Meldungen aus Nicaragua vom 26.05.2008
- Oberster Wahlrat streicht Rechtsstellung von PC, MRS und von zwei Indigena-Parteien
- Regierung kündigt Maßnahmen zur Bekämpfung des Inflations-"Tsunami" an
- Sao Paulo Forum: Latin America experiences a “change of epoch”
- Trivelli: after 9/11 no country wants to be considered as a refuge for terrorists
- Health Ministry notes worrying increase in cases of agro chemical poisonings in minors
- Firmen aus Freihandelszonen erreichen Teileinigung mit Regierung, Gespräche gehen weiter
- Government confirms lien against Barceló Group, owners of Montelimar Beach Hotel
- Will Aleman be free to run for president in 2011?
Oberster Wahlrat streicht Rechtsstellung von PC, MRS und von zwei Indigena-Parteien
Am 22. Mai kündigte der Sprecher des Obersten Wahlrats (CSE), Felix Navarette, an, dass der CSE entschieden habe, die Rechtsstellung von vier politischen Parteien, [der Konservativen Partei, der Sandinistischen Erneuerungsbewegung (MRS), der Multiethnischen Partei für die Einheit der Karibischen Küste (PAMUC) und der Multiethnischen Indigena-Partei (PIM) zu suspendieren. Navarette sagte, dass die Entscheidung, die Rechtsstellung der Konservativen Partei, der PAMUC und der PIM auszusetzen, durch die Tatsache begründet sei, dass diese drei Parteien die Voraussetzung nicht erfüllt hätten, in über 80% der Städte für die bevorstehenden Kommunalwahlen Kandidaten aufzustellen. Die Entscheidung über die Suspendierung der Rechtsstellung der MRS, sagte er, sei begründet durch die fehlende Bereitschaft dieser Partei, eine ausreichende Dokumentation über ihren internen Strukturwandel vorzulegen, der innerhalb der MRS nach dem Parteitag im Februar 2007 stattgefunden habe. Navarette sagte, dass die Parteien nun innerhalb von sechs Tagen Berufung gegen die Entscheidung einlegen könnten.
Am 23. Mai erklärten Enrique Saenz und Azalee Aviles, die Vorsitzenden der MRS und der Konservativen Partei, ihre Entrüstung über die Entscheidung des CSE und widersprachen der Behauptung, dass ihre Parteien versäumt hätten, die Anforderungen nach dem Wahlgesetz zu erfüllen. Während einer Pressekonferenz präsentierte Saenz Kopien der Korrespondenz zwischen seiner Partei und dem CSE, von denen er sagte, dass sie bewiesen würden, dass die MRS alle notwendigen Dokumentationen pünktlich vorgelegt habe. Saenz sagte, dass die Entscheidung des CSE "Teil eines Versuchs ist, die politische Freiräume zu schließen“, und dass er und seine Kollegen alles ihnen mögliche tun würden, "ihre Rechte juristisch und politisch zu verteidigen."
Aviles bezeichnete die Entscheidung des CSE als "unbegründet", und wies die Beschuldigung zurück, dass es die Konservative Partei versäumt habe, in über 80% der Städte Kandidaten zu benennen. Laut der führenden konservativen Politikerin entspreche die CSE-Entscheidung den Interessen hinter dem "Pakt" zwischen der Liberal-Konstitutionalistischen Partei (PLC) und der Sandinistischen Partei (FSLN).
Der Parteiführer der PAMUC, Kenneth Serapio Hunter, sagte am 25. Mai, dass er aufgrund der CSE-Entscheidung sehr besorgt sei und erklärte in Übereinstimmung mit Saenz und Aviles, dass die Entscheidung mit den politischen Interessen übereinstimme. Nach Aussage von Serapio habe die rivalisierende Indigena-Partei (die mit der FSLN verbündete) Yatama die Regierung davon überzeugt, PAMUC die Rechtsstellung als Partei abzusprechen, um bei den bevorstehenden Kommunalwahlen ihren Sieg zu garantieren. "Ich fühle mich, als würden wir in die 80er-Jahre zurückkehren," sagte Serapio, "... die totalitären Entscheidungen der Parteien von der Pazifischen Küste machen es notwendig, dass wir nach Alternativen [zu Wahlen] suchen (...) um den Traum unserer Vorfahren von einem unabhängigen Staat zu realisieren".
Der Präsident des CSE, Roberto Rivas, bestätigte am 23. Mai die Entscheidung des CSE, indem er sagte, dass in vielen Fällen die Voraussetzung nicht erfüllt worden sei, Kandidaten in über 80% der Städte innerhalb der Registrierungszeit aufzustellen, weshalb die Parteien aus der Wahlregistrierung ausgeschlossen worden seien. (El Nuevo Diario, 23.+24.05., La Prensa, 26.05., Radio la Primerisima, 22.+23.05., TV-Kanal 2, 23.05.)
Regierung kündigt Maßnahmen zur Bekämpfung des Inflations-"Tsunami" an
Am 22. Mai warnte der Minister für Handel und Verkehr, Orlando Solorzano, bei einer Pressekonferenz, dass der steigende Ölpreis (gegenwärtig kostet ein Barrel über 135 US-$) einen "Tsunami" verursachen könne für die Nicaraguanische Wirtschaft. "Wir müssen uns [auf diesen Tsunami] vorbereiten, denn wenn wir darauf vorbereitet sind, können wir uns verteidigen." Solorzano sagte weiter, dass die Regierung mit Vertretern der privaten und produktiven Bereiche geredet habe, um eine Strategie zu entwickeln, mit der die Auswirkungen der steigenden Inflation auf die Bevölkerung reduziert werden könnten.
Solorzano erklärte, dass die Regierung weiter die Kapazität und den Einfluss von ENABAS (der nationalen Grundnahrungsmittel-Gesellschaft) auf dem nationalen Markt zu vergrößern wolle, um "den internen Handel von oben bis unten zu organisieren". Die Regierung wolle in der nächsten Zeit direkte Kauf- und Verteilungsvereinbarungen mit organisierten Produktionsgruppen (Kooperativen) und kleinen Produzenten und Händlern von Grundbedarfsgütern (Reis, Bohnen, Getreide, Zucker, Eier, Fleisch, Molkereiprodukte, Medikamente usw.) unterzeichnen, um so die negativen Auswirkungen von Zwischenhändlern und Spekulanten zu reduzieren und für die Bevölkerung auf diese Weise einen Zugang zu Grundprodukten unterhalb der Marktpreise zu schaffen und so auch den Preis dieser Produkte auf dem Markt insgesamt zu senken. "Wir wollen keine [Preise] kontrollieren", sagte Solorzano, "das Gesetz ermöglicht dies nicht und wir denken auch nicht, dass dies eine Lösung wäre."
Gegenwärtig gibt es 298 Verkaufsstellen für Grundprodukte im Land; die Regierung plant, in diesem Jahr noch 793 zu eröffnen. Die Verkaufsstellen (lokale Läden, die mit Grundprodukten von ENABAS beliefert werden) wurden mit der Hilfe der örtlichen Räte der Bürgermacht (CPC) eröffnet.
Während derselben Pressekonferenz kündigte der Minister für Land- und Forstwirtschaft (MAGFOR), Ariel Bucardo, an, dass das Ministerium über 70 Millionen US-$ verfüge, um die Produktion der kleinen und mittleren Bauern während des landwirtschaftlichen Produktionszeitraumes 2008/09 (Mai 2008 zum April 2009) durch Kredite zu unterstützen - mit einem Zinssatz von Null Prozent. Diese Gelder seien von verschiedenen staatlichen Institutionen, der Venezolanischen Sozial-Wirtschaftlichen Entwicklungsbank (BANDES) und der ALBA-Bank (Bolivarische Alternative für die Völker unseres Amerikas) bereitgestellt worden. Mit diesen Geldern sollen 111.000 Bauern unterstützt werden, um die nationale Produktion von Reis, Bohnen, Getreide, Molkereiprodukten, Kaffee, Kakao und Rindfleisch deutlich zu steigern.
Laut Bucardo reichen diese Gelder "jedoch nicht, um 100% der Forderungen des produktiven Sektors zu erfüllen". Die Regierung führe deshalb gegenwärtig Gesprächen mit Privatbanken und Geldinstituten, um für Landwirte einen besseren Zugang zu zinsgünstigem Krediten zu ermöglichen.
Am 24. Mai erklärte der Präsident der nicaraguanischen Zentralbank, Antenor Rosales, dass in den ersten drei Monaten des Jahres 2008 die Inflation 6,47% betragen habe und damit unter der offiziellen Schätzung für das laufende Jahr von 8% gelegen habe. Deshalb sei eine niedrigere Inflationsrate wahrscheinlich. Während die allgemeine Inflation von Januar bis April dieses Jahres bei 6,47% gelegen habe, stiegen die Lebensmittelpreise während derselben Zeit um durchschnittliche 7,04 %.
Rosales sagte, dass die Regierung durch die Steuer- und Finanzpolitik zur Senkung der Inflation beitragen wolle. Deshalb solle sowohl das Angebot an Lebensmitteln durch die Finanzhilfe für den Agrarsektor verbessert werden und die Zentralbank beabsichtige, alles ihr mögliche zu tun, um Nicaraguas internationale Reserven zu vergrößern. Er fuhr mit der Ankündigung fort, die jährliche Abwertung des Cordobas gegen dem US Dollar auf 5% senken zu wollen, weshalb er von einigen Wirtschaftswissenschaftlern kritisiert wurde, die glaubten, dass es verrückt sei, den Cordoba gegen eine stark sinkende Währung noch weiter abzuwerten. (TV-Kanal 4, 22.05., TV-Kanal 2, 22.05., Radio la Primerisima, 24.05., El Nuevo Diario, 25.05.)
Firmen aus Freihandelszonen erreichen Teileinigung mit Regierung, Gespräche gehen weiter
Nach der neuen Entscheidung von mehreren multinationalen Unternehmen aus Freihandelszonen in Nicaragua, das Land zu verlassen, wuchs der Druck auf Präsident Daniel Ortegas Regierung, dafür zu sorgen, dass andere Gesellschaften diesem Anzug nicht folgen und damit über Zehntausend NicaraguanerInnen ohne Arbeitsplätze zurückbleiben würden. Am 25. Mai traf Ortega den Präsidenten des Verbandes der Privatunternehmen (COSEP), Jose Adan Aguerri, und wichtige Vertreter von über zehn multinationalen Firmen aus Freihandelszonen, um die Situation in diesem Sektor zu erörtern. Laut Aguerri drückten die Geschäftsführer der multinationalen Firmen gegenüber dem Präsidenten ihre Sorgen aus, dass sie bei einem weiteren Verbleib in Nicaragua eine größere soziale und gesellschaftliche Verantwortung erhalten würden.
Bei der Besprechung gab es eine Übereinstimmung darüber, dass das Nationale Technologische Institut (INATEC) die Möglichkeit erhalten soll, ArbeiterInnen aus Freihandelszonen auszubilden und dass die Regierung garantieren soll, dass die Steuerbehörden und die nicaraguanische Zollbehörde beim Umgang mit Firmen aus Freihandelszonen effizienter handeln können.
Aguerri sagte, dass im Gespräch auch die Angelegenheit des Mindestlohns erörtert worden sei, aber dass man dabei zu keiner Vereinbarung gekommen sei. Abschließend wurde vereinbart, dass eine gemischte Kommission gegründet werden soll, die während der kommenden Wochen über die vorgebrachten Angelegenheiten und Lösungsmöglichkeiten beraten soll. (Radio La Primerisima, 26.05.)
Dies ist eine auszugweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Hannah Given-Wilson bzw. Katherine Hoyt.
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Übersetzungen: Agnes Bennhold, Peter Schulz, Rudi Kurz.
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