Meldungen aus Nicaragua vom 05.09.2005

  1. Bolaños fürchtet nach unerwarteter Entscheidung des Obersten Gerichts technischen Staatsstreich
  2. Pressure on Ortega to forsake immunity
  3. Sorge wegen möglichem Einflusses von Drogengeldern auf die Wahlen an der Atlantikküste
  4. Bolaños will sich mit Hugo Chavez treffen
  5. Dole Food Company: Nicaraguan judicial system is corrupt
  6. Taxi Driver accused of journalist's murder had previous accusations
  7. Use of agro chemicals in Nicaragua falls
  8. Exciting new project aims to generate electricity from garbage

Bolaños fürchtet nach unerwarteter Entscheidung des Obersten Gerichts technischen Staatsstreich

Die Führer der Mehrheitsparteien - der Sandinistischen Partei (FSLN) und der Liberal-konstitutionalistischen Partei (PLC) taten alles, um ihr neuesten Planungen geheim zu halten. Deshalb war es auch ein Schock für die Presse des Landes, als der Präsident des Obersten Gerichts, Manuel Martinez, am 30. August ankündigte, "das Gericht hat entschieden, dass von diesem Moment an ein Teil der von der PLC und der FSLN vor einigen Monaten beschlossenen Reformen der Verfassung in Kraft gesetzt werden. Die sechs öffentlichen Beamten, die als Leiter für die öffentlichen Dienste im Rahmen des neu gegründeten Aufsichtsinstitute (SISEP) gewählt wurden, werden ab sofort ihre Arbeit beginnen." Der Teil der Reformen, den das Gericht nicht in Kraft gesetzt hat, war ein Ausschnitt des Gesetzes, in dem es hieß, dass die Abgeordneten der Mehrheitsparteien allein dafür verantwortlich sein sollten, über die Kandidaten für diese offiziellen öffentlichen Positionen abzustimmen. Martinez fuhr mit der Warnung fort, dass wenn die Entscheidung des Obersten Gerichts nicht akzeptiert werde, dies zu einer Anklage führen könne.

Diese Entscheidung war jedoch nicht alles, Martinez informierte auch die Presse darüber, dass das Verfassungsgericht des Obersten Gerichts in Bezug auf eine frühere richterliche Anordnung von Roxana Zapata entschieden habe, dass dem früheren Präsidenten und verurteilten Verbrecher Arnoldo Aleman die so genannte "Teilnahme am Familienleben" zu erlauben sei. In Folge der Entscheidung ist das Ministerium für Verwaltung verpflichtet, die neuen Einschränkungen, die Aleman für seinen Hausarrest in seinem Besitz "El Chile" auferlegt worden waren, wieder zu lockern. Das Verfassungsgericht wird von drei Liberalen und drei Sandinistischen Richter gebildet. Zwei der Sandinisten, Rafael Solis und Roger Camilo Arguellos, waren am Tag der Abstimmung krank, während sich der Dritte, Francisco Rosales, auf einer Auslandsreise befand. Dies bedeutete, dass die liberalen Richter drei andere Richter auffordern mussten, bei den Entscheidungen des Gerichts an diesem Tag abzustimmen. Die drei zusätzlichen Richter, die sie ausgewählt hatten, waren Liberale.

Es wurde später bekannt, dass im obersten Wahlrat (CSE) eine andere bedeutsame Entscheidung getroffen worden war. Der Liberale Roberto Rivas und der Sandinist Emmet Lang waren als Präsident und Vizepräsident des Wahlrates wieder gewählt worden durch eine einstimmige Entscheidung von allen Mitgliedern des CSE. Anonyme Quellen mit Verbindungen zum CSE informierten die Presse, dass Rivas und Lang als das Ergebnis einer politischen Vereinbarung wieder gewählt worden seien, nach der es die Sandinisten ermöglichten, dass Aleman für zwei weitere Jahre die "Teilnahme am Familienleben" gewährt werde, während Rivas und Lang weiterhin die Führung im CSE innehaben.

Diese unerwarteten Entscheidungen am 30. August im juristischen Bereich und beim Wahlrat gelten als Beweise dafür, dass der Liberal - Sandinistische Pakt immer noch lebendig ist. Die Entscheidungen waren auch schlechte Nachrichten für Oliver Garza, den Übergangs-US-Botschafter mit dem Auftrag, den Pakt aufzudröseln und somit einen rechtsorientierten Sieg bei den Parlamentswahlen 2006 zu garantieren. Am Nachmittag desselben Tages veröffentlichte die US-Botschaft eine Pressenotiz, in der sie ihre "Skepsis gegenüber der juristischen Basis der Entscheidungen des Obersten Gerichts" ausdrückte.

Die Bewegung der zivilgesellschaftlichen Gruppen für Nicaragua, das Netzwerk für Nicaragua und die Bewegung der autonomen Frauen, sagten, dass dies ein Tag gewesen sei, an dem die Gerechtigkeit und die Demokratie im Land von jenen verspottet worden sei, die eigentlich dazu bestimmt seien, sie zu vertreten.

Am 31. August traf sich Präsident Bolaños zu einer Sitzung mit seinem Kabinett und den Führern der Nationalen Polizei und der Nicaraguanischen Armee, um die Ereignisse der Vortage zu erörtern. Nach der Sitzung sagte der Verteidigungsminister Amir Ramirez der Presse, dass Bolaños die Institutionen für die öffentliche Ordnung gefragt habe, ob sie bereit seien, das Land gegen einen technischen Staatsstreich zu verteidigen. "Der Präsident meinte, dass die Polizei und die Armee bereit sein sollten, jeden versuchten technischen Staatsstreich von jenen zu verhindern, die eine richterliche Entscheidung zu einer politischen machen wollen."

Bolaños forderte von dem Sandinistischen Führer Daniel Ortega zu "demonstrieren dass Sie nicht die Person sind, die diese Entscheidungen manipuliert und Alemans Freiheit befürwortet hat". Am nächsten Tag antwortete Ortega auf Bolaños' Forderung mit der Aussage, dass jene, die die Entscheidungen getroffen hätten, Aleman die Teilnahme am Familienleben zuzugestehen, ihre Entscheidung rechtfertigen müssten, "aber diejenigen, die abwesend waren, haben keinen Grund, irgendetwas zu rechtfertigen".

Am 1. September forderte Bolaños formell das Verfassungsgericht auf, ein Dokument zu veröffentlichen, worin die rechtliche Grundlage ihrer Entscheidung vom 30. August dargelegt wird, nach der Aleman die Teilnahme am Familienleben zugestanden werden soll. Dieses Dokument muss mit den Stimmen aller permanenten Mitglieder des Gerichts verabschiedet werden und nicht nur mit denen, die tatsächlich entschieden haben. Deshalb werden durch Bolaños Forderung gerade die Sandinisten verpflichtet sein, Stellung zu der Entscheidung zu beziehen. Sollten sie sich gegen die Entscheidung des Gerichts aussprechen, würde das Urteil automatisch widerrufen. Es muss somit erst noch abgewartet werden, ob Ortega wirklich dazu bereit ist, Aleman seine Freiheit zu gewähren statt ihn hinter geschlossenen Türen zu halten. (La Prensa, 31.08., 01. und 03.09., El Nuevo Diario, 01., 02. und 04.09.)

Sorge wegen möglichem Einflusses von Drogengeldern auf die Wahlen an der Atlantikküste

Eine Gruppe von politischen Analytikern von der Atlantikküste, die die Presse darum baten, ihre Identitäten nicht zu veröffentlichen, hat einem öffentlichen Appell an den Obersten Wahlrat (CSE), die Wahlbeobachtungsorganisationen und das Ministerium gerichtet, um die Gelder hinter den politischen Kampagnen der Kandidaten für die im nächsten Jahr stattfindenden Wahlen in den autonomen Regionen eng zu überwachen. Dieser Appell entspringt der Angst, dass Gelder aus dem Rauschgifthandel und dem organisierten Verbrechen an Nicaraguas Atlantikküste verwendet werden könnten, um Kandidaten zu finanzieren, die dazu bereit sind, die Kontrolle der zunehmend mächtigeren kriminellen Netze, die an der Küste entstanden sind, zu steigern. Dieser Appell wurde veröffentlicht nach der Beschlagnahmung einer großen Menge von Waffen und Drogen vor der Küste der Gemeinde Sundy Bay nahe der Stadt Puerto Cabezas.

Es bestehen auch die Sorgen, dass das Leben von Kandidaten, die bereit sind, gegen diese Art von illegaler Aktivität zu argumentieren, in Gefahr geraten könnte, weshalb dieselbe Gruppe gefordert hat, für jene einen stärkeren Polizeischutz zu erbitten, die mit den Wahlkampagnen verbunden sind.

Die Wahlen für die Regionalen Räte der autonomen Regionen an der Atlantikküste finden im März 2006 statt. (La Prensa, Radio Ya!, 01.09.)

Bolaños will sich mit Hugo Chavez treffen

Bei einer am 29. August im Präsidentenamt abgehaltenen Sitzung erörterten Präsident Bolaños, Außenminister Norman Caldera und der venezolanische Botschafter in Nicaragua, Miguel Gomez, die Möglichkeit einer Vereinbarung mit Venezuela, nach der Nicaragua in der Lage wäre, Petroleum zu einem niedrigeren Preis als auf dem internationalen Markt zu importieren. Gomez und Caldera bestätigten der Presse nach dem Treffen, dass Bolaños bald nach Caracas reisen werde, um den venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez zu treffen.

Gomez sprach nicht gegen die Möglichkeit, dass die nicaraguanische Regierung zu einer Vereinbarung mit der venezolanischen Regierung kommen könnte. Er sagte, "wir merken, wie kritisch die Situation in Nicaragua ist, und wir verstehen, dass jede Steigerung des Preises für Öl die nicaraguanische Bevölkerung schwer trifft, insbesondere die ärmsten Sektoren der Gesellschaft".

Am 30. Aug bat Daniel Ortega um ein Treffen mit Bolaños, um die Planungen zu erörtern, weil er und der Bürgermeister von Managua, Dionisio Marenco, mit Hugo Chavez über die Möglichkeit des Imports von billigerem Öl aus Venezuela diskutiert hätten. Laut Quellen aus dem Umfeld von Marenco müsste eine andere Ölraffinerie in Nicaragua gebaut werden, um die billigeren Ölimporte zu erhalten, weil die einzige Ölraffinerie, die gegenwärtig im Land existiert, der Esso Standard Oil Company gehört, die verpflichtet sei, Öl zu international vereinbarten Preisen zu kaufen.

Über diese Gerüchte sagte Agustin Fuentes, der Manager des Esso Standard Oil Company in Nicaragua, dass eine andere Ölraffinerie zu bauen gegen das Ziel der Regierung sprechen würde, Geld zu sparen. Laut Fuentes würden die Kosten, um eine neue Raffinerie zu bauen, sich auf über 200 Millionen US-$ belaufen. Er schlug vor, dass sollte ein Handel mit der venezolanischen Regierung vereinbart werden, das Öl zu dem internationalen Preis gekauft werden sollte und in der Esso Raffinerie verarbeitet werden könne. Die venezolanische Regierung solle danach der nicaraguanischen Regierung das Geld zurückerstatten und dieses könne damit ökonomische und soziale Entwicklungsprojekte finanzieren.

Währenddessen leiden die nicaraguanischen Verbraucher in Folge des ständig wachsenden Preises für Benzin und vom Öl abhängigen anderen Produkten, was inzwischen zu der bekannten Dominowirkung auf den Preis aller Grundwahren und Dienstleistungen führt. (La Prensa, 30. + 31.08., El Nuevo Diario, 31.08., 01. + 03.09., Radio la Primerisima, 30.08.)

Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Hannah Given-Wilson.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
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