Meldungen aus Nicaragua vom 27.09.2004
- Bauern gegen Freihandelsabkommen mit den USA
- Arbeiter protestieren gegen Pläne, die Sozialversicherung zu reformieren
- Vice President against proposal to arm politicians
- Jinotegans plan large scale disruption until roads are improved
- Nicaraguanische Zivilgesellschaft diskutiert mit ENACAL-Direktor über Privatisierung der Wasserversorgung
- Call for artwork, poetry and stories which promote just relationship between genders
- Attorney General meets with the Panamanian officials investigating Aleman and Jerez case
- Anzahl Unmündiger, die als Haushalts"sklaven" arbeiten, ist unbekannt
Bauern gegen Freihandelsabkommen mit den USA
"Bauern sind in der Lage zu säen und zu ernten, aber nicht, gegen die USA zu konkurrieren. Nein zum Freihandelsabkommen" (CAFTA), so steht es auf dem Transparent, das bei der 20. Nationalen Mais-Markt-Prozession vorangetragen wird, an der Tausende von Bauern aus der Umgebung und Besucher aus dem ganzen Land in Jalapa, Segovia, im Norden Nicaraguas teilnahmen. Das alljährliche kulturelle Ereignis wurde zu einem politischen Protest gegen das drohende Freihandelsabkommen umfunktioniert.
"Die Politiker, von denen man annehmen sollte, dass sie das nicaraguanische Volk repräsentieren, sollten, ehe sie dieses Handelsabkommen ratifizieren, zunächst vor allem die Bevölkerung befragen," sagte der Bürgermeister von Jalapa, Omar Gonzalez Vilchez. "Tatsache ist, dass die Regierung sich nicht im geringsten die Mühe gemacht hat, die Leute über das Abkommen und seine Folgen aufzuklären."
Weiter betonte er, dass CAFTA den Bauern in Segovia keine Vorteile bringt. "Im Gegenteil, CAFTA wird Klein- und Mittel-Bauern zur Aufgabe zwingen, weil sie nicht in der Lage sind, mit den Produzenten in den USA, die von ihrer Regierung Subventionen erhalten, zu konkurrieren."
Er rief die Regierung auf, dem Agrarsektor wesentlich mehr finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen und damit Arbeitsplätze zu schaffen. "Wir haben hier arbeitswillige Menschen und fruchtbares Land. Was uns fehlt, ist finanzielle und technische Unterstützung," sagte er.
Nostalgisch erinnerte er an die üppigen Ernten, die hier einst eingefahren wurden. Er wies darauf hin, dass die Region in den 80er Jahren, als die Sandinisten an der Regierung waren, das Land mit einer Milliarde Pfund (1 brit. Pfund = 454 gr.; d. Übers.) Mais und Bohnen versorgt hat, trotz Krieg und US-Handelsembargo. In diesem Jahr wurden in der Region von den 7000 Morgen fruchtbaren Landes nur 2000 für den Anbau verwendet und darauf nur 300 000 Pfund Mais geerntet. Der Grund dafür ist, dass die meisten Kleinbauern in dem Gebiet nicht die wirtschaftlichen Rücklagen haben, um auf ihren Feldern anzubauen.
Zu den Maismarkt-Veranstaltungen gehören auch Volkstänze, Ausstellungen mit regionalem Kunsthandwerk und Blumen-, Obst- und Gemüsestände. Das Ganze wird vom Nationalen Technologischen Institut, vom Institut für ländliche Entwicklung sowie von mehreren nationalen und internationalen NGOs gesponsert. Von der Regierung erhielten die Veranstalter keine Unterstützung. (El Nuevo Diario, 21. 9. 04)
Arbeiter protestieren gegen Pläne, die Sozialversicherung zu reformieren
Eine Gruppe von Arbeitern des Nicaraguanischen Sozialversicherungsinstituts (INSS) führten vor der Nationalversammlung eine Protestaktion durch, bei der sie deutlich machten, dass sie die Ankündigung des Ersten Vizepräsidenten der Nationalversammlung WilfredoNavarro ablehnten, die Einrichtung zu reformieren und dabei die Handhabung der Gelder selbst zu übernehmen. Etwa 360 000 Arbeitern wird monatlich ein bestimmter Betrag von ihrem Lohn für die Sozialversicherung abgezogen; dafür sind sie begrenzt unfallversichert, und dafür wird ihnen, wenn sie mindestens 20 Jahre lang in die Sozialversicherung eingezahlt haben, eine Pension zugesichert.
Die Demonstranten, es waren mehr als 200, händigten dem Ersten Sekretär Miguel Lopez Baldizón ein Papier aus, in dem sie die Nationalversammlung aufforderten, Gesetze zu beschließen, die eine Verbesserung des Sozialversicherungssystems vorsehen, aber Navarros Vorschläge abzulehnen. Sie übergaben Lopez auch ein Sparschwein aus Ton und sagten, "es wäre ihnen lieber, dass Navarro dieses Sparschwein zerschmettert als das Sparschwein INSS," denn sie halten die Sozialversicherung für bedroht, wenn sie dem ersten Vizepräsidenten übergeben wird.
Navarro behauptet, die Arbeiter seien von der INSS-Präsidentin Edda Callejas manipuliert worden, die ihnen, wie er sagt, Angst gemacht hätte, dass ihre Arbeitsplätze durch die Reformen gefährdet seien. "Die einzige Person, deren Arbeitsplatz bedroht ist, ist Edda Callejas …," und er fügte hinzu: "Aus Sicht eines Gentleman (sic) ist es problematisch, diese Dinge mit einer Lady diskutieren zu müssen."
Navarros Annahme, die Arbeiter seien von Callejas manipuliert worden, entspricht nach dem, was die Demonstranten auf der Straße gestern sagten, nicht der Wahrheit; sie sagten der INSS-Präsidentin ihre Unterstützung zu. "Was wir ablehnen, ist diese Vertuschung," sagte Claudio Sequeira, Sprecher des Komitees Für die Verteidigung der Sozialversicherung. "Wir sind für Reform, aber sie muss unter Beteiligung des gesamten öffentlichen Sektors erfolgen, und die 360 000 NicaraguanerInnen, die jeden Monat einzahlen, müssen in die Debatte einbezogen werden." (El Nuevo Diario, Radio Ya!, 21. 9. 04)
Nicaraguanische Zivilgesellschaft diskutiert mit ENACAL-Direktor über Privatisierung der Wasserversorgung
Am Donnerstag, 24. September, fand eine Protestaktion statt, die von 15 Gruppen und Verbänden der Zivilgesellschaft organisiert war und zum Ziel hatte, die Aufmerksamkeit auf die Pläne der Regierung zu lenken, die, wie sie glauben, darauf hinauslaufen, dass die Wasserversorgung privatisiert wird. Obwohl sich wesentlich weniger Menschen als erwartet am Sit-in vor dem Zentralbüro von ENACAL, der öffentlichen Wasserversorgungs-Gesellschaft, beteiligten, gelang es einer Gruppe von 50 Demonstranten, die zur nicaraguanischen Zivilgesellschaft gehören, ENACALs Präsidenten Luis Debayle dazu zu bringen, mit ihnen zu reden; um das zu erreichen, griffen sie zu starken Protestformen; u.a. benutzten sie selbstgebastelte Mörser (allerdings wurde niemand verletzt).
Am Mittwoch, im Vorfeld der Protestaktion, lud Debayle zu einer Pressekonferenz ein, auf der er behauptete, dass die geplante Übergabe der Kontrolle beachtlicher Bereiche und Verantwortlichkeiten der Gesellschaft für einen Zeitraum von fünf Jahren an eine ausländische Gesellschaft keineswegs eine Privatisierung der Gesellschaft bedeute. Er stimmte dem Nicaraguanischen Netzwerk für Verbraucher-Interessen zu, dass entsprechend der Verfassung der Republik "es unmöglich sei, ENACAL zu privatisieren, denn dabei handle es sich um eine öffentliche Gesellschaft, die eine für die Zukunft Nicaraguas vitale Einrichtung sei." Weiter sagte er: "Ich weiß nicht, was diese Organisationen damit erreichen wollen, dass sie die nicaraguanische Bevölkerung in all das hineinziehen; scheint's wollen sie eine Art Anarchie einführen, so dass die Leute ihre Wasserrechnungen nicht mehr bezahlen." Daraufhin forderte der Präsident von ENACAL die Organisationen heraus, indem er sie aufforderte, für die angebliche Privatisierung rechtsgültige Beweise vorzulegen.
Ruth Herrera, Koordinatorin des Netzwerks für Verbraucherinteressen, nahm die Herausforderung des Präsidenten von ENACAL an, indem sie wiederholte, dass es bei dem, was derzeit diskutiert wird, nach ihrer Überzeugung um die Privatisierung der Gesellschaft ginge und dass es sich dabei um einen "sehr ernst zu nehmenden Fall handle, da das eine Verletzung der Verfassung darstelle, und dass damit eine der letzten dem Staat verbliebenen Natur-Ressourcen herausgelöst wird. Wir nehmen Debayles Herausforderung an und fordern eine öffentliche Debatte zum Thema."
Im Zusammenhang mit dieser hitzigen Auseinandersetzung trafen sich am Donnerstag im Zentralbüro von ENACAL Mitglieder der nicaraguanischen Zivilgesellschaft mit Debayle. Man kam überein, dass die Gruppen ein kleines Büro im ENACAL-Gebäude erhalten; auf diese Weise werden sie in der Lage sein, den Prozess, der ihrer Meinung nach auf Privatisierung hinausläuft, aus der Nähe zu kontrollieren, und gleichzeitig können sie Verbesserungen erreichen in der Art und Weise, wie die Gesellschaft mit Kunden verfährt, die kommen, um sich über bestimmte Dinge zu beschweren; sie können ihnen garantieren, dass sie respektvoll behandelt werden und rasch eine Antwort erhalten. (La Prensa, El Nuevo Diario, 23. 9.04; El Nuevo Diario, Radio Ya! 24. 9. 04)
Anzahl Unmündiger, die als Haushalts"sklaven" arbeiten, ist unbekannt
Die Psychologin Guiselle Falcon, die für das internationale Institut zur Förderung des Human-Bereichs (Inprhu) tätig ist, berichtete, die nicaraguanische Regierung sei nicht in der Lage festzustellen, wie viele Minderjährige als Dienstmädchen in Privathaushalten beschäftigt sind; sie fürchtet, dass es sich um eine extrem hohe Anzahl handelt. Die Mehrheit dieser Kinderarbeiter sind Mädchen, viele von ihnen erst dreizehn Jahre alt. Oft stammen sie vom Land oder aus den Armenvierteln der Städte. Sie können von ihren Familien nicht unterstützt werden und sind deshalb gezwungen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, indem sie in Managua und anderen großen Städten in den Häusern Reicher arbeiten.
Die Bedingungen, unter denen diese Jugendlichen zu arbeiten gezwungen sind, "können mit Sklaverei verglichen werden," fügt die Psychologin hinzu. Dienstmädchen müssen oft um 5 Uhr früh mit der Arbeit beginnen und kommen erst um 11 Uhr nachts oder später zu Ruhe, wenn alles im Hause schläft. Fälle von verbaler, physischer oder sexueller Misshandlung sind verbreitet, so Falcon, die mit 140 jungen weiblichen Bediensteten gearbeitet hat.
"Von diesen 140 Mädchen, mit denen ich gearbeitet habe, haben 15 unter physischer Misshandlung gelitten und mindestens zwei waren Opfer von Vergewaltigungen seitens Mitgliedern der Familie, in deren Haus sie arbeiten."
Falcon und andere Mitarbeiter von Inprhu weisen darauf hin, dass das Arbeitsministerium diese ernstzunehmenden Fälle von Kinderarbeit kennt, aber nichts unternimmt, um die Vorfälle zu untersuchen. Damit überlässt es Tausende junger Menschen der Hemmungslosigkeit und Ausbeutung seitens ihrer Arbeitgeber. (La Prensa, 24. September)
Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Paul Baker Hernandez.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Agnes Bennhold, Rudi Kurz.
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