. Damals hatte die von den USA gestützte UNO - Koalition die Wahlen gewonnen. Ähnliche Revolutionsjubiläen hatten in den letzten Jahren noch weniger Teilnehmer angelockt.

Die gewaltige Anzahl von Menschen, ungewöhnlich ernst und weniger ausgelassen als sonst, hörte eine genauso nüchterne Rede des Generalsekretärs der FSLN, Daniel Ortega. Während seine Lebensbegleiterin Rosario Murillo mit der besonderen Fähigkeit, als Dichterin und Herrin der Zeremonien solche Tage angemessen zu würdigen, eine Reihe von Personen vorstellte, die eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Somoza - Diktatur und im Widerstand gegen die heftigen Angriffe von Ronald Reagans Contra gespielt hatten - überdachte Ortega in seiner Rede die Geschichte der Revolution selbst und umriss die Pläne für "die Rückkehr der FSLN an die Macht". Er betonte die damaligen Schwierigkeiten, zur selben Zeit ein revolutionäres Projekt voranbringen zu müssen und die Gewinne der Bevölkerung durch den Sandinismus gegen einen aufgezwungenen Krieg zu verteidigen. Diese Gewinne seien, wie er sagte, nicht nur die offensichtlichen Bereiche der Bildung und Gesundheit, wo überraschend große Fortschritte erzielt wurden, sondern lagen auch in der Entstehung einer Armee und einer nationalen Polizeitruppe als "wirklich unabhängige Gewalten in Lateinamerika".

Er kritisierte die neo-liberalen Regierungen von Violeta Chamorro ab 1990 bis zum aktuellen Präsidenten Enrique Bolaños, die so viel wie möglich von dem in den 80er Jahren geschaffenen abschaffen wollten und den Ausverkauf des demokratischen Prozesses in Nicaragua vorschlugen, der es möglich gemacht hatte, dass Menschen in lokalen Foren zusammenkommen können und dass so die "Stimmen der Barrios und der ländlichen Regionen in der Nationalversammlung und dem Präsidentenpalast gehört werden". Ortega drückte auch deutlich seiner Unterstützung für die Regierungen von Hugo Chavez in Venezuela und von Fidel Castro auf Kuba aus. "Die Vereinigten Staaten unter George Bush II setzen die imperialistische Politik und die Politik seines Vaters fort", erklärte er. "Es ist höchste Zeit, dass die USA für andere Nationen das ermöglichen, was sie für sich selbst in Anspruch nehmen, ihre Souveränität. Im Rückblick gab die sandinistische Revolution den Menschen in Nicaragua etwas Unbezahlbares: den Glauben an die eigene Souveränität, das Recht, das eigene Schicksal zu kontrollieren."

Auf der anderen Seite bat nach der großen "Messe der Versöhnung", die Kardinal Obando y Bravo auf Anfrage der Führung der FSLN am 18. Juli abhielt, sein Vertreter bei der Versammlung, Monsignore Eddy Montenegro, um den Segen Gottes. Viele der Beobachter sagten darüber, dass diese Sache einfach nur lächerlich wäre, wenn sie nicht so traurig wäre. Der frühere Guerillaführer Henry Ruiz (Comandante Modesto) sprach für sie alle, als er fragte, warum "macht die Führung diesen großen Handel, um insbesondere den Kardinal um Verzeihung zu bitten"? Dieser Obando y Bravo war einer wichtigsten Vertreter der Contra, weshalb sich Ruiz für außerstande erklärte, zu verstehen, wie Ortega und der Rest, "es ertragen können, in seiner Kirche zu sitzen, während er Bibelstellen lesen und den Vorsitz führen kann". Ruiz erleidet gegenwärtig selbst die traurige Verfolgung durch die linientreue Führung der FSLN, die ihn zu Unrecht in eine Korruptionsklage gegen Mitglieder der Führung der Sandino-Stiftung verwickelt hat, anscheinend mit der Absicht, ihn von jeder Möglichkeit abzuhalten, für ein hohes Amt gegen Ortega zu kandidieren. (Radio La Primerisima, Radio Sandino, El Nuevo Diario, La Prensa, TV-Kanal 4 und 23, zwischen 20. und 23. Juli)

Bananenarbeiter: "Unsere Leute sterben weg"

Bayardo Izabá vom nicaraguanischen Zentrum für Menschenrechte (CENIDH), das im Namen von mehr als 5.000 früheren Bananenplantagenarbeitern spricht, die von Nemagon - Pestizidvergiftungen betroffen sind, forderte die nicaraguanische Regierung auf, endlich mit der Umsetzung der vor vier Monaten unterschriebenen Vereinbarung zu beginnen. Obwohl die Auswirkungen des Pestizids auf Menschen bekannt war - verschiedene Krebsarten, Sterilität, Missbildungen und Fehlgeburten, die alle gut dokumentiert waren und zum Verbot des Mittels in den Vereinigten Staaten geführt hatten, exportierten es Shell, Dole, Standard Fruit und Andere auch noch in den 80er Jahren nach Nicaragua und in andere arme Länder. Unschuldige Arbeiter, die selbst und auch ihre Kinder von den massiven Folgen der Vergiftung betroffen sind, haben es durch einen langen Kampf -auch mit der Regierung Bolaños - erreicht, den transnationalen Konzernen für ihren Anteil an der Verantwortung Kompensationszahlungen zu entreißen.

Im März 2004, nach einem hundert Meilen langen Protestmarsch von Chinandega und einem fast zwei Monate andauernden Protestlager gegenüber der Nationalversammlung, schienen die Arbeiter ihr Ziel erreicht zu haben, als Präsident Bolaños ihre Führer schließlich traf und versprach, "alles in meiner Kraft stehende" zu tun, um ihren Fall vor internationale Gerichte zu bringen. Seitdem hat die Regierung laut den Vertretern der sieben Gruppen von Arbeitern, die sich zusammengetan hatten, um ihre neue Klage bei CENIDH vorzubringen, nichts getan. "Seit die Vereinbarung unterschrieben wurde", fuhr Izabá fort, "haben wir bei CENIDH uns um ihre Umsetzung oder eher um die fehlende Realisierung gekümmert. Wir haben die Position der Regierung beobachtet und kritisiert, weil wir keine Anzeichen erkennen konnten, die dazu geführt hätten, die Vereinbarungen umzusetzen oder einen Vorschlag dazu auszuarbeiten."

Während die Regierung wieder ihre Unterstützung beim Errichten von Häusern und beim Rechtsschutz gegenüber den US-Gesellschaften wegen deren krimineller Nachlässigkeit versprach, forderte die Gruppe der Arbeiter nun die Erfüllung einer zugesagten und weit wichtigeren Sache - die Aussicht auf dringend notwendige medizinische Hilfe. Der Sprecher Benjamin Chavez sagte, "dies ist einer der Hauptpunkte der Vereinbarung, mit direkter Auswirkungen auf die Betroffenen. Am meisten sind wir darüber verbittert, dass die Regierung dies nicht eingehalten hat. Wir sind genau deshalb hier, um die Regierung dazu zu bringen, dass sie wenigstens dieses Versprechen einhält, die Sache, über die sie selbst entscheiden kann, die nicht von komplizierten juristischen Prozessen abhängt. Wir wollen die Bereitstellung der medizinischen Versorgung beschleunigen, damit unsere Leute nicht einfach weiter wegsterben. Ich habe keine Ahnung davon, warum die Regierung ihre Zusage nicht erfüllt - ist es der Mangel an Ressourcen oder ist es aus politischen Gründen, ich habe keine Ahnung. Wir wissen es alle, dass sie anstatt uns Medizinen zu geben, von jedem von uns einen Stapel Papiere fordert; und unsere Leute sterben derweil einfach weg." (La Prensa, 23. Juli)

Privatisierungspläne für Rentenversicherung enthüllen: Fonds zur Bereicherung für Alemáns Familienmitglieder

Als die Versuche der Bolaños Regierung zur Privatisierung der Staatsrentenfonds sich zumindest vorübergehend auflösten und das ganze Projekt an die Nationalversammlung zurückgegeben wurde, tauchten Nachrichten darüber auf, wie Mitglieder von Arnoldo Alemáns Familie von der gescheiterten Privatisierung im Beratungsprozess profitiert hatten. Die frühere Alemán-Regierung machte es für den Bruder, Vater und Schwiegersohn des Ex-Präsidenten wegen ihrer "Kapazitäten" als Berater möglich, gewaltige Summen aus Nicaraguas verarmten Finanzministerium herauszuziehen. Dies zu einer Zeit, in der der verarmte durchschnittliche Rentebezieher das Glück hatte, US-$ 55 pro Monat zu bekommen.

Durch diese Methode erhielt Alemáns Bruder Antonio zwischen 1998 und 2001 mehr als 134.000 US-$ vom INSS, dem nationalen Institut für Sozialversicherung als Teil der "speziellen Zahlungen, um Beamten des ersten Rangs Monatsgehälter zu bieten". Ironischerweise brach der Reformprozess, den Alemán und seine Kollegen für die Rentner der Nation vorschlugen, wegen "Mangel an finanzieller Lebensfähigkeit" zusammen.

Zur selben Zeit wurde Antonio Alemán auch von der Weltbank als Rechtsberater vertraglich verpflichtet, für die Kommission, in der er schon Mitglied war. Für diese Aufgabe erhielt er zusätzlich 5000 US-$ pro Monat.

Während derselben Zeit von 1998 bis 2001erhielten Alemáns Schwiegervater José Antonio Flores Lovo Zahlungen, die zusammen ungefähr 60.000 US-$ ausmachten. Seine Rolle? "Spezieller Berater für externe Ressourcen für die Rentenreform". Und zu derselben Zeit erhielt Alfredo Gallegos Sandoval, der mit einer von Alemáns Töchtern, Maria Alejandra, verheiratet ist, auch massive Zahlungen als "Manager zur Reform des Rentensystems". Keine der beteiligten Parteien (einschließlich des Weltbankvertreters) war bereit, Journalisten zu treffen, Anrufe in ihren Häusern und Büros wurden nicht beantwortet oder nicht angenommen. (La Prensa, 24. Juli)

Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Paul Baker Hernandez.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Agnes Bennhold, Rudi Kurz. Zur Finanzierung dieses Informationsdienstes überweisen regelmäßige Leser bitte jährlich 45 Euro (Komitees 60 Euro) an das Nicaragua-Forum. Rechnung auf Anfrage möglich.

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