Meldungen aus Nicaragua vom 30.08.2004
- Bolaños Challenges Other Branches of Government
- Protestaktionen in Costa Rica beleben Anti-CAFTA-Bewegung
- Ministerium verantwortlich für Verbreitung von Pestiziden
- Texaco Refusing to Clean up Oil Spillage
- Ortega: 'Alemán Pawn in Government Game'
- Model Prison a "Time bomb"
- Pastora legt Tempo vor
- "Sixth Sense" Wins International Prize
Protestaktionen in Costa Rica beleben Anti-CAFTA-Bewegung
"Das kommt unerwartet," sagte eine nicaraguanische Beobachterin, als Zeitungen und Fernsehen über die massiven Proteste im benachbarten Costa Rica gegen das Freihandelsabkommen berichteten. "Die "Ticos" waren lange Zeit eines der friedlichsten Völker Lateinamerikas. Wenn man sich von Nicaragua nach Costa Rica begab, so hatte man - im Hinblick auf politische Wirren und allgemeine soziale Unruhen - das Gefühl, dass man im Flugzeug aus einem Gewitter in klaren blauen Himmel hineinflöge. Und nun dieses." Sie bezog sich dabei auf die mehrtägigen lautstarken Proteste, mit denen Costa Ricaner verschiedenster Provenienz durch die Straßen zogen und die Regierung aufforderten, die kürzlich unterschriebene Vereinbarung zurückzunehmen, durch die das Land CAFTA beitritt, der Zentralamerikanischen Freihandelsvereinbarung, die demnächst im US-Kongress und den anderen Parlamenten der Region ratifiziert werden soll.
Anlass der Proteste war ein internationaler Zugriff auf ihre Autos, worin sich Costa Ricas relativer Wohlstand im Vergleich zu allen anderen zentralamerikanischen Ländern zeigt. Anders als in Nicaragua oder El Salvador, wo es im Hinblick auf die Gefahren durch CAFTA um die Verarmung von Kleinbauern oder - in zunehmendem Maße - um die Kontrolle des Trinkwassers geht, gehen die Costa Ricaner gegen die monopolistischen Praktiken von Riteve S und C auf die Straße, einer spanischen international agierenden Firma, die kürzlich von der Regierung beauftragt wurde, die Verkehrssicherheit von Autos zu überprüfen. "Riteve stellt einerseits unvernünftige Anforderungen im Hinblick auf alles, was ein Auto braucht, andererseits verlangen sie für die Überprüfung ungeheuer viel Geld", lautet die Beschwerde, die man häufig von allen möglichen Leuten hört, von Transportfirmen und Kollektiven ebenso wie von privaten Autobesitzern, Studenten, Bauern und vielen anderen.
Aber auch wenn diese verhältnismäßig privilegierte Position Ausgangspunkt der Proteste war, hat der Anti-Riteve-Funke einen massenhaften Widerstand gegen das gesamte System der Freihandels-Vereinbarung angefacht. Zwar fanden die Hauptprotest-Aktionen im Zentrum der Hauptstadt San José vor dem Gebäude der Nationalversammlung statt, aber auch in anderen Teilen der Stadt, ja überall im Land haben kleinere Gruppen von Studenten, Taxi-Fahrern und Bewohnern der Gegend die Straßen blockiert. Eine Zeitlang waren die Provinzen Puntarenas im Westen und Guanacaste im Norden völlig von der Verbindung über Land mit der Hauptstadt abgeschnitten.
"Unser Präsident Abel Pacheco vertritt ausländische Interessen und nicht die seines Volkes," erklärte Hector Ugalde, einer der Tausenden, die in den Straßen protestierten. "Er steht an der Spitze einer Regierung, die etwas völlig Verfassungswidriges tut: Sie lässt zu, dass sich ein privates Monopol breit macht. Dieses Riteve-Geschäft ist ein großer Schwindel, und das Gleiche gilt für das ganze Freihandelsabkommen." Seine Meinung war die vieler Tausender, und sie wurde auch sehr eloquent von Isabel Araya, einer älteren Bürgerin im Ruhestand, geäußert: ""Ich bin hier, weil ich gegen die repressive Politik unserer Regierung bin," sagte sie. "Die Regierung hört nicht auf uns. Sie hat vergessen, wo die Interessen der Leute liegen, und dient nur den Interessen des privaten Monopols." Von Regierungsseite hört man als Antwort, dass, würde Costa Rica den Vertrag mit Riteve für ungültig erklären, das Land der Firma, nach internationalen Handelsvereinbarungen, mehrere Millionen Dollar Entschädigung zahlen müsste. (El Nuevo Diario, La Prensa, Radio La Primerísima, Radio Ya, Channel 2, 4, 8 TV, 17. August)
Ministerium verantwortlich für Verbreitung von Pestiziden
Das Humboldt-Zentrum, Nicaraguas anerkannteste Umwelt-NGO, wies nachdrücklich darauf hin, dass MAG-FOR, das Ministerium für Land- und Forstwirtschaft, dafür verantwortlich ist, dass alle möglichen Pestizide, von denen bekannt ist, dass sie für Menschen und andere Lebewesen schädlich sind, überall im Land verwendet werden. MAG-FOR hat die Aufgabe, alle Pestizide, die in Nicaragua benutzt werden, zu registrieren. Um diese Aufgabe sachgerecht durchführen zu können, muss sie sich auf die Berichte des Gesundheits- und des Umweltministeriums (MINSA bzw. MARENA) über die möglichen, auch künftigen, toxischen Folgen jeder Substanz stützen. Laut Julio Sánchez Gutiérrez vom Humboldt-Zentrum, versäumt MAG-FOR ständig, das zu tun. Das Humboldt-Zentrum betont, dass die unmittelbare Folge dieses Versäumnisses ist, dass das MINSA 74% der von MAG-FOR akzeptierten Pestizide nicht akzeptiert und dass MARENA sogar 81% der von MAG-FOR gut geheißenen Pestizide ablehnt.
"Das bedeutet," sagte Sánchez, "dass MAG-FOR nicht in der geforderten Weise die möglichen Folgen dieser Substanzen für Nicaraguas Bevölkerung untersucht. Dabei haben wir gerade jetzt, gerade hier die Auswirkungen eines solchen in der Vergangenheit erfolgten Kavaliersdelikts vor uns - die Bananenarbeiter, die in so schrecklicher Weise durch Nemagon geschädigt wurden, und die Arbeiter auf den Zuckerplantagen, die ähnlich betroffen sind. Wir wissen, dass sich pro Jahr mindestens 70 000 Menschen durch den Gebrauch von Pestiziden vergiften und ärztliche Hilfe brauchen." "Pestizid-Vergiftung ist Nicaraguas drittgrößtes Gesundheitsproblem," fuhr er fort, und unser schwaches Gesundheitssystem muss jedes Jahr mehrere Millionen Dollar ausgeben, um den Opfern zu helfen. Aufgrund der Fortschritte, die bei der Pflege von Pflanzen erzielt wurden, zum Beispiel durch organischen Anbau, könnte auf einige der gebräuchlichsten Substanzen, wie zum Beispiel das allgemein verwendete MTD (metamidofos), ganz verzichtet werden. Es ist Zeit, dass sie ganz aus dem Verkehr gezogen werden."
Das Humboldt-Zentrum fordert zusammen mit anderen Umwelt-Gruppen und sogar zusammen mit einigen Regierungsstellen MAG-FOR auf, die jüngst vorgenommene Genehmigung einer Gruppe von 12 Pestiziden, bekannt als das "verdammte Dutzend", zurückzuziehen. "Wir vertrauen darauf, dass Minister Navarro den Beschluss widerruft und zumindest, als Minimalzugeständnis, die Empfehlungen akzeptiert, die die Nationale Kommission für Pestizide herausgab," schloss Sánchez. (La Prensa, 30. August)
Pastora legt Tempo vor
Eden Pastora, legendärer Guerilla-Kommandant und später Konterrevolutionär, der größtes Aufsehen erregte, beteiligt sich am Wettlauf seiner einstigen Kampfgefährten um den Posten des Bürgermeisters von Managua. Als er seine Kandidatur ankündigte, sagte der inzwischen grau gewordene Veteran, im Gegensatz zu allen anderen Bewerbern kandidiere er auf der "Wahlliste der Armen". Das heißt, er werde sein eigenes Haus als Operationsbasis, als "Wahlkampf-Haus" benutzen, und seine gesamte Wahlkampagne werde weniger als 30 000 US-Dollar kosten. "Während die Nicaraguaner überall gegen ihre massive Verarmung kämpfen," sagte er, "geben die Politiker für ihren üppigen Wahlkampf mehrere hunderttausend Dollar aus. Wie können sie da behaupten, sie würden die Interessen der einfachen Leute vertreten, von denen die meisten mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen müssen?"
Pastora, heute Anfang sechzig, ist immer noch eine der umstrittensten Gestalten der Revolution. Als "Kommandant Cero" führte er die FSLN-Truppen an, die im Süden Nicaraguas gegen die Diktatur Somozas kämpften, leitete den berühmten Angriff auf Somozas Nationalversammlung und nahm deren Mitglieder als Geiseln; anschließend wurde durch Verhandlungen erreicht, dass Daniel Ortega und andere bekannte Personen das Gefängnis verlassen und sicher ausreisen konnten. Auch während des Contra-Kriegs führte er zunächst weiterhin FSLN-Truppen gegen die von den USA unterstützten Konterrevolutionäre, wechselte dann jedoch die Seite, floh nach Costa Rica und kämpfte von dort aus weiter, aber auf Seiten der Contra-Truppen gegen die revolutionäre Regierung. Nach der Unterzeichnung der Friedensverträge und nachdem Violeta Chamorro ihr Amt angetreten hatte, kehrte er zurück und führte in Managua ein mehr oder weniger ruhiges Leben, aber seine Stimme war immer wieder zu hören, mal leiser, mal lauter, wenn er seinen einstigen Kriegskameraden auf beiden Seiten Betrug an der nicaraguanischen Bevölkerung vorwarf. Erst vor zwei Jahren machte er in der nationalen Presse Schlagzeilen, als er dort darauf hinwies, dass er arm sei, denn wegen seiner grundsätzlichen Einstellung habe er jede Form der Selbstbereicherung, wie sie in den Jahren der Revolution möglich gewesen wäre, abgelehnt; er betonte noch einmal, das sei "in eindeutigem Gegensatz zu Ortega und vielen anderen angeblichen Revolutionären" geschehen.
Pastora kandidiert für die Unabhängige Liberale Partei, eine der ältesten politischen Gruppierungen Nicaraguas. Sie gehört seit kurzem zu dem Parteienbündnis, das von Arnoldo Alemáns Liberal Konstitutionalistischer Partei (PLC) beherrscht wird. Als Antwort auf Fragen in der Presse sagte er, er erwarte, dass er Stimmen aus allen Parteien erhielte, aber vor allem aus der PLC und der Sandinistischen Front. "Wir dürfen die Zwei-Parteien-Diktatur nicht länger hinnehmen," erklärte er. "Die Bevölkerung verdient eine ehrliche und transparente Regierung. Die meisten Nicaraguaner haben das, was hier politisch geschieht, satt. Sie wollen jemanden, der für sie alle spricht, der Managua für alle Bewohner Managuas verwaltet, nicht nur für die wenigen Reichen." Als Zeichen für die Sauberkeit seines Wahlkampfes schloss er mit den Worten: "Wir lassen den Platz nicht als Müllhalde zurück wie alle anderen, keine hässlich aufgemalten Sprüche an öffentlichen Gebäuden, keine Papiergirlanden, -fähnchen oder -wimpel. Am Ende jedes Wahlkampftags räumen wir unseren Müll weg."
Es wurde bekannt, dass Alejandro Fiallos, einer von Pastoras Konkurrenten im Wahlkampf, gegen Kaution freigelassen wurde. Er war in der vergangenen Woche unter dem Vorwurf des Betrugs und des Missmanagements verhaftet worden, ein Vorwurf, den viele für ein politisches Manöver hielten, durch das er aus dem Rennen genommen werden sollte. Er machte sich sofort wieder als Wahlkämpfer auf den Weg, wobei er, wie Zyniker bemerkten, an nationalem Profil "beachtlich gewonnen" habe. (Channel 8 TV, Radio La Primerísima, Radio Corporación, 28. - 30. August)
Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Paul Baker Hernandez.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Agnes Bennhold, Rudi Kurz.
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