Meldungen aus Nicaragua vom 03.10.2005

  1. PLC und FSLN setzen Prozess zur Aufhebung der Immunität fort
  2. Richter und Rechtsanwälte stahlen 609.000 US-$ vom Konto des Obersten Gerichts
  3. Political conflict with Costa Rica emerges over Rio San Juan
  4. FSLN councilors in RAAS support Lewites
  5. Vizepräsident tritt zurück, um sich seiner Wahlkampagne zu widmen
  6. Judges worried by recent cases of violence in courtrooms
  7. Journalists concerned about development of Olivas' murder case
  8. Human Rights Commission seeks Family Life Regime for 400 prisoners

PLC und FSLN setzen Prozess zur Aufhebung der Immunität fort

Trotz des Drucks von Seiten der internationalen Gemeinschaft, die Sache nicht weiter zu verfolgen, setzten die Mehrheitsparteien den Prozess zur Aufhebung der Immunität von Mitgliedern der Regierung in dieser Woche fort. Am 28. September stimmten die Abgeordneten der Liberal-konstitutionalistischen Partei (PLC) und der Sandinistischen Partei (FSLN) für die Vorschläge, die Immunität von vier weiteren Mitgliedern aus dem Kabinett von Präsident Bolaños aufzuheben: Bildungsminister Miguel Engel Garcia, Umweltminister Arturo Harding, Vize-Finanzminister Fausto Carcabelos und Vize-Umweltminister Leonardo Somarriba. Diese vier gehören jetzt genauso wie den Minister der Regierung, Julio Vega, und der Land- und Forstwirtschaftsminister Mario Salvo zu der Liste der Angeklagten im Gerichtsprozess zu dem Betrugsskandal im Rahmen der Wahlkampagne, der am 27. September offiziell von Richter David Rojas eröffnet wurde. Die letzte Möglichkeit zu einer Erörterung und zur Entscheidung des Parlaments in diesem Fall ist der Bericht der Sonderkommission, der die Aufhebung der Immunität von Präsidenten Bolaños empfiehlt, obwohl keine der Mehrheitsparteien bisher den Termin bestätigt hat, zu dem dieser Vorschlag in der Nationalersammlung auf der Tagesordnung steht.

Bevor die Abstimmung im Parlament stattfand, hatte sowohl die Organisation der amerikanischen Staaten (OAS) als auch die US-Botschaft in Nicaragua die Vorgänge verurteilt und den Mehrheitsparteien dazu geraten, den Prozess der Aufhebung der Immunität nicht fortzusetzen. Am 26. September traf sich Dante Caputo, der Gesandte der OAS mit speziellem Auftrag in Nicaragua, mit der Tochter des früheren Präsidenten Maria Dolores Aleman und und führenden Politiker der PLC von Arnoldo Aleman. In diese Sitzung hatte Caputo dazu geraten, den Prozess zur Aufhebung der Immunität auszusetzen und sagt, "es ist nicht klug, noch mehr Öl in das Feuer zu gießen". Der OAS-Delegierte versuchte, die PLC zu ermutigen, die Bereitschaft zur Teilnahme an einem Dialog zwischen den Mehrheitsparteien und der Regierung zu erklären. Caputo bot an, als ein "regionaler Zeuge" am Dialog teilzunehmen.

Im Laufe der Woche drückten sowohl die Mehrheitsparteien als auch die Regierung ihre Bereitschaft aus, an einem nationalen Dialog teilzunehmen. Unmöglich blieben die Verhandlungen bisher, weil sich beide Seiten nicht mit den gestellten Bedingungen vor der Aufnahme des Dialogs einverstanden erklären konnten, was konkret bedeutet, dass die tatsächliche Aufnahme von Verhandlungen unmöglich blieb. Während die Regierung auf der Aussetzung der Aufhebung der Immunität vor der Aufnahme eines Dialogs besteht, sagten die Mehrheitsparteien, dass dies unmöglich ist. Daniel Ortega, der führende Politiker der Sandinistischen Partei, sagt, dass er "keinen Grund sehe warum die Frage der Aufhebung der Immunität in dieser Weise in den Dialog aufgenommen werden solle".

Präsident Bolaños bevollmächtigte inzwischen sechs Mitglieder seines Kabinetts dazu, in einer speziellen Mission zum Hauptquartier der interamerikanischen Menschenrechtskommission (IAHRC) der OAS nach Washington zu reisen, um die "politische Verfolgung und Übertretung von Menschenrechten anzuprangern, die von den Mehrheitsparteien und einer politisierten Justiz betrieben werden". Die sechs Minister reisten am 27. September um 12:30 Uhr in die USA, obwohl am selben Tag für 10:45 Uhr von Richter David Rojas eine gerichtliche Untersuchung gegen zwei der Minister, Julio Vega und Mario Salve, eröffnet worden war. Dafür war in der letzten Woche von der Nationalversammlung deren Immunität aufgehoben worden.

Vor der Reise nach Washington hatten diese sechs Mitglieder des Kabinetts an einer vom Präsidenten Bolaños geführten Pressekonferenz teilgenommen, bei der auch mehreren Mitgliedern des Kabinetts und der Leiter der Nationalen Polizei und der nicaraguanischen Armee beteiligt waren. Vega sagte den Medien während der Pressekonferenz, "wir wollen in Washington anprangern, dass die nicaraguanische Justiz in die Hände der politischen Parteien gefallen ist".

Als die sechs Männer von dem Generalsekretär des IAHRC, Santiago Canton, empfangen wurden, erklärten sie am 29. September die "sensible Situation" in Nicaragua, die nach ihrer Meinung einen "Staatsstreich darstellt, der in Zeitlupe stattfindet und durch juristischen Terrorismus unterstützt wird". Canton versprach, "ein sehr nahe Beobachtung der Situation in Nicaragua durchzuführen" und erwägt, eine spezielle Mission von Experten nach Managua zu senden, um die Krise vor Ort zu analysieren.

Ein Unterkomitee im US-Repräsentantenhaus stimmte inzwischen einer Resolution zu, die US-Präsidenten George Bush eingebracht hatte, um "den demokratischen Prozess in Nicaragua aktiv zu unterstützen". In der Resolution, die vom Sub-Komittee für die westliche Hemisphäre verabschiedet wurde, heißt es, dass die USA "eine unmittelbare und totale Wiederherstellung der Demokratie in Nicaragua unterstützen wollten", und den Liberal - Sandinistischen Pakt verurteilen, "der den demokratischen Prozess nicht respektiert und die Sicherheit der ganzen Region bedroht". Der Vorsitzende des Unterausschusses, Dan Burton, unternahm letzter Woche eine kurze Reise nach Nicaragua, bei der er die Fortsetzung des Dialogs und die Beendigung des Prozesses zur Aufhebung der Immunität verlangte. Die Resolution wird jetzt vom internationalen Komitee für auswärtige Beziehungen erörtert. Sollte dieser Ausschuss für die vorgeschlagene Resolution stimmen, wird sie zur weiteren Diskussion an das US-Repräsentantenhaus weitergeleitet. (…) (La Prensa, 27.+28.09, 30.09.+1.10., El Nuevo Diario 28.+29.09., 2.10., Radio la Primerisima, 28.09., Radio Liberacion Esteli, 29.+30.09.)
Siehe auch New York Times vom 06.10.05

Richter und Rechtsanwälte stahlen 609.000 US-$ vom Konto des Obersten Gerichts

Eine anonyme Quelle mit Verbindungen zum Obersten Gericht in Nicaragua behauptete, dass am 28. September bei einer Überprüfung von einem Bankkonto des Obersten Gerichts festgestellt worden sei, dass 609.000 US-$ mit einem vom Präsidenten des Gerichts Manuel Martinez unterzeichneten Scheck von einer Gruppe von Rechtsanwälten und Richtern gestohlen wurden, von denen drei beim Gericht arbeiten. Dieses Geld war den Kolumbianern Luis Angel Gonzalez und Leyla Bucardo im April 2004 abgenommen worden, nachdem diese wegen Geldwäsche festgenommen worden waren. Im Mai 2004 wurden diese zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt und das Geld wurde auf einem Konto des Obersten Gerichts sichergestellt.

Im August dieses Jahres hatte das erste Berufungsgericht in Masaya, das von Richtern der liberalen Partei dominiert wird, die zwei Kolumbianer wieder frei gelassen und ihre Festnahme für illegal erklärt. Die Berufung beim ersten Strafgericht in Managua wurde zugelassen und Richter Moises Rodriguez wurde zum Richter für den Fall ernannt. Die Berufung erreichte die Verfassungskammer des Obersten Gerichts am 5. September und ab diesem Zeitpunkt beginn die Sache verwirrend zu werden. Eine Mehrheit der Richter der Verfassungskammer unterschrieben die Entscheidung, die zwei Kolumbianer frei zu lassen und ihnen die beschlagnahmten 609.000 US-$ zurückzugeben, obwohl diese Richter jetzt behaupten, das Dokument nicht unterschrieben zu haben. Die angeblich von diesem Gericht ausgestellte Bescheinigung, die die Rückgabe des Gelds ermöglichte, wurde am 6. September zu Manuel Martinez, dem Präsidenten des Gerichts, gebracht, der einen Scheck unterschrieb, der die Rückgabe des Geldes von dem Konto ermöglichte. Der Scheck wurde für Luis Angel Gonzalez ausgestellt. Am Tag, als das Geld abgehoben wurde, war Gonzalez jedoch noch nicht aus dem Gefängnis freigelassen worden.

Die anonyme Quelle versicherte der Presse, dass das Geld illegal von einer Gruppe von mindestens sechs Personen die mit dem Fall in Verbindung stehen, abgehoben und dann aufgeteilt wurde. Drei von den sechs Personen seien beim Obersten Gericht beschäftigt. Die Details des Falles tauchen erst langsam auf, aber klar ist inzwischen, dass das Geld nirgends zu finden ist und niemand die Schuld übernehmen will. (La Prensa, 29.+30.09, El Nuevo Diario, 1.10., Radio Ya!, 1.10.)

Vizepräsident tritt zurück, um sich seiner Wahlkampagne zu widmen

Der Vizepräsident von Nicaragua, Jose Rizo Castellon, übergab am 27. September seine Rücktrittserklärung der ersten Sekretärin der Nationalversammlung, Maria Dolores Aleman. Rizo entschied sich für den Rücktritt, um sich vollständig seiner Wahlkampagne für die Präsidentschaft im Rahmen der Parlamentswahlen des nächsten Jahres zu wiedmen, bei denen er als Kandidat der liberal-konstitutionalistischen Partei (PLC) antreten will. Er bat die Abgeordneten darum, sobald wie möglich einen neuen Vizepräsidenten zu wählen.

Der neue Vizepräsident wird von den Abgeordneten der Nationalversammlung mit einer einfachen Mehrheit von 47 Stimmen gewählt. Die Stimmen werden auf die von den politischen Parteien als Kandidaten ernannten Mitglieder der Nationalversammlung vergeben. Die PLC scheint dazu entschlossen zu sein, den Liberalen und PLC-Dissidenten Jaime Cuadra Somarriba als ihren Kandidaten zu unterstützen, obwohl dessen Gesundheit durch einen Schlaganfall Anfang des Jahres schwerwiegend beeinflusst wurde und er kaum reden kann.

Cuadra sitzt in der Versammlung als Abgeordneter für die blau-weiße Fraktion (Unterstützer von Bolaños). Arnoldo Aleman, der frühere Präsident und führende Politiker der PLC, bezeichnete ihn am 27. September als "einen wahren Liberalen", als er gefragt wurde, wer sein bevorzugter Kandidat wäre. Der Vertreter der sandinistischen Fraktion, Jose Figueroa, warnte davor, dass Aleman Cuadra nur deshalb als Vizepräsident vorschlage, weil er dadurch die Mehrheit der PLC im Parlament erhöhen könne. Sollte Cuadra gewählt werden, würde ein Mitglied der PLC sein Abgeordneten-Mandat übernehmen. Es wird davon ausgegangen, dass Augusto Valle, ein anderer blau-weißer Abgeordneter und ein guter Freund von Cuadra, seine Position in der Nationalversammlung verlassen würden, um Cuadras Assistent als Vizepräsident zu werden. Seine Position würde dadurch ebenfalls von einem PLC-Mitglied übernommen. Auf diese Art würde die Zahl der PLC-Abgeordneten um zwei auf 45 steigen, wodurch nur noch 2 Abgeordnete zu der einfachen Mehrheit (47 Abgeordneten) fehlen würden. Figueroa vertrat die Ansicht, dass Aleman plane, diesen Vorteil zu nützen, um ein Amnestiegesetz zu erlassen, das ihn und andere wegen Betrugs- und Geldwäscheskandalen angezeigten Mitglieder der PLC von der weiteren Verfolgung befreien würde.

Die Parteien haben nun Zeit, um ihre Kandidaten zu benennen, aber es gibt Pläne, dass die Abstimmung schon bald, vielleicht in dieser Woche, stattfinden soll. (La Prensa, 28. + 30.09., El Nuevo Diario, 1.10.)

Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Hannah Given-Wilson.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
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