Meldungen aus Nicaragua vom 11.12.2006

  1. Ortega besucht linke Verbündete in Südamerika. In Nicaragua steht Treffen mit IWF bevor
  2. PLC und FSLN beschließen umstrittenes Organisations-Gesetz für Legislative
  3. Legislative committee issues favorable report on Copalar dam bill
  4. Juristischer Sieg für frühere Bananen-Arbeiter, die mit Nemagon vergiftet worden sind
  5. Anti drug squad chief under investigation
  6. CENIDH to challenge therapeutic abortion ban
  7. Costa Rican government plans to make immigration law more humane
  8. INEC findings highlight demographic trends

Ortega besucht linke Verbündete in Südamerika. In Nicaragua steht Treffen mit IWF bevor

Am 5. Dezember flog der künftige Präsident Daniel Ortega in die venezolanische Hauptstadt Caracas, um sich dort mit Präsident Hugo Chávez zu treffen. Ortegas Besuch in Venezuela wurde als "privat", nicht als offiziell bezeichnet, obwohl man auf Fotos die beiden sieht, wie sie sich umarmen und gegenseitig gratulieren (Chávez errang bei den venezolanischen Präsidentschaftswahlen am 4. Dezember einen durchschlagenden Erfolg). Am 5. Dezember fand ein Treffen der beiden Männer statt, bei dem ein Abkommen über bilaterale Zusammenarbeit diskutiert wurde.

Laut nicaraguanischen Regierungsquellen soll durch dieses Abkommen die Zusammenarbeit zwischen Venezuela und Nicaragua intensiviert werden; dabei versprach Chávez, die Regierung Ortega in wichtigen Bereichen zu unterstützen; dazu gehören Gesundheit, Bildung, Tourismus, Kultur, Straßenbau, Stipendien und Elektro-Energie. Edwin Castro, Fraktionsvorsitzender der sandinistischen Partei (FSLN) in der Nationalversammlung, sagte, dass ein Ergebnis des Abkommens darin bestehe, dass Gelder für den lang erwarteten Bau einer Straße, die die Pazifikküste Nicaraguas mit der Atlantikküste verbindet, zur Verfügung gestellt werden.

Am 3. Dezember gab Managuas Bürgermeister Dionisio Marenco bekannt, dass Chávez versprochen habe, Nicaragua drei Kraftwerke zu liefern, die im Januar installiert werden sollen. Diese drei Kraftwerke sollen insgesamt 60 Megawatt Strom erzeugen, wodurch die entsetzlichen Folgen der derzeitigen nationalen Energie-Krise reduziert würden.

Aus sandinistischen Kreisen wird fernerhin bestätigt, dass Chávez am 10. Januar nach Nicaragua kommt, um an Ortegas Amtseinführung teilzunehmen.

Am 8. Dezember reiste Ortega in die bolivianische Stadt Cochabamba als "special guest" von Evo Morales, der der Gastgeber für das Zweite Treffen der Gemeinschaft Südamerikanischer Nationen ist. Bei seiner Ankunft in Cochabamba sagte Ortega, derzeit erlebe Lateinamerika "Momente des Siegs, der Hoffnung und der Einheit. Wir werden unseren Kampf fortsetzen, bis wir ein vereinigtes Lateinamerika haben. Dadurch werden wir, stärker, freier… werden, wirkliche Selbständigkeit erringen, frei von imperialistischem Einfluss!"

An dem Gipfel nahmen u. a auch Chávez, der brasilianische Präsident Ignacio Lula da Silva und der kürzlich gewählte ecuadorianische Präsident Rafael Correa teil. Correa sagte, Lateinamerika beginne aus der "langen Nacht des Neo-Liberalismus aufzutauchen"; die Region erlebe nicht ein "Zeitalter der Veränderung", sondern eine "Veränderung des Zeitalters." Laut Correa sind die grundlegenden Aufgaben der lateinamerikanischen Linken, "soziale Gerechtigkeit zu schaffen und die Souveränität unserer Länder zu verteidigen."

Inzwischen hat der Vertreter des Internationalen Währungsfonds (IMF) Humberto Arbulú Journalisten darüber informiert, dass Anoop Singh, Leiter der Abteilung für die Westliche Hemisphäre, vorhat, Nicaragua am 19. Dezember zu besuchen, um sich mit dem künftigen Präsidenten Daniel Ortega zu treffen. Der eigentliche Zweck des Besuchs ist, Gespräche zu führen, die die Unterzeichnung eines neuen Wirtschaftsprogramms zwischen Nicaragua und IWF nach sich ziehen. Laut Arbulú wird Singh Ortega auffordern, makro-ökonomische, finanzielle und monetäre Stabilität in Nicaragua zu garantieren, damit ein neues ökonomisches Programm unterzeichnet werden kann. Eine kürzlich vorgenommene IWF-Evaluation der nicaraguanischen Wirtschaft kam zu dem Ergebnis, dass das Land über makro-ökonomische und finanzielle Stabilität verfügt, was Ortega im Hinblick auf die Gewährung eines weiteren IWF-Programms zustatten kommen wird.

Das laufende IWF-Wirtschaftsprogramm, das von dem scheidenden Präsidenten Enrique Bolanos ausgehandelt worden ist, läuft am 12. Dezember aus. Laut diesem Programm wurde der nicaraguanischen Regierung für das Jahr 2006 ein Kredit über 170 Millionen US-Dollar gewährt, von dem in den nächsten Tagen 20 Millionen US-Dollar auf Konten der Regierung überwiesen werden.

Der künftige Vizepräsident Jaime Morales Carazo erklärte, die neue Regierung werde sich bemühen, möglichst bald ein neues Wirtschaftsprogramm mit dem IWF zu unterzeichnen. "Wir möchten die Inflationsrate unter Kontrolle bringen … und einen ausgeglichenen Haushalt erreichen, denn nur so können wir die Reduzierung der Armut und die Schaffung neuer Jobs vorrangig betreiben. (El Nuevo Diario, 5. 12., 8. 12., 9. 12.; La Prensa, 5. 12., 6. 12., 9. 12.; Radio Ya!, 5. 12., 8. 12.)

PLC und FSLN beschließen umstrittenes Organisations-Gesetz für Legislative

Das umstrittene Organisations-Gesetz für die Legislative, das Änderungen vorsieht in der Art und Weise, wie die Legislative arbeitet, wurde am 5. Dezember mit den Stimmen der Liberal-Konstitutionalistischen Partei (PLC) und der Sandinistischen Partei (FSLN) beschlossen. Der umstrittenste Artikel des Gesetzes (Artikel 10, der die Möglichkeit einer Amnestie für den wegen Verbrechen verurteilten Ex-Präsidenten Arnoldo Alemán vorsah) wurde in letzter Minute gestrichen. Andere kontroverse Artikel wurden jedoch nicht gestrichen oder abgeändert, ehe die Abstimmung stattfand.

Artikel 53 sieht vor, dass nicaraguanische Staatsbürger und Ausländer widerrechtlich handeln, wenn sie sich weigern, einer Aufforderung nachzukommen, vor der Nationalversammlung oder einem parlamentarischen Ausschuss zu erscheinen. Kritiker des Gesetzes und politische Gegner der Mehrheitsparteien argumentieren, dass dieser Artikel eine klare Verletzung von Menschenrechten darstellt. Der Fraktionsvorsitzende der FSLN Edwin Castro verteidigte den Artikel; er meinte: "Wenn es sich um Angelegenheiten des Staates handelt, sind Bürger verpflichtet, mit dem Parlament zusammenzuarbeiten."

Der letzte Artikel des Gesetzes wurde ebenfalls von vielen kritisiert. Aufgrund dieses Artikels erhalten Mitglieder der Legislative von neuem das Recht, Autos zu importieren, ohne Importsteuern zu bezahlen. Die Verabschiedung dieses Artikels des Organisations-Gesetzes widerspricht dem, was kürzlich beschlossen worden ist, nämlich dass ein Artikel in Gesetz 257, der Steuer-Begünstigungen für Abgeordnete vorgesehen hatte, abgeschafft wird. Der FSLN-Abgeordnete Agustín Jarquín kritisierte, dass seine Kollegen für die Steuer-Begünstigung gestimmt hatten. Gleiche Kritik äußerten Journalisten und politische Kommentatoren.

Zu den weiteren Veränderungen im Hinblick auf die Arbeit der Nationalversammlung gehört die Verlängerung der Wahlperiode für den Vorstand der Nationalversammlung von einem auf zwei Jahre sowie die Möglichkeit, dass eine einfache Mehrheit der Delegierten (47) eine Sitzung einberuft. Derzeit kann eine Sitzung nur vom Vorstand einberufen werden.

Mehrere Abgeordnete der Nicaraguanischen Liberalen Allianz (ALN), darunter die Fraktionsvorsitzende María Eugenia Sequeira, haben das Gesetz, das sie für ein Produkt des weiterhin bestehenden PLC-FSLN-Pakts halten, heftig kritisiert. Für die ALN-Abgeordnete Delia Arellano ist das Gesetz der Beweis dafür, dass die PLC und die FSLN sich zu "totalitären" Parteien entwickeln. Arellano ist der Meinung, dass Artikel 53 zu "Menschenrechtsverletzungen" führen wird; besonders Journalisten, die über Informationen verfügen, an denen Abgeordnete interessiert sind, werden davon betroffen sein. Die ALN plant, das Gesetz zu kippen.

Am 7. Dezember wurde die Gesetzesvorlage an den Präsidenten weitergeleitet. Der scheidende Präsident Enrique Bolanos hat zwei Wochen Zeit, um das Gesetz zu unterzeichnen oder sein Veto dagegen einzulegen, obwohl das Gesetz erst zu Beginn der nächsten Legislaturperiode im Januar in Kraft treten würde. (El Nuevo Diario, 5. 12., 6. 12., 8. 12.; La Prensa, 6. 12., 8. 12.)

Juristischer Sieg für frühere Bananen-Arbeiter, die mit Nemagon vergiftet worden sind

Am 1. Dezember hat Socorro Toruno, Richterin am Zweiten Zivilgerichtshof von Chinandega, zugunsten einer Entschädigungsforderung für 1 248 frühere Bananenarbeiter entschieden, deren Leben in den 1970er Jahren ruiniert wurde, als sie auf Bananenplantagen den hochgiftigen Pestiziden Nemagon und Fumazone ausgesetzt waren. Richterin Toruno sprach fünf multinationale Gesellschaften schuldig (Standard Fruit Company (im Besitz von Dole), Dole Food Company, Shell Oil Company, Dow Chemical Company und Occidental Chemical Company), weil sie Nemagon und Fumazone exportiert hatten, obwohl ihnen die verheerenden Folgen, die die Chemikalien für die menschliche Gesundheit hatten, bekannt waren und obwohl eine Umweltschutz-Organisation gefordert hatte, dass die Produkte vom Markt genommen werden. Toruno ordnete an, dass die genannten Gesellschaften 804 021 522 US-Dollar als Entschädigung an die 1 248 nicaraguanischen Arbeiter bezahlen.

Der Anwalt der früheren Bananenarbeiter legte zur Verteidigung ihrer Forderungen eine beachtliche Menge an Beleg-Material vor; dazu gehörten die Ergebnisse medizinischer Untersuchungen, die an jedem seiner Klienten vorgenommen worden waren. Die Untersuchungsergebnisse zeigten das Ausmaß der gesundheitlichen Schädigung der Arbeiter; darunter Unfruchtbarkeit, chronische Nierenschädigung und verschiedene Formen von Krebs. Laut Staatsanwältin Martha Cortez Pérez sind 170 Bananenarbeiter, mit deren Fällen sie befasst ist, innerhalb der Zeit des Gerichtsverfahrens an Krankheiten, die auf den Umgang mit den tödlichen Pestiziden zurückgehen, gestorben.

Vielleicht das schockierendste Beweisstück, dass der Staatsanwaltschaft vorliegt, war ein Schreiben der Dow Chemical Company an die Standard Fruit Company, in dem Dow Chemical Standard Fruit auffordert, eine Studie durchzuführen, durch die festgestellt wird, in welchem Rahmen sich der Profit bewegt, der durch den Export von Nemagon- und Fumazone-Produkten nach Zentralamerika erzielt werden kann. Sollte der Profit größer sein als die geschätzte Entschädigungssumme, mit der die Gesellschaften später rechnen müssten, heißt es in dem Brief, dann solle mit dem Export der Produkte fortgefahren werden.

Cortez Pérez sagt, sie sei sicher, dass die multinationalen Konzerne Berufung einlegen. Wenn das geschieht, muss das Berufungsgericht in León über die Annahme der Berufung entscheiden. Sollte die Berufung abgelehnt werden, sind die Konzerne verpflichtet, die Entschädigung zu zahlen. (El Nuevo Diario, 5. 12.)

Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Hannah Given-Wilson.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Agnes Bennhold. Zur Finanzierung dieses Informationsdienstes überweisen regelmäßige Leser bitte jährlich 45 Euro (Komitees 60 Euro) an das Nicaragua-Forum. Rechnung auf Anfrage möglich.

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