Nachricht aus Nicaragua zur aktuellen Situation

Ausgabe vom 29-07-2019

Nicaragua: Glaubwürdigkeit von Menschenrechtsorganisation ANPDH in Frage gestellt

Die Glaubwürdigkeit der Nicaraguanischen Vereinigung für Menschenrechte ANPDH wurde in Frage gestellt, nachdem Direktoren der Organisation den bisherigen Geschäftsführer Álvaro Leiva beschuldigten, die Zahl der Toten und Verletzten während des Konfliktes in Nicaragua im Frühjahr 2018 bewusst übertrieben zu haben. Die gefälschten Zahlen wurden in die Berichte der Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (CIDH), der der UN-Menschenrechtsorganisation (OHCHR) und von anderen internationalen Organisationen übernommen. Inzwischen haben sich die aufgeblähten Zahlen als Betrug erweisen.

Nach einem Treffen mit dem ultrakonservativen Bischof von Estelí Abelardo Mata Anfang Juli hatten die Direktoren von ANPDH beschlossen, den Vorstand der Organisation neu zu strukturieren und Exekutivsekretär Álvaro Leiva aus dem Amt zu entlassen. Leiva war im vergangenen Jahr aufgrund der von ihm veröffentlichten Informationen der besondere Schutz durch die Interamerikanische Menschenrechtskommission (CIDH) gewährt worden. Im August letzten Jahres war Leiva wegen von ihm angegebenen Sicherheitsproblemen nach Costa Rica gegangen, wo er eine neue NGO gründete, die auch aus dem Ausland finanziert werden sollte.

Innerhalb von ANPDH ist inzwischen ein Kampf um die Verantwortung ausgebrochen, der mit harten Bandagen geführt wird. Es wurde bekannt, dass die ANPDH-Geldgeber damit begonnen haben, Rechenschaft für die Verwendung und die Nutzung der überwiesenen Gelder zu verlangen, aber von der Zentrale wird die Verantwortung auf Leiva abgewälzt. Zu den Finanziers der Organisation gehörten internationalen Organisationen wie die National Endowment for Democracy (NED), das National Democratic Institute (NDI) und Open Society, die für die Destabilisierung fortschrittlicher Regierungen in Lateinamerika bekannt sind. ANPDH war 1986 in Miami gegründet worden und Teil des US-Programms zur Unterstützung der Contras bei ihrem Kampf gegen die sandinistische Regierung.

Bisher hat der als Geschäftsführer der Organisation entlassene Álvaro Leiva noch nicht auf die ernsten Anschuldigungen reagiert. Ende Juni hatte er die Direktoren beschuldigt, mit der sandinistischen Regierung zu kooperieren. Die Organisation soll nun nach den Vorwürfen vom Innenministerium in Managua überprüft werden. Zusätzlich zu der Fälschung von Menschenrechtsberichten wird Leiva und anderen Mitgliedern der Verstoß gegen die Statuten der Organisation, die Fälschung von Unterschriften, der Zugriff auf die Spendengelder usw. vorgeworfen.

In dem Online-Medium der Opposition wurde Leiva in Schutz genommen, weil man von ihm nicht erwarten könne, für Menschenrechtsverletzungen eine umfangreiche Dokumentation zu erstellen. Die früher veröffentlichten Berichte und die alten Kontaktangaben hat ANPDH inzwischen von ihrer Homepage und von Auftritten auf sozialen Medien gelöscht und ruft aktuell nur noch zu Spenden für die Organisation auf. 2018 hatten Álvaro Leiva und die ANPDH inmitten ihrer Desinformation zu Nicaragua den von der deutschen und französischen Botschaft in Managua vergebenen Menschenrechtspreis 2018 erhalten.

Während der gewaltsamen Proteste im Vorjahr war ANDPH die Organisation, die die höchsten Zahlen von Todesfällen, Verletzten, Verhaftungen und angeblich Verschwundenen veröffentlichte. In ihrem letzten Bericht von Leiva hieß es, dass es mehr als 560 Tote durch Polizei und Paramilitärs gäbe, mehr als 4500 Verletzte und mindestens 1300 Entführte und Verschwundene. Auf die Unstimmigkeiten in den Berichten der Organisation hatte die nicaraguanische Kommission für Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden (CVJP) mehrfach hingewiesen.

Laut dem letzten differenzierten Bericht von CVJP kam es bei dem Konflikt zu insgesamt 253 Toten. Davon starben 220 Personen im direkten Zusammenhang mit den Konflikten, 27 im Feuergefecht und 6 durch abprallende Schüsse. 140 Menschen davon starben im Zusammenhang mit den Straßensperren und ihrer Räumung. 31 Opfer gehörten zu "selbstorganisierten Oppositionsgruppen", 48 waren Mitglieder der Sandinisten, 22 waren Polizisten und für die restlichen 152 gibt es keine Angaben zu einer Zugehörigkeit.

Rudi Kurz, Nicaragua-Forum Heidelberg