Meldungen aus Nicaragua vom 04.09.2006

  1. Paul Trivelli kündigt für die kommenden Wochen "Überraschungen" an; er drohte mit Entzug des Millenniums-Finanzierungs-Kontos
  2. PLC-, ALN- und MRS-Vertreter treten dem FSLN-Bündnis bei, während sich ALN- und AC-Mitglieder dem MRS anschließen
  3. Shell attempts to open process of arbitration against Nicaraguan government
  4. Former anti drug police chief convicted of murdering four police officers in Bluefields
  5. Electricity crisis continues
  6. Ombudsman for Children describes sex education as fundamentalist and dogmatic
  7. Associations of handicapped persons dissatisfied with candidates promises
  8. Union of Nicaraguan Journalists calls for responsible journalism

Paul Trivelli kündigt für die kommenden Wochen "Überraschungen" an; er drohte mit Entzug des Millenniums-Finanzierungs-Kontos

Am 28. August, einen Tag nachdem der Präsidentschaftskandidat der Nicaraguanischen Liberalen Allianz (ALN) Eduardo Montealegre zum Zusammenschluss der liberalen Kräfte aufgerufen hatte, erklärte US-Botschafter Paul Trivelli, dass in den kommenden Wochen einige "Überraschungen" zu erwarten seien. "Ich weiß nicht, wie José Rizo, der Kandidat der Liberal-Konstitutionalistischen Partei (PLC), die Situation einschätzt, aber die Liberalen Kräfte können durch Verhandlungen zu einer Vereinbarung kommen," sagte Trivelli. Diese Erklärungen wurden von der Presse und von der PLC dahingehend gedeutet, dass Rizo seine Präsidentschaftskandidatur aufgeben werde, um der Allianz von Montealegre beizutreten.

Am 29. August fragte Arnoldo Alemán, Ex-Präsident und verurteilter Straftäter, der laut Trivelli immer noch die PLC kontrolliert: "Wer ist Trivelli", dass er bevorstehende Überraschungen ankündigen kann? Alemán fuhr fort, die einzige Überraschung wäre Montealegres Rücktritt. Die Parlamentsabgeordnete Maria Dolores Alemán, Alemáns Tochter, erklärte, es sei eine Schande, dass Trivelli von "der Exekutive" und dem Außenminister nicht daran gehindert werde, solche Kommentare von sich zu geben. Der PLC-Vizepräsident Wilfredo Navarro meinte: "Was ausländische Beamte sagen, kümmert uns nicht. Es ist nicht von Belang."

Am 31. August rief Rizo seinerseits "alle Liberalen" "dringend" auf, sich zusammenzuschließen, um einen sandinistischen Wahlsieg zu verhindern. Nach Aussage des PLC-Kandidaten geht es in den bevorstehenden Wahlen um "Frieden, Entwicklung, Freiheit und Demokratie". Obwohl Rizo in seiner Presseerklärung den Namen Montealegres nicht erwähnte, waren seine Anspielungen auf den ALN-Kandidaten unüberhörbar. "Nicaragua kann sich keine Experimente leisten, die nicht zum sicheren Sieg führen." In den vergangenen Monaten hat Rizo oft betont, dass ihm Montealegre als Vize höchst willkommen wäre. José Alvarado, der derzeitige PLC-Kandidat für den Posten des Vizepräsidenten, hat ebenfalls gesagt, er sei bereit, für einen Zusammenschluss der Liberalen auf seine eigene Kandidatur zu verzichten.

Am 2. September antwortete Montealegre auf Rizos "dringende" Aufforderung, indem er noch einmal seine Entschlossenheit betonte, auf keinen Fall selbst und mit seinem Parteien-Bündnis der PLC beizutreten; außerdem wiederholte er seine Überzeugung, dass es das Beste wäre, wenn Rizo auf seine Kandidatur verzichtete und der ALN beiträte.

Am 29. August war Trivelli im Norden des Landes in Ocotal, wo er sich privat mit Vertretern der ALN, der PLC, der Sandinistischen Erneuerungsbewegung (MRS), der Wahlbeobachter-Organisation Ethik und Transparenz (EyT) und der zivilgesellschaftlichen Organisation Bewegung für Nicaragua (MpN) traf. Nach Aussage von Vertretern der politischen Parteien und Partei-Bündnisse hatte Trivelli gefragt, ob ihre Organisationen auf einen Sieg über die Sandinistische Partei (FSLN) vorbereitet seien. Beim Aufbruch wurde Trivelli gefragt, ob die USA die ALN in ihrem Wahlkampf unterstütze; er antwortet: "Unsere Unterstützung dient dem demokratischen Prozess und den demokratischen Kräften."

In seiner Antwort auf eine Frage von La Prensa gab Trivelli noch einmal zu verstehen, dass das Millenniums-Finanzierungs-Konto, über das die Bush-Regierung Entwicklungsprojekte finanziert, im Falle eines Wahlsiegs der FSLN möglicherweise nicht mehr zur Verfügung steht. Der Botschafter war in León, um eine Projekt-Vereinbarung mit der Firma ProNicaragua zu unterzeichnen. Er erklärte: "Das Programm enthält sehr strikte Standards, vor allem im Hinblick auf demokratische Strukturen, soziale Programme, Transparenz u.s.w.; und wenn diese Standards nicht eingehalten werden, müssten wir das Programm streichen." Juan Sebastian Chamorro, der Vorsitzende der Millenniums-Stiftung in Nicaragua, nahm die Möglichkeit einer solchen Streichung jedochnicht allzu ernst. Er sagte: "Wir halten es für sehr unwahrscheinlich," dass eine Regierung gegen die Standards verstößt, und er fügte hinzu: "Meiner Meinung nach sind alle Parteien mit den Regeln von Demokratie und freiem Unternehmertum einverstanden."
(El Nuevo Diario, 29. 8., 30.8., 1. 9., 3.9.; La Prensa, 29.8., 31.8., 1. 9.; Radio La Primerísima, 2.9.; Radio Liberación Estelí, 3.9.)

PLC-, ALN- und MRS-Vertreter treten dem FSLN-Bündnis bei, während sich ALN- und AC-Mitglieder dem MRS anschließen

Auf einer öffentlichen Veranstaltung am 31. August in Matagalpa gaben 60 Funktionäre und örtliche Führer der Liberal-Konstitutionalistischen Partei (PLC) ihre Entscheidung bekannt, dem von der sandinistischen Partei (FSLN) angeführten Bündnis ‚Das Vereinigte Nicaragua Triumphiert' beizutreten. Zu der Gruppe einstiger PLC-Mitglieder und -Vertreter gehören Leute wie Enrique Bustamente, Besitzer von Ländereien, die in den 80er Jahren von der FSLN-Regierung konfisziert wurden, sowie der Leiter der PLC-Wahlkampagne in den Städten San Isidro, Waslala und Matiguás.

Daniel Ortega, der FSLN-Präsidentschafts-Kandidat, der an der Veranstaltung teilnahm, wurde von den Anwesenden aufgefordert, zu erklären, was für eine Politik er im Falle seines Wahlsiegs gegenüber den Vereinigten Staaten und im Hinblick auf das vorgesehene Bündnis mit dem venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez verfolgen werde. Ortega antwortete: "Die USA sollten verstehen, dass das gemeinsame Wohl der Region es verlangt, dass die lateinamerikanischen Länder sich zusammenschließen. .. Die Vereinigten Staaten von Amerika mussten sich zusammenschließen, um eine international anerkannte Macht zu werden, das Gleiche gilt für die europäischen Länder."

Ortega fuhr fort: "Wir haben die USA nie angegriffen, wir haben ihre Regierung stets respektiert. Die USA hingegen haben Nicaragua angegriffen." Hinsichtlich seiner Beziehung zum venezolanischen Präsidenten meinte Ortega: "Chávez setzt sich für die lateinamerikanische Einheit ein, damit wir eine gemeinsame Politik betreiben können."

Auf einer ähnlichen Veranstaltung am 3. September auf dem Markt für Kunsthandwerk im Masaya trat eine noch größere Anzahl von Funktionären und Vertretern der PLC, des Nicaraguanischen Liberalen Bündnisses (ALN), der Sandinistischen Erneuerungsbewegung (MRS), der Partei des Nicaraguanischen Widerstands (PRN), der Nationalistischen Liberalen Partei (PLN) sowie verschiedener Parteien dem Bündnis ‚Das vereinigte Nicaragua Triumphiert' bei; hinzu kamen einstige Mitglieder der Nationalgarde Somozas. Unter denen, die sich dem FSLN-Bündnis anschlossen, war Léster Sáenz, der PLC-Präsident des Departamentos. In der Menge waren Fahnen all der politischen Bündnisse, die anwesend waren, zu sehen, ein Symbol der Einheit.

Ortega hielt eine Rede, in der er darauf hinwies, dass Spaltungen innerhalb der FSLN kein neues Phänomen sind, dass die politische Organisation vielmehr seit ihrer Gründung davon betroffen war. Politische Differenzen innerhalb der Organisation müssten überwunden werden, sagte er, um dem Triumph der Revolution von 1979 zum Durchbruch zu verhelfen.

"Was Nicaragua heute zusetzt, sind Hunger, Elend und ein Fehlen von Krediten für unsere Farmer. Wir müssen unsere Differenzen von neuem überwinden, um Nicaragua zu retten."

Jaiame Morales Carazo, der Vizepräsidentschafts-Kandidat des FSLN-Bündnisses, sagte in seiner Ansprache, dass das Bündnis ‚Das Vereinigte Nicaragua Triumphiert' eine tolerante, flexible und zutiefst pluralistische Organisation ist.

Unterdessen haben eine Anzahl lokaler Funktionäre der ALN und der Partei ‚Alternative für einen Wechsel' (AC) angekündigt, sie wollten dem MRS beitreten. In San Rafael del Sur haben Mitglieder des ALN-Vorstands, darunter Edgard Cerna, Präsident der "Lass-uns-mit Eduardo-gehen"-Bewegung, Douglas Gutierrez, Präsident der Partei des Nicaraguanischen Widerstands (PRN) und David Pavon, Präsident der liberalen Unabhängigen Partei (PLI), sich zu Wort gemeldet und gegen Eduardo Montealegres Bündnis den Vorwurf des "Vertikalismus und der Gleichgültigkeit" gegenüber ihren lokalen Belangen erhoben. Die Funktionäre erklärten, dass sich ihnen bei ihrem Übertritt die Mehrheit der ALN-Mitglieder aus 36 kleinen Ortschaften anschließen.

Edmundo Jarquín, MRS-Präsidentschafts-Kandidat, sagte: "Ihr tretet einem pluralistischen Bündnis bei, in dem alle Bündnispartner sich daran beteiligen, dass höchst wichtige Entscheidungen getroffen werden. Wir sind dankbar für den Enthusiasmus und den Optimismus, den ihr einbringt!"

Auch vier führende Mitglieder der ‚Alternative für einen Wechsel' (AC) kündigten letzte Woche an, dass sie die von Präsidentschaftskandidat Eden Pastora geführte Partei verlassen und dem MRS beitreten wollten. Mariano Suarez, einer der Parteigründer, sagte, sie wollten den Wechsel vornehmen, weil "Jarquín der beste Kandidat ist und weil die AC nicht die geringste Aussicht hat, auch nur einen Abgeordneten in die Nationalversammlung zu bekommen. Salome Carranza Mejia, AC-Vorsitzende von Chinandega, sagte, mit ihrem Übertritt in den MRS werde sie gleichzeitig ihren Listenplatz auf der Kandidaten-Liste für die Nationalversammlung aufgeben. Am folgenden Tag wurde bekannt, dass 12 lokale AC-Funktionäre aus Chinandega, Granada und Nueva Segovia dem MRS beitreten werden. Die AC war Mitglied der Herty-Allianz 2006 gewesen, aber als die Allianz beschloss, mit dem MRS zu marschieren, hatte der AC-Vorsitzende Orlando Tardencilla sie aus der Allianz herausgenommen, und den früheren sandinistischen Guerilla-Kämpfer und Ex-Contra Eden Pastora an die Spitze gestellt.
(El Nuevo Diario, 30. 8., 1. 9., 2. 9., 4. 9.; La Pprensa, 2. 9., 4. 9.; Radio Ya!, 31. 8.)

Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Hannah Given-Wilson.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
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