Meldungen aus Nicaragua vom 30.06.2008
- IMF clarifies position on Venezuelan aid; Assembly debates budget changes
- Opposition demonstriert am 27. Juni
- Barceló Montelimar denies accusations of manipulating accounts
- “Straßen für die Leute” macht Fortschritte. Kritische Stimmen werden laut
- Indigenous land demarcation held up
- Demobilisierte treffen Regierungsbeamte zur Klärung von Besitz- und Pensionsfragen
- Agriculture Minister Bucardo visiting farmers throughout Nicaragua
- Reforestation Campaign begins in Managua
Opposition demonstriert am 27. Juni
Am 27. Juni demonstrierten Tausende Nicaraguaner in Managua „gegen die Ortega-Diktatur, gegen die ungerechten Vergünstigungen aus dem Ortega-Aleman-Pakt, gegen die ständigen Preissteigerungen bei Grundnahrungsmitteln, gegen die zunehmende Inflation und gegen das Fehlen ernstzunehmender Projekte sozialer oder politischer Natur, um Armut und Arbeitslosigkeit abzubauen“, so die Stellungnahme der Organisatoren.
Zwölf Gruppen der Zivilgesellschaft haben sich zum „Bürgerverband für Demokratie“ zusammengeschlossen, um die Demonstration zu organisieren. Zu dem Bürgerverband gehörten das Zivile Koordinationsteam, die Bewegung für Nicaragua, INCIDE, die Ständige Menschenrechtskommission, die Gruppe für Bürger-Verantwortung und Bürger-Aktion, die Autonome Frauenbewegung, die Vereinigte Bewegung für Leon, die Gruppe „Lasst-uns-Demokratie-Machen“, die Violeta Barrios de Chamorro-Stiftung, FUNDEMOS und der Nicaraguanische Lehrerverband. Die Sandinistische Erneuerungsbewegung, die „Lasst-uns-mit Eduardo-Gehen“-Bewegung und die Konservative Partei schlossen sich der Demonstration an. Es war die zweite Demonstration innerhalb einer Woche. Mit der Demonstration sollte gegen die am 11. Juni verfügte Streichung des Rechtsstatus zweier nicaraguanischer politischer Parteien, der Sandinistischen Erneuerungsbewegung (MRS) und der Konservativen Partei (PC), protestiert werden.
Bekannte Persönlichkeiten des nicaraguanischen Kulturlebens, darunter der Historiker, Schriftsteller und frühere Vizepräsident Sergio Ramirez, die Dichterin und Schriftstellerin Gioconda Belli, der Dichter und Priester Ernesto Cardenal und der Sänger und Liedermacher Luis Enrique Mejia Godoy, nahmen an der Demonstration teil. Erste Rednerin war Dora Maria Tellez. Tellez, eine frühere sandinistische Guerilla-Kommandantin, die in der ersten sandinistischen Regierung Gesundheitsministerin war und kürzlich einen Hungerstreik beendet hat, mit dem sie gegen die Politik der derzeitigen Regierung von Präsident Daniel Ortega protestierte, sagte, dass die Demonstranten mit ihrer Aktion einen Prozess einleiteten, an dessen Ende der Pakt zwischen Ortega und Arnoldo Aleman, dem Ex-Präsidenten und Vorsitzenden der Liberal-Konstitutionalistischen Partei (PLC) zu Grab getragen wird. Sie beschuldigte die Ortega-Regierung, über die finanzielle Hilfe, die das Land von Venezuela erhält und deren Gesamtsumme nach weniger als zwei Jahren 520 Millionen US-Dollar beträgt, keine Rechenschaft abzulegen.
Demonstranten forderten Daniel Ortega auf zurückzutreten. Sie bezeichneten ihn als “inkompetent“ und als „Terroristen“, weil er Frauen Asyl gewährt hat, die Verbindung hatten zu den Revolutionären Bewaffneten Kräften Kolumbiens (FARC). Auf den Transparenten stand: „“Genug!“ „Er muss gehen!“ „Nein zum Pakt!“ „Ortega und Somoza sind das Gleiche!“ und „Dies ist der Anfang vom Ende!“
An der Demonstration, die ohne Zwischenfall verlief, nahmen nach Angaben der Organisatoren mehr als 15 000 Menschen teil, nach Angaben der Polizei waren es 6000.
Maximino Rodriguez, Fraktionsvorsitzender der PLC in der Nationalversammlung, und José Pallais, Vorsitzender des Justiz-Ausschusses der Nationalversammlung, nahmen als Vertreter der PLC an der Demonstration teil. Rodriguez erklärte, sie beteiligten sich; denn „die PLC ist gegen die Grausamkeiten Ortegas und gegen seine falsche Politik; wir müssen uns solidarisch zeigen mit den Ärmsten der Armen, die derzeit nichts zu essen haben und denen der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen verwehrt ist, weil Ortega kein Interesse daran hat, Nicaragua zu regieren, sondern nur daran, den internationalen Terrorismus zu unterstützen.“ La Prensa schrieb: „“Die Erklärungen von Rodriguez stehen in scharfem Kontrast zu der Haltung seiner Partei, die Vorbereitungen trifft, als Teil des Paktes mit Ortega Richter für den Obersten Gerichtshof zu wählen.“
Unterdessen erklärte Roberto Courtney, Leiter der nationalen Wahlbeobachter-Gruppe Ethik und Transparenz (E&T), hinsichtlich des Wahlverfahrens in einem Interview mit La Prensa: „Wir stehen vor ungeheuren Problemen, was die Frage der Illegalität betrifft, und wenn sich nicht vieles ändert und die Geschehnisse eine neue Richtung einschlagen, werden die Gemeindewahlen als gesetzwidrig gelten. Das bedeutet aber nicht, dass wir zurücktreten.“ Auf die Frage, warum Ethik und Transparenz am 27. Juni nicht an der Demonstration teilnahm, erwiderte Courtney: „Weil die Demonstration eine Oppositions-Demonstration war und E&T keine Oppositions-Organisation ist. E&T ist keine politische Partei. Die Unabhängigkeit von E&T ist bei uns ein Grundprinzip.“
Kritik an der Streichung des Rechtsstatus der MRS und der PC kam auch von sandinistischer Seite. Felipe Stuart Cournoyer weist darauf hin, dass der Rat der Wahlexperten Lateinamerikas zwar erklärt habe, dass die Entscheidung des Obersten Wahlrats nicht gegen nicaraguanisches Gesetz verstößt, dass es sich dabei aber um einen schwerwiegenden anti-demokratischen Beschluss handelt, einen politischen Beschluss, der durch ein anti-demokratisches Gesetz, das auf einer langen Tradition staatlicher Kontrolle über politische Parteien beruht, ermöglicht wurde.“ Er bemerkt, dass das Berufungsgericht in Managua bereits auf eine Petition der MRS reagiert hat und die Entscheidung des Obersten Wahlrats an den Obersten Gerichtshof weiterleitete, was „voraussichtlich bedeutet, dass viel Zeit verstreichen wird, ehe ein endgültiges Urteil vorliegt.“ Stuart, ein Sandinist, sagt: „Nach meiner unmaßgeblichen Meinung“ stellt die Entscheidung „einen schwerwiegenden politischen Irrtum dar und eine schwerwiegende Fehleinschätzung seitens FSLN und PLC“, womit er die beiden Parteien nannte, die im Wahlrat vertreten und für die Entscheidung verantwortlich sind. (El Nuevo Diario, 24. Juni; La Prensa, 27., 28., 29. Juni; Links: International Journal of Socialist Renewal at: http: // links.org.au/node/482 , 1. Juli)
“Straßen für die Leute” macht Fortschritte. Kritische Stimmen werden laut
Das „Straßen für die Leute“-Programm sieht vor, dass 1 000 Straßenabschnitte in Städten gepflastert werden, was 100 Kilometern oder 60 Meilen entspricht; bezahlt werden soll die Arbeit aus Mitteln, die in den von den Präsidenten Venezuelas und Nicaraguas unterzeichneten Öl-Verträgen vereinbart worden sind. Obwohl Präsident Daniel Ortega beim Start des Programms erklärt hatte, dass das Ministerium für Transport und Infrastruktur und die Stiftung für Soziale und Dringlichkeits-Investitionen das Programm durchführen würden, sind nun die Bürgermeister der Städte des Landes für das Programm zuständig; dazu stellten führende Oppositionspolitiker letzte Woche fest, dass die 83 sandinistischen Bürgermeister den größten Batzen bekommen; daneben erhalten auch 19 Städte mit liberalen Bürgermeistern Mittel für die Straßenpflasterung. Laut Plan soll die Straßenpflasterung im November, wenn die Gemeindewahlen stattfinden, beendet sein.
Die Tageszeitung La Prensa berichtet, dass die öffentlichen Arbeiten ohne vorherige Ausschreibung vergeben wurden. Gonzalo Navarro, der sandinistische Bürgermeister von Matagalpa, wo 23 Straßenabschnitte gepflastert werden sollen, sagte: „In unserem Fall hat das Bürgermeisteramt direkt einen Vertrag abgeschlossen, weil wir Regenzeit haben und die Dinge rasch in die Wege leiten wollten.“
Ausbezahlt werden die Mittel für die Projekte von der Organisation Alba-Caruna (Kooperative für Spareinlagen und Kredite – Mittel für die Landwirtschaft), die im Rahmen der Bolivarianischen Alternative für die Americas (ALBA) die Mittel aus den Ölvereinbarungen mit Venezuela verwaltet.
In Managua werden 400 Straßenabschnitte gepflastert und dafür 8 Millionen der 20 Millionen US-Dollar, die für das Programm vorgesehen sind, ausgegeben. Die Projekte sind bisher zu 25% fertig gestellt. Diejenigen Straßen, die bereits über die nötige Infrastruktur wie zum Beispiel Abwässerkanäle verfügen, werden asphaltiert, während die Straßen, die über nichts derartiges verfügen, mit Steinen gepflastert werden, die leichter wieder entfernt werden können. (La Prensa, 27. Juni)
Demobilisierte treffen Regierungsbeamte zur Klärung von Besitz- und Pensionsfragen
Annähernd 2 000 einstige Kämpfer, die meisten Mitglieder des Nicaraguanischen Widerstands (Contras), trafen sich am 29. Juni in Rama mit einer hochrangigen Regierungsdelegation, um Besitzfragen, „die Konflikte unter Brüdern mit sich bringen,“ endgültig zu klären. Generalstaatsanwalt Hernán Estrada erklärte: „Ein Grund dafür, dass die Klärung der Besitzfragen solche Schwierigkeiten bereitet, ist darin zu sehen, dass frühere Regierungen das Land aus der Behaglichkeit ihrer Büros heraus aufgeteilt haben, ohne die tatsächliche Lage vor Ort zu kennen.“
Estrada bestätigte die Entscheidung der Ortega-Regierung, dass einerseits „kein zusätzlicher Fingerbreit“ Land besetzt werden darf, dass aber andererseits Bauern, die seit Jahren ein Stück Land bearbeiten, nicht von den Behörden vertrieben werden dürfen. Er erklärte, dass, solange die Legalisierungsmaßnahmen laufen, die Regierung, in Zusammenarbeit mit der Kommission für Verifikation, Versöhnung, Frieden und Gerechtigkeit, die von Kardinal Miguel Obando y Bravo geleitet wird, weder falsche noch vorläufige Besitztitel ausgeben noch eine Besitzerweiterung genehmigen darf. In El Rama wurden den Besitzern von 33 Ländereien Besitztitel zuerkannt, aber nach Aussage Nelson Artolas, des Vorsitzenden der Kommission, „ist noch sehr viel zu tun.“
Father Carlos Zúniga, Gemeindepfarrer in El Rama und kommunaler Koordinator der Kommission, sieht es als seine Aufgabe an, weiterhin eng mit der Zentralregierung und mit den demobilisierten Kämpfern zusammenzuarbeiten, „um rasch eine Lösung für das Problem zu finden“, das nach seiner Meinung „nur gemeinsam von allen, die damit zu tun haben und davon betroffen sind, gelöst werden kann.“
Am 28. Juni setzte der Vorstand der Nicaraguanischen Widerstandspartei (PRN) der Regierung eine Frist von 60 Tagen, um die Vereinbarungen einzulösen, die sie mit den Contras im Gegenzug gegen deren Ablieferung ihrer Waffen getroffen und unterzeichnet hat. Das Einlösen der Vereinbarungen unter der Regierung Ortega wurde an die von Kardinal Obando geleitete Kommission delegiert.
Der PRN-Vorsitzende Julio Caesar Blandón (Kommandant Kalimán) betonte, dass Obando „willens“ ist, das Problem zu lösen, aber von der Zentralregierung noch immer nicht die nötigen Mittel dafür erhalten hat. Blandón wies darauf hin, dass 55% der Demobilisierungsvereinbarung noch nicht erfüllt sind. „Diejenigen, die seit den 1990er Jahren die Führung in diesem Lande hatten, sind den Verpflichtungen der Vereinbarung nicht nachgekommen,“ sagte Blandón. Er kündigte an, dass die PRN an keinen weiteren Treffen der Obando-Kommission teilnehmen werde, ehe nicht „der klare Wille besteht, die Forderungen der Demobilisierten zu erfüllen.“
Blandón sagte, dass die Demobilisierten wissen, dass nicht alle Vereinbarungen auf einmal erfüllt werden können. „Wir wissen, dass der Kardinal nicht über Banken voller Geld oder unbeschränkt über Land verfügt. Aber wir üben ein bisschen Druck aus, um die Antwort zu bekommen, auf die wir seit 18 Jahren warten.“ Blandón gab zu, dass Probleme existieren, weil in vielen Fällen für den gleichen Besitz an mehrere Leute Besitztitel ausgegeben wurden. Er wies darauf hin, dass 1 855 Demobilisierte noch immer kein Stück Land erhalten haben und 1 380 Veteranen mit kriegsbedingten Behinderungen keinerlei Rente erhalten. Blandón appellierte an die Nationalversammlung, „nicht nur zu palavern, sondern ein Gesetz zu beschließen, durch das das Problem gelöst wird.“ Im Hinblick auf die politische Auseinandersetzung zwischen der Ortega-Regierung und der Opposition meinte Blandón: „Wir lassen uns nicht als Schachfiguren hin und her schieben.“ (La Prensa, 28. Juni; Radio La Primerísima, 29. Juni)
Dies ist eine auszugweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Hannah Given-Wilson bzw. Katherine Hoyt.
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Übersetzung: Agnes Bennhold.
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