Meldungen aus Nicaragua vom 24.07.2005

  1. OAS: "Nicaragua tief gespalten"
  2. Anti-Pakt-Demonstration mit Tausenden von Teilnehmern
  3. Ausländische Investitionen gestoppt
  4. Nicaragua to receive funds from Bush's Millenium Challenge Account
  5. Agreement with IMF "until December"
  6. Nine defamed, La Prensa blamed
  7. Environment in the spotlight: water and deserts given attention
  8. Doors open to narco-traffickers: Police blame lack of resources
  9. Child labor acknowledged

OAS: "Nicaragua tief gespalten"

José Miguel Insulza, Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) erklärte am 20. Juni, dass aufgrund der fehlenden Bereitschaft zu Dialog und Kompromiss auf Seiten der Regierung und der Opposition die Lage in Nicaragua in eine tiefgehende Krise einmünden könnte. Insulza hatte sich vier Tage in Nicaragua aufgehalten und dort versucht, die beiden Seiten, die Regierung des Präsidenten Enrique Bolanos einerseits und die Liberalen und die Sandinisten, die die Legislative beherrschen, andererseits, wieder zu einem ernsthaften nationalen Dialog dreier Parteien zusammenzuführen. Vor seiner Abreise aus Nicaragua ließ Insulza offen, ob er möglicherweise Mitte der Woche nach Managua zurückkehren würde, um seine Bemühungen fortzusetzen. Begleitet wurde Insulza auf seiner OAS-Mission von Aristides Royo, dem Ex-Präsidenten von Panama, Alberto Borea aus Peru, dem Präsidenten des ständigen Rats der OAS, sowie Paul Durand aus Kanada.

Der Generalsekretär der OAS erwähnte, dass im Laufe des vergangenen Jahrzehnts sechs oder sieben lateinamerikanische Präsidenten vorzeitig abtreten mussten und dass sich die Krise in Nicaragua so gravierend entwickeln könnte wie in Bolivien, allerdings meinte er, bisher gebe es noch keine Anzeichen einer derart schwerwiegenden Krise. Jegliche Möglichkeit einer "Intervention" durch die OAS schloss er aus und wies darauf hin, dass die internationale Einrichtung die Aufgabe habe, zu unterstützen und zum Dialog zu verhelfen.

Insulza erinnerte die Nicaraguaner daran, "dass zum Dialog Konzessionen gehören; das bedeutet, dass man auf einem Gebiet Zugeständnisse macht, um auf einem anderen etwas zu erreichen." Er fügte hinzu: "Wenn ich glaube, ich sei im Besitz der absoluten Wahrheit und die andere Seite sei dem absoluten Irrtum verfallen, dann ist es sehr schwierig, zu einem Dialog zu kommen." Er erwähnte, dass er am Samstag die beiden Parteien fast dazu gebracht hätte, sich zusammen an einen Tisch zu setzen, aber am Ende kam es doch nicht zum Treffen, weil der Präsident nicht wollte, dass das Treffen in der Katholischen Universität (UNICA) stattfinde; er sagte, dass dort schon früher erfolglose Dialog-Versuche stattgefunden hätten. Insulza sagte, er werde der OAS am 21. Juni einen Bericht über seine Bemühungen übergeben, und er werde einen Vertreter der OAS ernennen, der die spezielle Aufgabe hat, die Entwicklungen in Nicaragua genau zu verfolgen.

Vor der Abreise Insulzas gab Nicaraguas Außenminister Ernesto Leal zu, dass "wir Nicaraguaner schwierig gewesen sind."

Zu Beginn der Woche reagierte Präsident Bolanos auf die Aufforderung aus dem Büro des Obersten Rechnungsprüfers (drei Liberale und zwei Sandinisten), er solle zurücktreten, mit dem Hinweis, für seinen Rücktritt gebe es keine juristischen Gründe. Gleichzeitig sagte Sandinisten-Chef Daniel Ortega, an einer verkürzten Regierungszeit des Präsidenten sei er nicht interessiert; er forderte ihn auf, zum Dialog zurückzukehren. Das Büro des Obersten Rechnungsprüfers hatte den Rücktritt des Präsidenten gefordert, weil dieser neu ernannten Kontrolleuren öffentlicher Einrichtungen untersagt hatte, die Einrichtungen, die sie nach den kürzlich im Parlament verabschiedeten Gesetzen kontrollieren sollten, zu betreten. Präsident Bolanos behauptete, in dem kürzlich ausgesetzten nationalen Dialog sei festgesetzt worden, dass die führenden Mitglieder der Nationalversammlung ihn im Hinblick auf die neuen Gesetze konsultieren.

Ebenfalls in der vergangenen Woche veröffentlichte La Prensa die Ergebnisse einer Umfrage, die M&R Consultores zwischen dem 27. Mai und dem 2. Juni in städtischen und halbstädtischen Gebieten Nicaraguas durchgeführt hat. Laut Umfrage sind 72,4% der Nicaraguaner, die geantwortet haben, der Meinung: "Das Land ist ein Gefangener des Pakts aus dem Jahr 2000 zwischen der FSLN und der PLC." 24% sind gegenteiliger Meinung und 3% enthielten sich. Erstaunlicherweise kam darin die Meinung von 66,5% der Sandinisten und 70,2% der Liberalen zum Ausdruck. 67% der Befragten stimmten der Aussage zu, dass die Verfassungsreformen dieses Jahres das Ziel hatten, die Exekutive zu schwächen und "Instabilität und Unsicherheit zu schaffen." (Bemerkung des Herausgebers: Die Art der Fragestellung dürfte den Anforderungen streng wissenschaftlich durchgeführter, unvoreingenommener Umfragen schwerlich genügen!) Die Umfrage zeigt indessen auch, dass die Art und Weise, wie Präsident Bolanos das Land regiert, nur von 22,3% gut geheißen wird, während eine ähnliche Anzahl seine Art zu regieren teils gut, teils nicht gut fand und 5,8% sich der Stimme enthielten. (El Nuevo Diario, 20. Juni; La Prensa, 17. und 20. Juni)

Anti-Pakt-Demonstration mit Tausenden von Teilnehmern

Das Netzwerk für Nicaragua veröffentlichte zu Beginn der letzten Woche eine Erklärung, in der es bestätigte, dass es beabsichtige, die für Donnerstag, 16. Juni, geplante Demonstration durchzuführen, auch wenn führende Mitglieder der Vereinigung Nicaraguanischer Studenten (UNEN) damit gedroht hatten, nicht zuzulassen, dass die Demonstranten die Avenida Universitaria benutzen. Ein Sprecher des Augenblicks für Nicaragua nannte dies einen Versuch, die "Demonstration gegen den Pakt" zu stoppen. Es wurde darauf hingewiesen, dass derzeit nichts die Demonstration verhindern könne. Laut offizieller Erklärung des Netzwerks für Nicaragua "ist unsere Entschlossenheit, für Nicaragua zu demonstrieren, unumkehrbar. Wir sind fest entschlossen, mit eisernem Willen zu demonstrieren, dass wir beschlossen haben, in einer einzigen Protestaktion gegen den Pakt und gegen die Korruption, die die Bevölkerung in der Armut untergehen lässt, den Willen Tausender von Nicaraguanern zu vereinen."

In der Tat zeigte sich der eiserne Wille der Anti-Pakt-Kräfte in seiner ganzen Stärke, als Tausende am Donnerstagmorgen auf die Straße gingen und durch ihren Marsch die Avenida Bolivar in Managua hinunter ihre Ablehnung des Sandinistisch-Liberalen Pakts zum Ausdruck brachten. Demonstranten trugen riesige Transparente mit der Aufschrift "Weg mit dem Pakt," während Demonstranten, die als Schweine verkleidet und mit Bildern von Ortega und Alemán geschmückt waren, den berühmten Pakt unterzeichneten. Die Organisatoren des Protests glauben, dass die Demonstration erfolgreich war, weil sie eine eindeutige Botschaft an die führenden Vertreter des Pakts sandte: Entweder ihr setzt die im Januar beschlossenen Verfassungsänderungen zusammen mit der Wahl der Vorstandsmitglieder des Aufsichtsamts für Öffentliche Dienste (SISEP) aus, oder die Bevölkerung wird ihre Bemühungen, ihre Ablehnung zum Ausdruck zu bringen, verstärken. Die Organisatoren der Bewegung sagten, sie seien sich bewusst, dass sie, da sie für Ordnung demonstrieren, auch ihren Teil dazu beitragen müssten, für ein geregeltes Vorgehen auf der Straße zu sorgen, damit die Gruppe auf staatsbürgerlich verantwortungsbewusste Weise ihre Ziele erreicht.

Die Organisatoren kontaktierten die Behörden frühzeitig, um Konflikte und Gewalt zu vermeiden. Das Netzwerk für Nicaragua nahm ausführlich Rücksprache mit der Polizei, wobei jede Einzelheit von den Verkehrsampeln bis zur Nationalversammlung in die Überlegungen einbezogen wurde. Ana Quiros, Zivile Koordinatorin des Netzwerks, erklärte, die Reaktion von UNEN und anderen Pro-Pakt-Gruppen sei nichts weiter als ein Zeichen von Furcht, die jedoch durch die "Demonstration von Frieden, Fröhlichkeit und, vor allem, ziviler Ordnung" leicht widerlegt wird. Die Reaktionen von Mitgliedern der Nationalversammlung und anderer Politiker auf die Demonstration werden noch gesammelt, aber ZeitungskommentatorInnen meinen, dass die führenden Vertreter des Pakts zumindest gezwungen wurden, ernsthaft über den Pakt nachzudenken. (La Prensa, 17. Juni)

Ausländische Investitionen gestoppt

Der Zwist zwischen der Exekutive und der Nationalversammlung und, mehr noch, die Drohungen, die mit den Protesten und Revolten der Studentenführer verbunden sind, sind nach Meinung vieler schuld am derzeitigen Mangel an ausländischen Investitionen in Nicaragua. Zu den potentiellen Investoren gehören eine kanadische Gesellschaft, Gildan Activewear, und eine namentlich nicht genannte mexikanische Gesellschaft.

Gildan hatte geplant, eine Textilfabrik in Nandaime zu öffnen, und hatte dafür die Schaffung von 500 neuen Arbeitsplätzen und den Einsatz von 60 Millionen US-Dollar an Investitionen in die Textilindustrie versprochen. Die mexikanische Fabrik sollte in beachtlichem Ausmaß Blue Jeans produzieren. Beide haben wegen möglicher Risiken für ihre Investitionen ihre Pläne zurückgestellt.

Auch der Tourismus ist stark betroffen. Eine costa-ricanische sowie eine US-amerikanische Hotelkette haben beschlossen, ihre Bauvorhaben bis auf Weiteres zu verschieben. Wegen der derzeitigen politischen Instabilität wurden insgesamt acht verschiedene Projekte gestoppt, was sich auf insgesamt 5oo Millionen US-Dollar beläuft.

Sergio Santamaria, Leiter des Zentrums für Untersuchung und Beurteilung wirtschaftlicher Fragen, sagte, dass der einzige Weg, wieder Investitionen ins Land zu bekommen, der Dialog zwischen Legislative und Exekutive sei. Trotzdem besteht weiterhin die Sorge, dass, selbst wenn zwischen den politischen Seiten Vereinbarungen erzielt werden, die ausländischen Firmen wegbleiben werden. (La Prensa, 15. und 17. Juni; El Nuevo Diario, 20. Juni)

Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Bethany Rawson and Katherine Hoyt.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Agnes Bennhold. Zur Finanzierung dieses Informationsdienstes überweisen regelmäßige Leser bitte jährlich 45 Euro (Komitees 60 Euro) an das Nicaragua-Forum. Rechnung auf Anfrage möglich.

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