Los Pipitos: Null Hunger und andere Träume

(aus Nicaragua Aktuell Dezember 2008)

Los Pipitos sind eine Selbsthilfeorganisation von Eltern behinderter Kinder und Jugendlicher in Nicaragua. Seit 1996 unterstützt das Nicaragua-Forum Heidelberg diese Organisation. In Somoto, im Norden des Landes an der Grenze zu Honduras, werden dort 350 Familien von drei Promotoren, einer Ärztin und einer Krankengymnastin betreut. Die großen Entfernungen, fehlende Transportmittel und die Armut der meisten Familien erschweren die Arbeit ganz erheblich. Viele Familien waren im letzten Jahr durch eine Missernte nach dem Hurrikan Felix zusätzlich vom Hunger bedroht. Über unsere Unterstützung damals und die aktuellen Fortschritte wollen wir am Beispiel von Dagoberto Lopez und Maria Dolores berichten.

MitarbeiterInnen und HelferInnen

In Folge des Hurrikans Felix hatten Ende 2007 mehr als 150 Familien große Teile ihrer Mais- und Bohnenernte verloren. Eine dramatische Verschlechterung der Situation der unterernährten Kinder schien vorprogrammiert. Mit Ihrer Hilfe konnten wir Saatgut in Höhe von 3000 € zur Verfügung stellen, das von den Mitarbeiter/innen von Los Pipitos verteilt wurde. Die Präsidentin Cisely Estrada schrieb uns dazu einen Brief, den wir auszugsweise an unsere Spender weitergeben möchten:

„Im Namen aller Eltern unserer Organisation möchten wir uns für die großzügige Hilfe bedanken. Auch wenn wir damit nicht alle Notwendigkeiten bestreiten konnten, haben doch 150 Familien Saatgut für die nächste Aussaat erhalten. Inzwischen haben wir aus der aktuellen Ernte einen Rücklauf an Bohnen von den Familien erhalten, die eine gute Ernte erzielen konnten. Auf diese Weise versuchen wir ein System der Unterstützung zu errichten, denn die fortgesetzten Rückschläge durch Umweltkatastrophen und die gestiegenen Lebensmittelpreise machen die Situation der Eltern mit behinderten Kindern in unserem Land unerträglich. Ihnen und Ihren Familien herzlichen Dank aus Somoto.“

Die alltägliche Arbeit der Promotoren ist freilich eine ganz andere. Regelmäßig werden die Familien besucht, und es werden die Schwerpunkte festgelegt, die in den nächsten Monaten gemeinsam verfolgt werden sollen. Fortbildungen werden vorbereitet und über die Gemeinden, die in weitem Umkreis verteilt sind, organisiert. Der Betrieb des Hauses in Somoto mit den Sprechzeiten der Ärztin und den Behandlungen durch die Krankengymnastin, die Klassen für gehörlose und schwerhörige Kinder sowie die laufenden Kurse für verschiedene Gruppen, alles muss vorbereitet werden.

Woran soll man den Erfolg der Arbeit von Los Pipitos messen, wenn nicht an den verbesserten Lebensbedingungen der Kinder und ihrer Familien? Am Beispiel von Dagoberto Lopez und Maria Dolorez, die ich im Laufe der letzten beiden Jahre zweimal besuchen konnte, möchte ich Ihnen die Fortschritte nahe bringen, die wir mit Ihren Spenden ermöglichen können.

Dagoberto

Dagoberto Lopez Viscay

Dagoberto, 12 Jahre alt, lebt mit seiner Mutter und seinen fünf Geschwistern in San Juan de Somoto. Die Familie besitzt nur ein kleines Stück Land und pachtet deshalb zum Anbau von Grundnahrungsmitteln ein weiteres Feld. Dagoberto ist aufgrund einer cerebralen Schädigung geistig behindert und motorisch stark eingeschränkt. Bei unserem letzten Besuch 2006 konnte er noch nicht sprechen und auch nicht selbst essen, was zum Teil seine deutliche Unterernährung erklärte. Die Hütte war stark verwahrlost, eine Kochstelle in schlechtem Zustand und Dagoberto hatte einen Schlafplatz, der nur aus einem Bettrahmen mit abgespannten Schnüren und Plastiksäcken bestand.

Zwei Jahre später 2008 hat sich vieles geändert:

Die Familie hat an einem Programm zur Hilfsmittelversorgung teilgenommen. Unter Leitung von Gladys Obregon aus Managua erstellten die Familien eine Liste der notwendigen Hilfsmittel, organisierten einen Schreiner vor Ort und begannen, für Pedro ein Bett und einen Laufbarren vor der Hütte zu zimmern. Die Eltern und Geschwister waren nicht nur bei der Herstellung, sondern vor allem auch bei der Einweisung in die Benutzung und die begleitenden Übungen einbezogen. Im folgenden Jahr bekam die Mutter einen Rollator, womit Dagoberto sich jetzt auch außerhalb des Bettes aufhalten kann und seinen Aktionsradius langsam erweitern kann. Er hat mit Hilfe der Krankengymnastin gelernt, Essen zu sich zu nehmen. Die Artikulation hat sich leider noch nicht gebessert.

Zusammen mit der Gemeinde hat die Familie inzwischen ein festes Haus gebaut, womit die prekären hygienischen Verhältnisse sich enorm verbessert haben. Natürlich sind nicht alle der Probleme der Familie gelöst. Der jüngere Bruder hat immer noch nicht sprechen gelernt, Maria seine Schwester macht in der Schule keine großen Fortschritte und arbeitet lieber im Haus als an den Hausaufgaben. Die tägliche Mühsal, die Parzellen zu bestellen, der Kampf, mit den Lebensmittel auszukommen, die Notwendigkeit, sich als Saisonarbeiter zu verdingen und wochenlange von zu Hause weg zu sein, und schließlich die Angst, durch Missernten oder eine schlimme Erkrankung alles wieder zu verlieren, das bleibt hartnäckig im Kopf.

Ohne die Einbindung von Dagobertos Mutter in die Elternorganisation, ohne der Vernetzung von Los Pipitos mit den anderen kommunalen Organisationen, die sich dem Kampf gegen die Armut stellen, läge Dagoberto heute noch auf seinen Kaffeesäcken und könnte nicht vorsichtige Schritte in eine neue, wenn auch unsichere Welt machen.

Maria zuhauseMaria Dolores, 28 Jahre

Während unseres Besuches im Jahr 2006 waren alle Familienmitglieder bis auf die Großmutter außer Haus. Sie bearbeiten die vier Manzanas Mais und Bohnen, zwei der Brüder arbeiten saisonal als Kaffeepflücker im Norden des Landes. Maria ist geistig behindert und hat ein Anfallsleiden, das von starken Schmerzen begleitet wird. Die notwendige Medikamentenversorgung war nicht gewährleistet. Die Großmutter wusste nicht mit Maria umzugehen. Durch den Besuch der Ärztin von Los Pipitos in Somoto sollte die Einstellung mit Medikamenten begonnen werden.

Zwei Jahre später ein völlig verändertes Bild:
Maria ist inzwischen mit Medikamenten eingestellt. Durch die regelmäßigen Besuche bei der Ärztin, die bei Los Pipitos halbtags arbeitet, und durch eine vereinfachte Medikamentenversorgung in der Klinik nach dem Regierungswechsel ist Maria weitgehend anfalls- und schmerzfrei. Sollten die Medikamente in der Klinik nicht vorhanden sein, kann Marias Mutter auf einen Fond von Los Pipitos zugreifen, der für die Versorgung mit Medikamenten gedacht ist.

Der Wandel ist offensichtlich. Maria ist offen und freundlich, nimmt Kontakt auf und kann über die positive Veränderung berichten. Sie zeigt, wie sie im Haushalt arbeiten kann, richtet ihr Bett und macht mit ihrer Mutter die Tortillas für die nächste Mahlzeit. Endlich kann sie ihre Rolle im Familienverband finden und einnehmen und findet Anerkennung und Bestätigung.

Zwei Tage später treffen wir sie mit ihrer Mutter bei der Weihnachtsfeier von Los Pipitos wieder. Diesmal begrüßt sie mich schon wie einen alten Bekannten, sie nimmt Teil am dargebotenen Programm, klatscht und schlägt die Hände vors Gesicht, wenn sie persönlich begrüßt wird. Dass sie von einem der Paten in Somoto eine Schüssel mit Lebensmitteln mit nach Hause nehmen kann, macht sie offensichtlich glücklich.

Dennoch ein fragiles Glück. Was geschieht, wenn die kostenlose Medikamentenversorgung nicht mehr klappt oder wenn die Ärztin ihre Tätigkeit für Los Pipitos beendet, weil sie eine Praxis aufmachen möchte, weil sie teilhaben will oder muss am Kampf um das höhere Einkommen. Wenn auch die Mittelschicht kein Auskommen mehr findet aufgrund der gestiegenen Kosten in allen Lebensbereichen?

Das Nicaragua-Forum versucht, auch im kommenden Jahr den Betrieb des Hauses zu unterstützen. Kontinuierliche Angebote, die Entwicklung von Eigeninitiative der Eltern und die Arbeit mit anderen Organisationen vor Ort haben dabei den Vorrang. (hr)

Bitte helfen Sie uns dabei mit Ihrer Spende! Spenden Sie unter dem Stichwort „Los Pipitos“


Für die Finanzierung der Arbeit von Los Pipitos in Somoto bitten wir Sie um ihre Unterstützung.
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Stichwort: Los Pipitos