Meldungen aus Nicaragua vom 10.09.2007

  1. Ortega: 30 Millionen US-$ sind notwendig, um den Prozess des Wiederaufbaus in RAAN zu beginnen
  2. ALN and PLC sign political agreement and approve legislation to limit faculties of CPCs
  3. Exxon-Mobil bricht Verhandlungen ab und unterbricht Ölimporte
  4. Debatte um therapeutischen Schwangerschaftsabbruch erhitzt die Abgeordneten der Nationalversammlung, Reform geplant
  5. Farmers call on government to take action to prevent shortage of basic grains
  6. Movement for Nicaragua holds march against CPC in Masaya
  7. Reta Fletes removed as Director of the Nicaraguan Women's Institute

Ortega: 30 Millionen US-$ sind notwendig, um den Prozess des Wiederaufbaus in RAAN zu beginnen

Am Morgen des 4. September erklärte Präsident Daniel Ortega den Notstand in der autonomen nördlichen Atlantikregion (RAAN), nachdem der in Kategorie fünf hochgestufte Hurrikan Felix die Region während der frühen Morgenstunden verwüstet hatte. Nach der Erklärung des Notstandes wurden die ersten Hilfs- und Rettungsbemühung von unterschiedlichen Ministerien der Regierung koordinierte, der Katastrophenschutz (SINAPRED), die nicaraguanische Armee, Luftwaffe und Marine und anderer Institutionen der Regierung waren einbezogen.

Die von Hurrikan Felix am stärksten betroffenen Gebiete waren die Städte Bilwi/Puerto Cabezas, Sandy Bay und das Kap Gracias a Dios. Laut den offiziellen Statistiken wurde 90% aller Gebäude in der Stadt Bilwi/Puerto Cabezas beschädigt oder zerstört, inklusive eines Teils der Schutzräume, die eine temporäre Zuflucht ermöglichen sollten. In der Stadt Sandy Bay und in den meisten der 75 Landgemeinden wurden vom Hurrikan 100% aller Gebäude zerstört.

Laut den Statistiken der Regierung sind 150.000 Menschen direkt von der Katastrophe betroffen.

Der größte Teil der Infrastruktur in den betroffenen Städten und Gemeinden wie Straßen, Stromnetz, Telefonkabel, Funktürme, Hafenanlagen und sogar der Kontrollturm des Flughafens in Bilwi/Puerto Cabezas wurde ganz oder teilweise zerstört. Außerdem wurden 90 bis 100% der erwarteten Ernten in den betroffenen Gebieten zerstört und das Trinkwasser in den Brunnen wurde kontaminiert. Die humanitäre Situation in den meisten der Gemeinden lässt sich immer noch nicht beurteilten und einzelne Gebiete können immer noch nicht über Straßen oder Wasserwege erreicht werden.

Am 9. September wurde die offizielle Zahl der durch den Hurrikan verursachten Todesfälle von der Zentralregierung mit 67 angegeben, während 138 Menschen noch vermisst wurden. Die Regierung akzeptiert jedoch die Einschätzung, dass diese Zahlen wahrscheinlich auf einige Hundert steigen werden. In der Region von Kap Gracias a Dios am nordöstlichsten Punkt von Nicaragua, der am schlimmsten von Felix getroffen wurde, berichteten die Einwohner, dass Dutzende toter Körper an den Strand gespült wurden. In dieser Region lebt die Mehrheit der Bevölkerung vom Fischfang. Eine unbekannte Zahl von Fischerbooten ging auf dem Meer verloren, sagen Überlebende. Rogelio Flores, ein Angler, der den Hurrikan überlebt hatte, obwohl sein Boot zerstört wurde, sagte, dass noch fast alle 200 Männer, die auf den Booten waren, immer noch fehlen würden. Reinaldo Francis, ein Beamter der Gemeindeverwaltung, sagte, dass die Zahl der Toten in dieser Region bei 113 liegen würde, aber dass die tatsächliche Zahl "viel höher" sein werde. "Es ist durchaus möglich, dass wir nie wissen werden, wie viele Leute starben", sagte er.

Luis Carlos Avila, der Koordinator der kubanischen Ärzte, die in Nicaragua arbeiten, der sich gegenwärtig in Bilwi/Puerto Cabezas zur Untersuchung der Situation aufhält, sagte: "wir können jetzt von einer Epidemie sprechen", weil in den betroffenen Gebieten die Zahl der Menschen mit Durchfall und Erbrechen extrem angewachsen ist. Avila warnt, dass durch die verbreitete Verschmutzung der Brunnen und die rasche Zunahme der Stechmücken in den überfluteten Bereichen dringende Maßnahmen ergriffen werden müssten, um eine Welle von tödlichen Krankheiten wie Malaria, Denguefieber und Leptospirosis zu verhindern.

Am 6. September appellierte Präsident Ortega an die internationale Gemeinschaft, Bilwi/Puerto Cabezas mit Spenden für die Unterstützung der vom Hurrikan und der Zerstörung betroffenen Gebiete zu helfen. Laut einer ersten Schätzung der Regierung werden 30 Millionen US-$ benötigt, um dem unmittelbaren Bedarf für die Wiederherstellung der grundlegenden Infrastruktur für die Betroffenen zu ermöglichen. Ortega sagte, dass die unmittelbaren Prioritäten die Versorgung mit Trinkwasser, Wasserfiltern und die Ausstattung mit Nahrung, Decken, Wellblech und Plastikplanen für Notunterkünfte sowie Medikamente seien.

Am 9. September erklärte Ortega eine drei Tage dauernde Staatstrauer für die von Hurrikan Felix Getöteten. Er hob besonders die "Gelassenheit" und die gute "Organisation" der Bevölkerung trotz der schwierigen Umständen an der RAAN hervor. Er lobte auch den Rest der nicaraguanischen Bevölkerung für ihre Solidarität mit jenen, die vom Hurrikan betroffen wurden. [In den Städten und Gemeinden im Land organisierten die örtlichen Behörden die Sammlung von Geld-, Kleidungs- und Nahrungsspenden und allem Notwendigen.]

Ortega vertrat die Ansicht, dass das Programm für den Bau von Wohnungen und Infrastruktur im Rahmen der Förderung durch ALBA (die Bolivarische Alternative für die Amerikas), für das schon 5 Millionen US-$ für Nicaragua eingeplant waren, an die RAAN umgeleitet werden sollte, um damit zum Wiederaufbau in der Region beizutragen. Der Präsident kündigte weiter an, dass 11 Millionen US-$ vom Finanzministerium für die Nothilfe freigegeben werden sollten.

Während der Woche sagten mehrere Nationen und verschiedene internationale Organisationen ihre Unterstützung für Nicaragua zu, darunter unter anderem Honduras, El Salvador, die USA, Venezuela, Kanada, die Europäische Union, das Welternährungsprogramm und UNICEF. Die Europäische Union spendete 1,37 Millionen US-$, Kanada eine Million US-$ und sandte 10.000 Decken, die USA spendeten 150.000 US-$, Venezuela 1,5 Millionen US-$ plus 10 Tonnen Nahrungsmittel und Wasser, Baumaterialien, Kleidung und Fahrzeuge, die auch abgelegene Gebiete erreichen können.

Die UN beabsichtigt, einen "Blitz-Appell" an ihre Mitglieder zu richten und auf diesem Wege über 45 Millionen US-$ für den Wiederaufbau zu beschaffen. UNICEF hatte schon 200.000 US-$ versprochen und die panamerikanische Gesundheitsorganisation hat für den UN-Appell noch 200.000 US-$ zugesagt.

Der Vertreter des Welternährungsprogramms (WFP) in Nicaragua, William Hart sagte, dass 10.000 Tonnen Nahrungsmittel gebraucht würden, um die Lebensmittelversorgung für die vom Hurrikan Felix Betroffenen in den nächsten sechs Monaten zu garantieren. Das WFP hat 1.000 Tonnen für Nicaragua als Lieferung zugesagt und an die internationale Gemeinschaft appeliert, die übrigen 9.000 Tonnen zu liefern. (La Prensa, 06.09.,09.+10.09., El Nuevo Diario, 08.+09.09., Radio la Primerisima, 05.,06.+10.09., TV Kanal 2, 05.09., Kanal 8, 05.09., Radio La Nueva Ya, 09.09.)

Exxon-Mobil bricht Verhandlungen ab und unterbricht Ölimporte

Am 5. September verlies der Vertreter von Exxon-Mobil, Mauricio Espinoza, die laufenden Verhandlungen mit Regierungsvertretern. Laut dem Präsidenten von PETRONIC, Francisco Lopez, war eine Einigung zwischen Exxon-Mobil und der Regierung schon erreicht worden, als Espinoza einen Anruf erhielt und daraufhin das Treffen verlies.

Die Besprechung, bei der auch der Minister für Energie, Emilio Rappaccioli, und der Präsident des nicaraguanischen Energieinstituts (INE), David Castillo, anwesend waren, fand in den Büros der Gemeindeverwaltung von Corinto statt. Lopez sagte, dass der Termin geplant worden war, um eine Vereinbarung abzuschließen, durch die die Rückgabe von Exxon-Mobils Vorratstanks erleichtern würde, die am 17. August beschlagnahmt worden waren, damit PETRONIC die Tanks benutzen kann.

Auf 6. September bestätigte der Wirtschaftsberater des Präsidenten, Bayardo Arce, dass die Verhandlungen zwischen Exxon Mobil und der Regierung "unterbrochen" worden seien und sagte, dass Espinoza Anweisungen von "außerhalb Nicaraguas" erhalten habe, die Vereinbarung nicht zu unterschreiben. Laut Arce änderte Exxon-Mobil seine Position in der letzten Minute. Anfangs war Exxon-Mobil bereit gewesen, den Vertrag zwischen PETRONIC und dem nicaraguanischen Zoll (DGA) zu akzeptieren (der PETRONIC die Nutzung der Öltanks erlaubt), so lange sich PETRONIC an die international von der Ölindustrie eingeführten Normen halten würde.

"In der letzten Minute" sagte Arce, "forderte Espinoza, dass in dem Vertrag die Normen von Exxon-Mobil eingesetzt werden müssten." Das Problem bei diesem Vorschlag sei es laut Arce, dass durch diese Bedingungen im Vertrag Exxon-Mobil im Energiesektor jederzeit "Instabilität schaffen" könnte.

Einer der einflussreichsten Geschäftsleute in Nicaragua, der Multimillionär Carlos Pellas, bat Exxon Mobil, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. In seiner Rede bei einer vom Leitenden Rat der privaten Unternehmen (COSEP) organisierten Veranstaltung, die am 7. September stattfand, sagte Pellas, dass die Energiekrise die nationale Wirtschaft ernsthaft getroffen habe und fragte Exxon-Mobil, ob sie nicht "die Position der Regierung bedenken, die nationalen Interessen [Nicaraguas] berücksichtigen und eine Vereinbarung aushandeln könnten, die die Einfuhr von [venezolanischem] Erdöl ermöglicht".

Am 7. September, zur selben Zeit, unterbrach Exxon-Mobil die Einfuhr von Öl in seine anderen Vorratstanks in Hafen von Corinto (die Tanks, die von der Gesellschaft benutzt werden, um ihr in Nicaragua importiertes Öl zu lagern). Während Exxon-Mobil danach zwar weiter ihre eigenen Tankstellen im Land mit Öl aus seiner Raffinerie in Managua belieferte, wurden in Folge der erzeugten Knappheit die Verkaufsstellen von Shell und die Texaco-Tankstellen nicht mehr beliefert (beide Gesellschaften kaufen ihr Benzin innerhalb Nicaraguas von Exxon-Mobil). Bisher hat Exxon-Mobil keine Aussage dazu gemacht, ab wann die Gesellschaft wieder mit dem Import von Öl beginnen wird.

Der Präsident von INE, David Castillo, reduzierte die Bedeutung von Exxon-Mobils Entscheidung, die Importe zu unterbrechen, mit der Aussage, dass am 14. September in Corinto ein Schiff aus Venezuela mit genug Öl ankommen werde, um den durch die geschaffenen Knappheit entstandenen Bedarf zu decken. Castillo sagte, dass Shell und Texaco die Möglichkeit hätten, Benzin von PETRONIC zu kaufen, um ihre Tankstellen zu beliefern.

Am 17. August hatte eine Richterin aus Chinandega zur Sicherung von noch offenen Schulden von 2,9 Millionen US-$, die Exxon-Mobil beim nicaraguanischen Zoll (DGA) hat, die Beschlagnahmung der Tanks angeordnet. Das Motiv hinter der Beschlagnahmung ist jedoch komplizierter. Seit April hatte die Regierung Verhandlungen mit Exxon-Mobil geführt mit dem Versuch, die multinationale Gesellschaft dazu zu bewegen, ihre (unbenutzten) Vorratstanks an PETRONIC zu vermieten. Nach vier Monate langen erfolglosen Verhandlungen begann die Regierung nun, Exxon-Mobil unter Druck zu setzen, und beantragte die Beschlagnahme der Tanks.

PETRONIC hatte vor einem Jahr eine Vereinbarung mit der venezolanischen Ölgesellschaft PDVSA für die Einfuhr von 10 Millionen Fässern Öl geschlossen (ausreichend, um den ganzen nicaraguanische Bedarf zu decken), aber hat keine ausreichenden Lagereinrichtungen, um ohne Mehrkosten das Öl zu importieren. Exxon-Mobil, die 80% des Benzin- und Dieselmarkts in Nicaragua kontrolliert, betrachtet diese Vereinbarung zwischen PETRONIC und PDVSA als Bedrohung ihrer Position innerhalb des Landes. (El Nuevo Diario, 04.,07.+09.09., Radio La Primerisima, 05.,06.+10.09., Radio 580, 07.09., TV-Kanal 4, 07.+09.09., Kanal 8, 07.09.)

Debatte um therapeutischen Schwangerschaftsabbruch erhitzt die Abgeordneten der Nationalversammlung, Reform geplant

Die Mitglieder der Konferenz der katholischen Bischöfe in Nicaragua drückten ihre "Sorge" um die mögliche Wiedereinführung des Artikels in das Strafgesetz aus, der von 1893 bis 2006 die Durchführung von therapeutischen Schwangerschaftsabbrüchen unter bestimmten Umständen erlaubte hatte. Nur zehn Tage vor den Parlamentswahlen war im letzten Jahr das Strafgesetz geändert worden, so dass ein therapeutischer Schwangerschaftsabbruch unter allen Umständen als Verbrechen betrachtet wird, selbst dann, wenn er zur Rettung des Lebens der Mutter durchgeführt wird. Die sogenannte "Pro-Leben" - Kampagne dazu war von den katholischen und evangelischen Kirchen organisiert und finanziert worden.

Der Bischof von Esteli, Abelardo Mata, sagte, dass "wenn es notwendig ist", werde die katholische Kirche wieder einen Protestmarsch gegen den Vorschlag von "bestimmten Abgeordneten" organisieren, die das Recht wieder einzuführen wollten, einen therapeutische Schwangerschaftsabbruch unter bestimmten Umständen zu ermöglichen. "Wir wissen, dass es internationale Organisationen gibt, die die Legalisierung von therapeutischem Schwangerschaftsabbrüchen in Nicaragua fordern, weshalb wir einen dringenden Aufruf an die Abgeordneten der Nationalversammlung richten müssen, um die Pro-Leben-Kultur des nicaraguanischen Volks zu achten", sagte Mata.

Am 9. September kritisierten Frauenrechtsorganisationen die Position der nicaraguanischen Bischöfe. Patricia Orozco, Leiterin der Frauenbewegung "Kampagne des 28. September" sagte, dass die Konferenz der Bischöfe "illegal" handle, weil in der Verfassung festgelegt sei, dass Nicaragua ein säkularer Staat ist. Sie sagte, dass die Abgeordneten den Interessen der Gesellschaft als Ganzes verpflichtet seien und nicht nur den Interessen von Religionsführern.

Die Direktorin des Frauen handeln Jetzt - Zentrums, Martha Munguia, kritisierte auch die von führenden Vertretern der katholischen Kirche eingenommene Position und sagt, "sie laden die ganze Verantwortung der sexuellem Gewalt auf die Opfer.... und die Folge [dieser] fundamentalistische Einstellung ist es", fuhr sie fort, "dass Mädchen die in Folge einer Vergewaltigung schwanger werden zur Mutterschaft gezwungen werden, auch wenn es für ihr Alter nicht normal ist."

Munguia feierte die Entscheidung der Abgeordneten des Justizkomitees der Nationalversammlung dafür, dass sie bei einer Strafrechtsreform die Möglichkeit des therapeutischen Schwangerschaftsabbruchs wieder einführen wollen. Die Mitglieder des Justizkomitees hatten sich während der letzten Wochen mit Rechtsgruppen, medizinischen Experten und Frauen beraten, um eine Liste von Umständen festzulegen, unter denen ein therapeutischer Schwangerschaftsabbruch erlaubt werden soll. Der Vorsitzende des Komitees, Jose Pallais, sagte, dass zu den medizinischen Begründungen auf der Liste auch Eileiter-Schwangerschaften und Schwangerschaften von Minderjährigen gehörten, von denen Ärzte sagen, dass sie ein "ernstes Risiko" darstellen. Die Strafrechtsreform soll in dieser Woche in der Nationalversammlung erörtert werden. (El Nuevo Diario, 07.+09.09., Radio La Primerisima, 07.09., TV-Kanal 2, 07.09.)

Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Hannah Given-Wilson.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Rudi Kurz. Zur Finanzierung dieses Informationsdienstes überweisen regelmäßige Leser bitte jährlich 45 Euro (Komitees 60 Euro) an das Nicaragua-Forum. Rechnung auf Anfrage möglich.

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