Meldungen aus Nicaragua vom 21.11.2006
- Ortega kündigt neuen Kanal an und fordert zum Zusammenschluss aller Länder Amerikas auf
- "Ortega Could Become Second Pepe Figueres"
- Die Abgeordneten der Nationalversammlung
- Die Arithmetik der Nationalversammlung hat Einfluss auf die Machenschaften um den "Pakt"
- Widespread Protest over Proposed 45% Water Rate Hike
- Alba Luz Ramos: Judiciary Failing Women
- US$ One Billion in Free Trade Zone Exports Predicted for 2006
- Atlantic Coast Loggers "Mocking Everyone" from President on Down
Ortega kündigt neuen Kanal an und fordert zum Zusammenschluss aller Länder Amerikas auf
Bei einer Ansprache vor 25 Wissenschaftlern aus den USA (Anm. des Herausgebers: Mitglieder des Verbands des Mittleren Westens, der sich mit Studien zu Lateinamerika befasst) forderte der künftige Präsident Daniel Ortega die USA auf, sich einem Projekt "Zusammenschluss aller Länder Amerikas" anzuschließen. Die Verbandsmitglieder, die zu ihrer alljährlichen Konferenz in Managua zusammengekommen waren, um Themen zu Lateinamerika zu diskutieren, vernahmen, dass Ortega einen neuen interozeanischen Kanal und den Bau kleinerer hydro-elektrischer Anlagen plant, dass er der Meinung ist, dass sich Freundschaften sowohl mit Venezuela als auch mit den USA nicht gegenseitig ausschließen und dass er die Mauer, die die USA entlang ihrer Südgrenze bauen, kritisiert.
Hinsichtlich des neuen Kanals erklärte Ortega: "Auch wenn die kürzlich genehmigte Erweiterung des Panama-Kanals demnächst in Angriff genommen wird, benötigt die ungeheure Zunahme des internationalen Handels weitere inter-ozeanische Routen. Ein solcher Kanal durch Nicaragua würde den durch Panama zum Nutzen aller ergänzen. Wir möchten, dass er als Erbteil der ganzen Welt betrachtet wird, an dessen Konstruktion sich möglichst viele Nationen beteiligen. Er sollte zur militär-freien Zone erklärt werden, durch die der Transport von Waffen für alle Zeiten verboten ist."
Ortega sprach auch die derzeitige Energie-Krise an und sagte, sein Team verhandle bereits mit Brasilien und Venezuela, um zu einer endgültigen Lösung zu kommen. Er fügte hinzu: "Wir sind dabei, ein Gesamtprogramm für kleinere und mittlere Wasserkraft-Anlagen zu entwickeln. Wir haben bereits die Genehmigung für den Beginn des Baus einer 20-Megawatt-Wasserkraft-Anlage, an der sich internationale Agenturen beteiligen." Ortega wies darauf hin, dass Venezuela auch dazu beitragen werde, die Öl-Krise zu beheben, indem Nicaragua von dort zu günstigen Bedingungen Öl erhält, und er erklärte: "Wir haben eine brüderliche Beziehung zu Präsident Chavez. Ich wüsste nicht, warum das unseren Beziehungen zu den Vereinigten Staaten im Weg stehen sollte. Jeder sucht sich seine Freunde selbst aus. Schließlich erhalten die USA trotz der politischen Differenzen einen großen Teil ihres Öls aus Venezuela, und Venezuela importiert massenhaft Güter aus den USA."
Ortega sprach auch von "einer neuen Form der Beziehung zwischen allen Ländern Amerikas" und sagte, dass die USA derzeit dazu neigen, Mittel- und Südamerika als einen anderen Kontinent zu behandeln. "Stattdessen," betonte er, "wollen wir uns auf einen Zusammenschluss aller Länder Amerikas zubewegen. Dabei spielen die USA wegen der Bedeutung, die sie haben, eine entscheidende Rolle."
Ortega erklärte, es sei wichtig, zusätzliche Märkte in den Ländern Amerikas aufzutun, und kritisierte die vor kurzem unterzeichneten Freihandelsvereinbarungen zwischen den USA und lateinamerikanischen Ländern. Er sagte, sie berücksichtigten nicht ausreichend die Asymmetrie zwischen den beteiligten Ländern, und betonte: "Aus diesem Grund werden die Vereinbarungen in Frage gestellt, nicht nur in Lateinamerika, sondern auch im Norden."
Ortega erklärte, es sei von grundsätzlicher Bedeutung, dass die USA zu einer neuen Einstellung gegenüber Lateinamerikanern kommen. Sie müssen die Lateinamerikaner als Völker sehen, "mit denen sie auf politischer Ebene zu respektvollen Beziehungen und auf wirtschaftlicher und sozialer Ebene zu gerechten Beziehungen kommen."
In dem Zusammenhang kritisierte er die 1132-km-lange Mauer, die an der Grenze zwischen den USA und Mexiko gebaut wird. Er wies darauf hin, dass sie gewaltiger sei als die berüchtigte Berliner Mauer, und betonte: "Das ist kein Weg, um das Immigrationsproblem zu lösen. Es ist von grundsätzlicher Bedeutung, dass sich die USA klar machen, dass es aus Gründen der Gerechtigkeit, der Gleichheit und natürlich auch der Stabilität nötig ist, dass wir, die wir ein Kontinent sind, zusammenarbeiten und dass wir dazu auch in der Lage sind. Genauso wie die europäischen Länder müssen auch wir eine gemeinsame politische Ausrichtung entwickeln. Die Europäer haben das Ungleichgewicht und die Asymmetrien zwischen ihren Ländern aufgegriffen und haben es verstanden, einen Weg zum Nutzen aller zu finden. Wenn die Lateinamerikaner zu Hause über Arbeit, ein Gesundheitssystem und ein Bildungssystem verfügten, hätten sie es nicht nötig, in die USA auszuwandern." (El Nuevo Diario, Radio La Primerísima, Radio Maranatha, Channel 4, 8, TV, 18. November)
Die Abgeordneten der Nationalversammlung
Die Namen der Abgeordneten der neuen Nationalversammlung wurden inzwischen bekannt gegeben. Die Sandinistische Front für Nationale Befreiung (FSLN) erhält 38 Sitze, die Liberal-Konstitutionalistische Partei (PLC) 25 Sitze, die Liberal-Nationale Allianz (ALN) 22 Sitze und die Sandinistische Erneuerungsbewegung (MRS) 5 Sitze. (Anm. d. Übers.: Es folgen die Namen der Delegierten, die hier nicht wiedergegeben werden) (Radio La Primerísima, 15. November)
Die Arithmetik der Nationalversammlung hat Einfluss auf die Machenschaften um den "Pakt"
Nachdem die Sitzverteilung in der Nationalversammlung nach Bekanntgabe der endgültigen Zahlen durch den Obersten Wahlrat inzwischen feststeht, würde die FSLN (38 Sitze) zusammen mit der PLC (25 Sitze) über eine bequeme Mehrheit verfügen, die es ihr erlauben würde, jedes beliebige Programm durchzuziehen, einschließlich Verfassungsänderungen. Jedoch entwickelt sich um die unterlegenen Präsidentschafts- und Vizepräsidentschaftskandidaten José Rizo und José Antonio Alvarado innerhalb der PLC ein beachtlicher Block, der diese angenommene Mehrheit wie einen angestochenen Ballon zum Platzen bringen könnte. Und damit müsste das umstrittene Zusammengehen, durch das die beiden Parteien die meisten zentralen Einrichtungen in Nicaragua unter ihre Kontrolle gebracht haben, ein Ende finden.
Einer der Parlamentsabgeordneten, der für seine freimütigen Äußerungen bekannt ist, bestätigte, dass er, "komme, was da wolle", auf jeden Fall in der Partei bleiben werde, ermahnte aber gleichzeitig seine Kollegen: "Gebt acht! Die Pausenzeit ist vorbei. Der Name des künftigen Präsidenten ist Daniel Ortega. Er ist der Mann, der am nächsten 10. Januar die Macht übernimmt."
Laut Aussage des PLC-Abgeordneten Enrique Quinones wäre das Schlimmste, was der PLC in der Nachwahlzeit passieren könnte, dass sie "den Pakt mit der Sandinistischen Front aufrecht erhält. Wenn es am Ende des Tages gerade mal meine Stimme ist, die gegen den Pakt abgegeben wird, meinetwegen." Er wies jedoch darauf hin, dass neben Rizo, Alvarado und ihm selbst mindestens sieben Weitere, alle Mitglieder der Nationalversammlung, eindeutig der Meinung seien, dass der Pakt beendet werden müsse. "Das bedeutet, dass wir die Kontrolle, die Alemán und Ortega in den vergangenen sieben Jahren über das Land ausgeübt haben, brechen können", war seine Schlussfolgerung.
In ähnlicher Weise wogen die Strategen der Sandinistischen Front die möglichen Stimm-Kombinationen gegeneinander ab. Angesichts der Tatsache, dass die Front im Bündnis mit Eduardo Montealegres Liberal-Nationaler Allianz (ALN) über eine "qualifizierte Mehrheit" verfügen würde, sagte FSLN-Sprecher Rafael Córdoba, es werde keine Bündnisse aufgrund der Vergabe von Regierungsfunktionen und -posten geben. "Die Aufteilung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten wird aufgrund klarer Richtlinien erfolgen", stellte er klar.
Wilfredo Navarro vom orthodoxen Flügel der PLC erklärte: "Die Nationalversammlung ist ein Forum für Verhandlungen. Die PLC wird mit allen Gruppierungen verhandeln, einschließlich der FSLN. Unseren Zusammenschluss verdanken wir 800 000 Stimmen, nicht Arnoldo Alemán. Arnoldo Alemán hat keine Stimme in der Nationalversammlung."
Quinones wies auf die Schritte hin, die nötig sind, um das Ziel, ein Ende des Paktes, zu erreichen und forderte seine Kollegen auf, "politische Reife zu beweisen. Zuerst müssen wir einen pluralistisch zusammengesetzten Vorstand der Nationalversammlung wählen; darin sollen alle Parteien vertreten sein, aber die ‚demokratischen Kräfte' in der Mehrheit. Dann müssen die Kandidaten für die öffentlichen Ämter ausgewählt werden, und zwar aufgrund ihrer Fähigkeiten und nicht aufgrund ihrer Parteizugehörigkeit." Die PLC-Kollegen in der Nationalversammlung Ramon González und Maximino Rodríguez stimmten Quinones zu und forderten alle wahren Liberalen auf, sich zusammenzuschließen. Rodríguez erklärte: "Es geht um viel mehr als nur darum, Bündnisse in der Nationalversammlung zu schließen. Die demokratischen Sektoren müssen sich für 40 Jahre zusammenschließen, um endlich eine Organisation auszulöschen (er bezog sich damit auf die FSLN), die international von linken Gruppen unterstützt wird." (La Prensa, 21. November)
Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Paul Baker Hernández.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Agnes Bennhold.
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